Nicht das G-20-Treffen sei als Veranstaltung mit besonderen Gefahren verbunden, vielmehr seien es militante Extremisten, „die das Treffen für ihren gewalttätigen Kampf gegen unsere freie Gesellschaft ausnutzen.“ – Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) nutzte die Vorstellung des aktuellen Verfassungsschutzberichtes am Donnerstag, um mit Blick auf das Anfang Juli anstehende Gipfeltreffen vor den Taten Linksextremer zu warnen, die, so Grote, zu gewaltsamen Aktionen aufrufen, Gewalt gegen Polizeibeamte legitimieren oder auch privates Eigentum von Abgeordneten oder Senatsmitgliedern angreifen.
Er betonte, der Senat begrüße ausdrücklich Versammlungen, die sich auch kritisch „mit internationaler Politik, den Folgen der Globalisierung oder auch G 20 selbst“ auseinandersetzten. „In einer liberalen und pluralistischen Stadt wie Hamburg darf und soll demonstriert werden“, sagte Grote, „aber ohne Gewalt, ohne jegliche Straftat.“ Den Raum dafür werde es geben. Und es werde wohl mehr Raum sein, als bei jedem ähnlichen Gipfel zuvor. Er appellierte an all jene, die sich friedlich versammeln wollen: „Lassen Sie sich nicht von Linksextremen vereinnahmen, seien Sie achtsam, an welchen Aktivitäten Sie teilnehmen, halten Sie Abstand zu militanten Extremisten.“
4000 bis 8000 gewaltbereite Linksextremisten aus dem In- und Ausland werden vor und während der Gipfeltage (7. und 8. Juli) in der Stadt erwartet, an dieser Einschätzung von Staats- und Verfassungsschutz hat sich bislang nichts geändert. Und deren Proteste werden, so der Verfassungsschutz, insbesondere von drei linksextremen Strömungen gelenkt, die der Nachrichtendienst seit Langem beobachte. Es seien, ungeachtet ihres teils offenen Auftretens, gewaltorientierte Gruppen, die, wie Grote betonte, populäre Themen wie die Proteste gegen G 20 und Stadtentwicklungspolitik oder den Kampf gegen Rechtsextremismus missbrauchten, um ihre verfassungsfeindlichen Ziele zu verfolgen. Die Gruppen im Überblick:
Laut Verfassungsschutz eine gewalttätige Gruppierung, die aus der Gruppe Avanti hervorgegangen sei, die den Autonomen zugeordnet werde und die als Art Scharnier versuche, „über gezielte Bündnisarbeit mit Nicht-Extremisten“ Anschluss über linksextreme Strukturen hinaus zu knüpfen. Gesicht der IL ist Emily Laquer, die als Mitorganisatorin der vom Linken-Bundestagsabgeordneten Jan van Aken angemeldeten Großdemo „G 20 not welcome“ bekannt wurde, zu der bis zu 100.000 Menschen erwartet werden, darunter auch viele bürgerliche Demonstranten. Zudem plant die Interventionistische Linke im „Bündnis gegen das G20-Treffen“ eine Nachttanzdemo am 5. Juli und einen „Tag des Ungehorsams“ am 7. Juli, samt Hafenblockade.
Die IL habe sich im Gängeviertel verankert, so der Nachrichtendienst, das als Übungsraum genutzt werde und zu G 20 als Rückzugsort dienen soll – zur Entspannung und Versorgung Verletzter. Auch Laquer wird vom Verfassungsschutz einschlägig zitiert: „Wir werden uns nicht geschlossen von Gewalt distanzieren. Und ich werde da auch nicht meine Freunde ausliefern.“
Die Möglichkeit, militante Aufzüge zu G 20 zu verbieten, sieht Grote mit Blick auf die hohen Hürden der Versammlungsfreiheit nicht. Es müsse „schon eine sehr massive Gefahreneinschätzung“ für den unmittelbaren Versammlungsverlauf geben, sagte er. Gewalttaten werden vielmehr aus Versammlungen heraus und nach deren Abschluss erwartet.
Im Vergleich zum Vorjahr seien 2016 weniger politisch motivierte Straftaten (705 insgesamt) aus der linksextremen Szene registriert worden, was insbesondere daran gelegen habe, dass es bis auf eine 1. Mai-Demo keine weiteren Aktionen oder Aufzüge wie in Vorjahren gegeben habe. Anders werde die Statistik wohl nach G 20 aussehen, mutmaßte Verfassungsschutzchef Voß – allerdings ausschließlich auf linksextreme Gewalttaten bezogen. Hinweise auf terroristische Anschläge haben die Sicherheitsbehörden eigenen Angaben zufolge nicht: Islamistische Anschläge in der jüngeren Vergangenheit hätten immer weiche Ziele zu treffen versucht, erklärte Voß. Angesichts der massiven Sicherheitsvorkehrungen rund um den Gipfel und des zusätzlichen Schutzes der Staatsgäste durch eigene Sicherheitskräfte sei damit nicht zu rechnen.
Der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus bleibe eine der größten Aufgaben des Verfassungsschutzes, hieß es gestern aus der Innenbehörde, zumal die Hamburger Szene weiter gewachsen ist, der aktuell (Juni 2017) 730 Personen zugerechnet werden, darunter 365 Dschihadisten. Der Kampf gegen den Extremismus sei „härter und intensiver geworden“. Die Bedrohungslage sei unverändert hoch, mit Zerfall der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) steige die Anschlagwahrscheinlichkeit. Die „Ausreisedynamik“ in IS-Gebiete habe abgenommen, erklärte Voß, allerdings sei bislang auch keine Rückreisewelle zu erkennen. Immerhin sei es gelungen, zwei Extremisten aus Hamburg abzuschieben.
Innensenator Grote verwies darauf, dass Hamburg als erstes Bundesland aktiv gegen Koranverteilungsstände erfolgreich vorgegangen sei und insbesondere die Expertise des Hamburger Verfassungsschutzes zum bundesweiten Verbot der dahinterstehenden „Lies“-Vereinigung beigetragen habe – so wie auch bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus: Seit 2016 wird nicht nur die „Identitäre Bewegung“ als rechtsextrem eingestuft. Auch die in Hamburg gegründete rechtsextreme Vereinigung „Weisse Wölfe Terrorcrew“ wurde verboten. Die rechtsextreme Szene selbst ist in Hamburg weiter geschrumpft – was nicht zuletzt auch am Niedergang der NPD liegt.