Echter Waffenhändler freut sich auf falschen Friedenspreis

Erstveröffentlicht: 
06.05.2017

Sie trollten die CDU, starteten im Namen von Heckler und Koch eine Rückrufaktion für Waffen, lockten Thyssenkrupp zum "Friedenspreis" - nun interessiert sich sogar die SPD für das Peng!-Kollektiv. von Sidney Gennies

 

Es ist nicht ganz klar, wann er es gemerkt hat. Nur, dass es viel zu spät war. Christian Stuve – blauer Anzug, dunkle Krawatte – betritt den Konferenzsaal eines der feinsten Hotels der Stadt. Alle anderen hier tragen auch Anzug oder Kostüm, es gibt Sekt. Alles wie immer. Nur dass vorne neben dem Podium das Logo einer großen weißen Taube prangt und hier der „Deutsch-französische Preis für Sicherheit und Frieden“ vergeben werden soll. Den Preis gibt es nicht, die anderen Gäste sind Schauspieler. Nur Christian Stuve ist echt. Und er arbeitet für einen deutschen Waffenhersteller. Kurz: er hat hier nichts zu suchen, so oder so.

 

Christian Stuve ist Senior Vice President Politics and Strategy bei Thyssenkrupp in der Abteilung „Marine Systems“, die unter anderem Kriegsschiffe an Malaysia und Neuseeland verkauft hat und derzeit wegen eines milliardenschweren U-Boot-Deals mit Israel in der Kritik steht. Dass er in die Falle getappt ist, vielleicht wirklich dachte, als Waffenhändler einen Friedenspreis verliehen zu bekommen, ist das Ergebnis monatelanger Arbeit und lediglich der satirische Höhepunkt einer 50.000 Euro teuren Kunstaktion, die nach eigener Auskunft das Kriegswaffenkontrollgesetz ändern will. Opfer der Aktionen wurden neben Thyssenkrupp auch Waffenhersteller Heckler und Koch – sowie die CDU.

 

Dahinter steckt das Berliner Peng!-Kollektiv, wie aus umfangreichem Videomaterial hervorgeht, das dem Tagesspiegel vorliegt. Am heutigen Samstag soll es veröffentlicht werden. Selbst in den USA gibt es jetzt Wirbel um die Satire, Waffenhändler sind stinksauer, denn sie haben zu Hunderten gefälschte Briefe von Heckler und Koch erhalten, in denen eine Rückrufaktion für Handfeuerwaffen angekündigt wird. Angeblich, weil es nicht mehr zu verantworten sei, Pistolen in ein Land zu liefern, in dem Donald Trump regiert.

 

Das Peng-Kollektiv hat seine Büros in der Lausitzer Straße in Berlin Kreuzberg. Hinterhof, gelb bemalter Backstein, viele vertrocknete Zimmerpalmen. Leere Mate- und Bierflaschen zeugen von durchgearbeiteten Nächten. Im Projektraum sitzen Nina Los, 32, und Anton Gernot, 25, auf einem roten Ecksofa. Die beiden heißen nicht wirklich so, aber sie gehören zum Kernteam im Kampf gegen die Waffenlobby.

 

Sie sind es auch, die an etliche deutsche Waffenhändler die Einladung zum angeblichen Friedenspreis verschickten, die nun im Namen von Heckler und Koch Anrufe von verunsicherten US-Waffenhändlern entgegennehmen. Und sie waren dabei, als in der vergangenen Woche im Namen des fiktiven CDU-Ortsverbands „Schwenke“ in NRW Angela Merkel dazu aufgefordert wurde, Kleinwaffenexporte zu stoppen, da sich dies mit den christlichen Werten der Partei nicht vereinbaren lasse. Neben Fox-News und Associated Press fiel auch Radio Vatikan auf den Fake rein und titelte: „CDU-Basis gegen Waffenexporte!“

 

 

Beiden ist bewusst, dass solche Aktionen in Zeiten von Fake-News problematisch sein können. Deswegen werde die Satire auch nach kurzer Zeit aufgelöst.

 

„Es gibt derzeit kaum eine Debatte darüber, wie Waffenexporte zu laufen haben“, sagt Gernot. Derzeit entscheidet darüber der Bundessicherheitsrat und der tagt geheim. Maßgeblich für die Genehmigungen ist außerdem das Bundeswirtschaftsministerium – und das gehört nicht zur CDU, sondern zur SPD. Deswegen erinnert sich auch Sigmar Gabriel an seinen Erstkontakt mit dem Peng-Kollektiv. Das war im vergangenen Oktober im ICE auf dem Weg nach Dortmund. Eine Zufallsbegegnung, aber der Peng-Aktivist überreichte Gabriel einen handschriftlichen Zettel: „Ich fände es Knorke, wenn Sie die Abschaffung der Kleinwaffenexporte zum Wahlkampfthema machen würden. Sonst müssten wir das machen.“

 

Zum Wahlkampfthema ist es noch nicht geworden. Dafür können sie aber in der SPD herzlich lachen über die Aktionen des Kollektivs und aus dem Willy- Brandt-Haus heißt es nun, es werde darüber nachgedacht die Regularien für den Waffenexport weiter zu verschärfen.

 

Es ist also einiges in Bewegung geraten durch eine Satire, die übrigens ausgerechnet von der öffentlichen Hand bezahlt wird. 180 000 Euro hat die Kulturstiftung des Bundes dem Peng-Kollektiv und seiner Kooperation mit dem Schauspiel Dortmund über einen Zeitraum von zwei Jahren bewilligt. „Sowas gibt’s nur in Deutschland, dass man Geld vom Staat kriegt, um den Staat zu kritisieren“, sagt Nina Los – und es ist durchaus lobend gemeint.

 

Michael Eikhoff ist Chefdramaturg des Schauspiels Dortmund und beriet auch die rund 30 Schauspieler, die Waffenhändler Christian Stuve für eine gewisse Zeit für seinesgleichen hielt. „Wir müssen den Begriff von Bühne völlig neu denken“, sagt er. Die Schauspieler müssten sich auch inhaltlich fit machen, improvisieren. Vorher stand also Recherche: Wie verhalten sich Waffenhändler auf solchen Veranstaltungen? Gibt’s da Frauen? Über welche Themen hält man Smalltalk? Jeder Künstler hatte eine eigene Legende.

 

Wie Christian Stuve den Fake schließlich bemerkte, bleibt sein Geheimnis. Er verließ wortlos die Veranstaltung, bevor ihm der Preis überreicht werden konnte.

 

Thyssenkrupp reagierte nun aber per Mail, schrieb dem Tagesspiegel: „Einen Deutsch-Französischen Friedenspreis hätten wir gerne angenommen, da wir mit dem Marineschiffbau einen wesentlichen Beitrag zu Sicherheit und Frieden in Europa leisten.“ Das ist keine Satire.