NÜRNBERG - Es geht um Rassismus, Nationalismus, Militarismus, Frauenfeindlichkeit und vieles mehr: Die Grünen nehmen die Straßennamen Nürnbergs ins Visier. Sie haben einen klaren Auftrag an das Stadtarchiv.
Anschließend soll es eine Prioritätenliste geben, welche Straßennamen aus heutiger Sicht geändert werden müssen. Der Antrag an die Stadtverwaltung stammt von dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Achim Mletzko, und der Grünen-Stadträtin Andrea Bielmeier. Sie begründen ihre Forderung damit, dass Straßennamen Geschichte und Geschichten erzählen, sie ehren Leistungen und Ideen ihrer Namenspatrone. "Aufgrund des zeitlichen Verlaufs der Namensgebung gibt es Straßen, die die Namen von Personen tragen, denen aus heutiger Sicht eine solche Würdigung nicht mehr zusteht", schreiben Mletzko und Bielmeier. Bürgerinnen und Bürger würden immer wieder auf solche Fälle hinweisen. Aktuell seien die Wissmannstraße und der Wissmannplatz im Stadtteil Loher Moos umstritten.
Nürnberg als Stadt der Menschenrechte müsse sich diesem Problem grundsätzlich annehmen, so die beiden Grünen. Berlin, Frankfurt, Hamburg, Münster und zuletzt Freiburg hätten sich dieser Problematik schon gestellt. In Freiburg wurde unter Federführung des Stadtarchivs eine Kommission aus Historikern und Soziologen einberufen, die sämtliche Straßennamen prüft und Empfehlungen für Umbenennungen ausspricht. Das Verfahren wird durch Bürgeranhörungen begleitet. Mletzko und Bielmeier verlangen außerdem ein Informationskonzept für Anwohner der betroffenen Straßen. Außerdem sollen örtliche Bürgervereine bei neuen Namen eingebunden werden.
2006 hat es in Nürnberg eine heftige Auseinandersetzung über die Umbenennung der Bischof-Meiser-Straße gegeben. Der frühere evangelische Landesbischof hatte früh Sympathien für nationalsozialistische Ideen erkennen lassen und die Straßenbenennung war deshalb kritisiert worden. Die Verteidiger der Bischof-Meiser-Straße hatten angeführt, dass der Landesbischof sich nur angepasst habe, um Schaden von der Kirche abzuwenden. Allerdings hat sich Meiser in den 50er Jahren nie von seinen Äußerungen distanziert, obwohl der Kirchenmann Zeit dafür gehabt hätte. 2007 kam es zur Umbenennung des kurzen Straßenstücks in Spitalgasse.
War Goethe frauenfeindlich?
Hermann von Wissmann (1853-1905) war ein Kolonialforscher und Befehlshaber deutscher Kolonialtruppen in Deutsch-Ostafrika. Bisweilen ging er rigoros gegen Einheimische vor und nahm auch Opfer in Kauf, deshalb soll der Straßenname geändert werden. Wissmann setzte sich aber auch gegen die Sklaverei und für Tierschutz ein. Mit der Ermordung der Hereros hatte er nichts zu tun. Die Liste der Persönlichkeiten mit einer ambivalenten Vergangenheit, und die Anlass für die Benennung einer Straße waren, dürfte in Nürnberg lang sein. Einige Beispiele: Otto Weddigen (1882-1915), U-Boot-Kommandant im Ersten Weltkrieg, versenkte zu Kriegsbeginn drei englische Schiffe. Er ist Teil der europäischen Kriegsgeneration.
Der Schriftsteller Gustav Freytag (1816-1895) war einer der populärsten Schriftsteller seiner Zeit: Er machte antisemitische Ressentiments in seinem Roman "Soll und Haben" salonfähig, gleichzeitig kritisierte er die Auswüchse des Wilhelmismus. Ernst Moritz Arndt (1796-1860) war ein Freiheitskämpfer gegen Frankreich und Demokrat mit antisemitischen Tendenzen. Auch Goethe könnte ins Zwielicht geraten: Wenn Frauen bei ihm vor allem die Rolle des "Bettschatzes" einnehmen, dann ist das heute frauenfeindlich.