AfD-Abgeordnete: Kassieren ohne Grund?

Erstveröffentlicht: 
19.05.2017

Mehrere Landtagsabgeordnete der AfD kassieren staatliche Hilfen für ihre Wahlkreisarbeit, obwohl sie keine eigenen Wahlkreisbüros unterhalten. Vier Parlamentarier der Fraktion haben nach Recherchen des NDR dafür seit Oktober vergangenen Jahres insgesamt knapp 50.000 Euro erhalten.

 

Acht Monate nach der Wahl noch keine Wahlkreisbüros


Es geht um Fraktionschef Leif-Erik Holm, seinen Stellvertreter Ralph Weber und die Abgeordneten Bert Obereiner und Dirk Lerche. Sie verzichten auch mehr als acht Monate nach der Wahl noch immer auf eigene Büros und damit auf feste Anlaufpunkte für Bürger. 

 

Keine Büros an angegebenen Adressen


Dabei erhalten die vier - wie alle übrigen 67 Abgeordneten - eine monatliche und steuerfreie Kostenpauschale in Höhe von 1.507 Euro. Die ist laut Abgeordnetengesetz vorgesehen für die Arbeit im Wahlkreis, vor allem für "Porto, Telefon, Mobiliar und Bürokosten". Die Wahlkreis-Pauschale aus Steuermitteln wird zusätzlich zu der monatlichen Abgeordnetenvergütung von 5.800 Euro gezahlt. Obereiner und Lerche geben auf der offiziellen Landtagsseite jeweils eine Post-Adresse als Sitz eines Wahlkreisbüro an, dort - in Lübtheen und Schwerin - sind aber keine Büros zu finden. Der Abgeordnete Lerche erklärt, er biete in seinem nahegelegenen EDV-Geschäft Bürgersprechstunden an - aber auch dort fehlen Hinweise auf ein Wahlkreisbüro eines Landtagsabgeordneten. Das bürolose AfD-Quartett ist die Ausnahme: Alle Fraktionsmitglieder von SPD, CDU und Linken unterhalten ausnahmslos Wahlkreisbüros, auch die nach der Wahl neu ins Parlament eingezogenen Parlamentarier. Auch die übrigen 14 AfD-Abgeordneten unterhalten Wahlkreisbüros. 

 

Büro angekündigt - ohne Termin


Ein Sprecher der AfD-Fraktion erklärte auf Anfrage des NDR, die Abgeordneten Holm, Obereiner und Lerche würden "in Kürze" ein gemeinsames Büro in Schwerin eröffnen. Einen Termin nannte er nicht. Holm hatte bereits im vergangenen Dezember angekündigt, er werde in Wismar ein Büro eröffnen. Das erfolgte nicht. Der Sprecher teilte weiter mit, dass Fraktionsvize Weber auf ein Büro verzichte, stattdessen aber Bürgersprechstunden anbiete. Diese Praxis ist auch von anderen Abgeordneten bekannt, die diese Bürgersprechstunden zusätzlich zu ihren Angeboten im eigenen Wahlkreisbüro abhalten. 

 

Kritik: Statt versprochener Bürgernähe nur Geld kassiert


SPD-Fraktionschef Thomas Krüger nannte die Praxis der AfD-Abgeordneten eine "Riesen-Sauerei". Die AfD erzähle immer, wie bürgernah sie sei. Am Ende aber würden sich die Abgeordneten Steuermittel in die eigene Tasche stecken, obwohl das Geld dafür da sei, Wahlkreisbüros zu unterhalten. Auch der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Peter Ritter, kritisiert die Praxis der AfD. Zur Arbeit eines Abgeordneten gehöre auch, dass man ein Wahlkreisbüro vorhalte, um mit dem Bürger in Kontakt zu kommen. "Dafür erhält man auch Geld vom Steuerzahler - wenn die AfD-Abgeordneten das für andere Zwecke einsetzen, dann ist das schon sehr merkwürdig." 

 

Hektische Betriebsamkeit bei AfD-Abgeordneten


Die Berichterstattung hat am Freitagmorgen hektische Betriebssamkeit in der AfD ausgelöst. Der Abgeordnete Obereiner ließ den Eintrag zu seiner Person auf der Internet-Seite des Landtags ändern. Dort wird jetzt als Ort eines Wahlkreisbüros nicht mehr eine Adresse in Lübtheen genannt, sondern eine Adresse in der Schweriner Innenstadt. Dort allerdings finden sich keine Hinweise auf Obereiner, die AfD und ein Wahlkreisbüro. Unter der Adresse gibt es lediglich Hinweise auf eine Orientteppich-Manufaktur. Der AfD-Abgeordnete Lerche nannte die NDR Berichterstattung "Fake-News". Er biete in seinem EDV-Geschäft regelmäßig Sprechstunden an, dort sei auch seine Mitarbeiterin tätig. Allerdings finden sich keine Hinweise auf ein Wahlkreisbüro. Im Flur des Hauses, in dem Lerche ein solches Büros unterhalten will, ist lediglich ein Briefkasten mit der verwitterten Aufschrift "EDV-Lerche" angebracht.

 

Auch während der Landtagssitzung am Freitagvormittag spielte das Thema eine Rolle: Der SPD-Abgeordnete Jochen Schulte fragte den AfD-Abgeordneten Bernhardt Wildt in einer Debatte über Kommunalfinanzen nach der korrekten Verwendung von Steuermitteln durch die AfD. Wildt räumte ein, dass vier Abgeordnete noch keine Wahlkreisbüros haben. Der Grund sei aber ein einfacher: Sie würden keine Vermieter finden, da diese Angst vor Vandalismus hätten. AfD-Wahlkreisbüros, so Wildt, würden immer wieder angegriffen.