Zalando und Google in Berlin: Die umstrittenen Kreuzberger Bauprojekte

Erstveröffentlicht: 
24.04.2017

Die 1.-Mai-Demo führt zur Baufläche des geplanten Google-Campus in Berlin. Auch von Zalando auf der Cuvry-Brache ist nicht jeder begeistert. Ein Überblick.

 

 Von Ralf Schönball und Oliver Voß

 

Im Berliner Häuserkampf geht es längst nicht mehr nur um bezahlbare Mietwohnungen. Seit der Stärkung der Basis-Grünen im Rathaus soll nun auch die Kiez-Kultur von Friedrichshain-Kreuzberg unter Schutz gestellt werden. Dafür setzt sich der neue Baustadtrat Florian Schmidt ein. Linke Projekte wie das Antifaschistische Archiv zählen ebenso dazu wie die Bäckerei „Filou“ und andere kleine Gewerbetreibende, die das Stadtbild im Kiez prägen. Genau das aber zieht auch Konzerne wie Zalando und Google an, die nun auch in die Kritik geraten.

 

Linke Aktivisten haben den Google-Campus zum Sinnbild der Gentrifizierung erklärt. Das für den Campus vorgesehene Umspannwerk an der Ohlauer Straße ist eine Station auf der Protest-Route „gegen Verdrängung und Rassismus“ am kommenden Wochenende. Rund um den 1. Mai finden traditionell in Kreuzberg Demos und Proteste statt, die zuletzt friedlich verliefen. Wie es im Aufruf zur Kundgebung weiter heißt, sei Berlin für „Investoren“ aus der ganzen Welt „eine Goldgrube“. Wohnungen und Häuser versprächen Profite – „Mieter_innen und kleine Geschäfte bleiben auf der Strecke und werden verdrängt“. Das Umspannwerk Ohlauer Straße sei einer der „Orte der Verdrängung in Kreuzberg und Neukölln – andere seien der linke Kiezladen Friedelstraße 54, das Café Filou sowie die Gerhart-Hauptmann-Schule.

 

Google wundert sich über die Unentschlossenheit


Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) sagte, über die Google-Pläne sei noch nicht entschieden: „Der Bauantrag von Google ist noch nicht abschließend baurechtlich geprüft“. Aber die Kritik von Aktivisten an Zalando und Google könne er verstehen: „Gerade Konzerne, die Teil der globalen Symbol-Ökonomie sind, scheinen Szenekieze zu lieben, tragen zugleich dazu bei, dass die Preise in diesen Kiezen steigen“. Durch die Ansiedlung der Firmen komme es zu einer „Angebotsverschiebung insbesondere im Angebot von Gewerberäumen, die eigentlich für die Nahversorgung der Wohnbevölkerung da sind“.

 

Bei Google wundert man sich über die plötzlichen politischen Querschüsse. Schließlich hatte der Konzern seine Pläne dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) offiziell vorgestellt. Müller hatte dessen Bedeutung für den Standort Berlin gelobt. Seither ging der Umbau seinen Gang, auch vonseiten des Bezirks habe es keine größeren Widerstände gegeben. „Wie bei jedem Umbau historischer Gebäude stellen sich Aufgaben, die wir gemeinsam mit den zuständigen Behörden lösen“, sagt Google-Sprecher Ralf Bremer. Man arbeite eng mit der Stadt zusammen, um die historischen Merkmale des Gebäudes nicht nur zu bewahren, sondern im Sinne des Projekts und der Umgebung hervorzuheben.

 

Zalando soll schon in zwei Jahren in einen Neubau einziehen


Besonders die von den Grünen geäußerte Befürchtung, Veranstaltungen auf dem Gelände könnten zu Lärmbelästigungen der Anwohner führen, irritiert. Schließlich wurde das Umspannwerk schon 2004 zu einer Eventlocation umgebaut, seither fanden dort weit über 1000 Veranstaltungen statt. Im Google-Campus sollen Start-ups unterstützt werden, dazu gibt es Veranstaltungen, und der Konzern bietet Beratungsangebote rund um eigene Produkte an.

 

Ähnliche Projekte betreibt Google in London, Madrid, São Paulo, Seoul, Tel Aviv und Warschau. In Berlin macht der Konzern seit Längerem Ähnliches in kleinerem Rahmen: das Programm „Google for Entrepreneurs“ in der Factory an der Rheinsberger Straße etwa. Mit dem eigenen Campus soll das ausgebaut werden. Dass sich der geplante Start verzögert oder das Projekt gar gestoppt wird, glaubt Google-Sprecher Bremer nicht: „Wir freuen uns weiterhin auf den Campus Berlin im Umspannwerk.“

 

Nicht aufzuhalten ist dagegen die „Besetzung“ einer weiteren Baufläche im Kiez durch einen anderen Großen der Internet-Wirtschaft: Zalando soll mit seinen ersten „Teams“ schon in zwei Jahren in einen Neubau einziehen, der auf der Cuvrybrache entsteht. Auf dem 10.000 Quadratmeter großen Grundstück bekommt das Berliner Unternehmen 34.000 Quadratmeter Büroflächen.

 

Vorausgegangen waren lange Verhandlungen zwischen dem Senat und dem Grundstückseigentümer Artur Süßkind. Dieser wollte dem Vernehmen nach nicht die Verpflichtung eingehen, auf einem Viertel der Fläche subventionierte Sozialwohnungen zu errichten. Der Investor hatte noch einen Trumpf in der Hinterhand, eine 15 Jahre alte Baugenehmigung, die offensichtlich immer noch gültig ist. Deshalb entstehen auf der Brache nun nicht die geplanten „Cuvryhöfe“ mit bis zu 250 Wohnungen, sondern das Bürohausprojekt „Spreespeicher“.