Dresden. Sachsens Linke würde das Landesamt für Verfassungsschutz mit seinen 180 Mitarbeitern am liebsten abwickeln - und hat daraus auch noch nie ein Geheimnis gemacht. Insofern kommt es wenig überraschend, dass dessen Jahresberichte in der größten Oppositionsfraktion des Landtags immer besonders kritisch durchforstet werden.
Im Ergebnis war für die Leipziger Linke Juliane Nagel erneut der Beweis erbracht, dass das Landesamt auf dem "rechten Auge blind" sei und es auch gar nichts nütze, dessen Schärfung zu verlangen, weil der Geheimdienst schon immer nur eine Richtung kenne: "gegen links".
Wie Nagel wirft auch die Sprecherin der Fraktion für antifaschistische Politik, Kerstin Köditz, dem Landesamt vor, die Ausschreitungen und Sachbeschädigungen von mehr als 200 Neonazis am 11. Januar in Leipzig-Connewitz als "Versammlung" verharmlost und als Beleg für "Konfrontationen zwischen rechts- und linksextremistischen Personen" angeführt zu haben. Dabei sei kein einziger Linker beteiligt gewesen. Das stimmt zwar, auch die Zitate geben Nagel und Köditz richtig wieder. An mehreren anderen Stellen des in dieser Hinsicht widersprüchlich formulierten Jahresberichtes ist aber sehr wohl von "Ausschreitungen" die Rede, begangen durch Neonationalsozialisten und Hooligans.
Vor der für jenen 11. Januar 2016 für das Stadtzentrum angemeldeten Legida-Kundgebung hatte der Verfassungsschutz vor Gegenaktionen der linken Szene gewarnt - und dies auch mit dem angeblich von der Antifa begangenen Buttersäure-Anschlag auf die Wohnung von Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) im November 2015 begründet. Dasselbe Argument führte damals für die Silvesternacht zum Versammlungsverbot am Connewitzer Kreuz.
Nur: Keiner der beiden längst ermittelten Tatverdächtigen - für den Prozess am Amtsgericht gibt es nach wie vor keinen Termin - gehört der linken Szene an. Im Gegenteil: Einer davon sei "ein stadtbekannter Neonazi", sagt Köditz. Sie ärgert sich, dass das Landesamt weder die fälschliche Zuschreibung an die Antifa widerrufen noch im aktuellen Jahresbericht dazu eine Klarstellung vorgenommen habe. "Es wäre doch das Mindeste, zu den eigenen Fehlern zu stehen, sie einzuräumen und geradezurücken", sagt Köditz der "Freien Presse". Der "jährliche Schlapphut-Schinken aus Dresden" sei weder belastbar noch verlässlich, sondern wirke als "Desinformation".
Dazu zählt sie auch, dass der Sprengstoffanschlag auf eine Dresdner Moschee vor dem Einheitsfeiertag am 3. Oktober 2016 auf den 365 Seiten nur ein einziges Mal erwähnt wird - und zwar nur im Kontext mit einem späteren Aufruf von "Linksextremisten". Kein Wort hingegen dazu, dass der mutmaßliche Täter zu den Rednern bei Pegida gehörte. Genervt ist Köditz auch von der erneuten Behauptung, die Autonomen stützten sich auf ein "Naturrecht auf Widerstand". Das reklamiere nur die extreme Rechte für sich, wenn sie zur Bildung von Bürgerwehren aufrufe. Das Landesamt will sich in Kürze zur Kritik der Linken äußern.