Am letzten Sonntag, dem 23.5., wurde in Kamp-Lintfort bei Düsseldorf der Obdachlose Klaus B. von zwei Jugendlichen ermordet. Die Tat war nicht ideologisch motiviert, dennoch und vielleicht gerade deswegen, ist es uns wichtig diesen Fall darzustellen und darauf hinzuweisen, warum wir es als AntifaschistInnen und Linksradikale wichtig finden dieser Tat Beachtung zu schenken und sich mit den gesellschaftlichen Hintergründen auseinanderzusetzen.
Der Frührentner Klaus B. wohnte in einem Opel Corsa auf einem Parkplatz, nahe einem See, der als Treffpunkt für Jugendliche beliebt ist, in Kamp-Lintfort. Die zwei 16-jährigen Haupttäter und zwei 17-jährige waren am frühen Sonntagmorgen dort feiern und beschlossen aus „Langeweile“ den stadtbekannten B. anzugreifen. Bei ihrer Tat waren sie vollkommen nüchtern. Die vier Jugendlichen verwickelten B. in ein Gespräch und fingen dann an sein Auto anzugreifen. Daraufhin stieg B. aus seinem Auto und filmte die Täter mit seiner Handykamera. Die beiden 16-jährigen schlugen ihn daraufhin so stark zusammen, dass er an seinem eigenen Blut erstickte. Am Donnerstag wurden die beiden Haupttäter von der Polizei festgenommen. Sie konnten deshalb ermittelt werden, weil sie in der Stadt mit ihrer Tat geprahlt hatten.
Kein Nazimord… und dennoch kein Zufall
Dass die Tatsache, dass es sich hierbei (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) nicht um einen Nazimord handelt, die Tat nicht weniger schlimm macht, sollte klar sein. Wir möchten jedoch noch einmal darauf hinweisen, dass es unserer Auffassung nach wichtig ist, diesen Mord auch von links zu thematisieren und sich damit auseinanderzusetzen. Denn bei Gewalt gegen Obdachlose und andere sogenannte „Randgruppen“ handelt es sich weder um Einzelfälle, noch um Zufälle ohne gesellschaftlichen Hintergrund. Es würde mit Sicherheit zu weit führen sich an dieser Stelle damit auseinanderzusetzen, warum Menschen vollkommen nüchtern und aus Langweile Mordlust entwickeln und diese dann in die Tat umsetzen. Zentral ist allerdings die Frage, warum es in diesem und in anderen Fällen einen Obdachlosen getroffen hat. Über die genaue Motivation der Täter kann man derzeit nur mutmaßen, klar ist jedoch, dass Obdachlose als sozial ausgegrenzte ein gutes „Ziel“ für derartige Gewalttaten abgeben. Ein Obdachloser fällt für die Täter in eine Gruppe von Menschen, die niemand vermisst. Die Täter sehen solche Menschen als nutzlos, in ihren Augen hat so ein Mensch keinen Wert. Ob er nun da ist oder nicht, dass würde doch niemanden interessieren. Langeweile war angeblich der Grund für den Mord an Klaus B. Oftmals geben Menschen, die viel körperliche und strukturelle Gewalt erleben diese an Menschen weiter, die sie als unter ihnen stehend erachten. Somit fügen sie sich in die bürgerliche Kette der Gewaltverhältnisse ein. Für sie ist der Angriff auf einen Menschen, der in einem Auto wohnt, eine Weitergabe ihrer Agressionen, welche sie in sich tragen. Klaus B. war diesen Agressionen schutzlos ausgeliefert und schließlich führten diese zu seinem Tod. Es drängt sich also der Verdacht auf, dass diese Tat sich vor einem Hintergrund abgespielt hat, in dem gesellschaftlich generierter Frust an ein als wertlos empfundenes Individuum weitergegeben wurde. Das ist jedoch kein individuelles Problem der Täter, sondern die „Wertlosigkeit“ von Obdachlosen und sozial Ausgegrenzten wird erst durch eine Gesellschaft definiert, in der Menschen primär nach ihrer Produktivität und Leistung bewertet werden. Genauso kann eine Rolle gespielt haben, dass man sich für die Gewaltorgie jemand vermeintlich schwächeren, schutzlosen ausgesucht hat.
Nichts verschweigen, nichts vergessen
Genau deshalb, weil dieser Mord wahrscheinlich nicht aus einer eindeutigen ideologischen Motivation heraus begangen wurde, sondern vor dem Hintergrund unmenschlicher gesellschaftlicher Verhältnisse steht, ist es wichtig, ihm Beachtung zu schenken. Einmal deshalb, weil gerade Menschen, die „am Rand“ stehen es verdient haben nicht vergessen zu werden und zum anderen, weil wir als Linke darauf hinweisen müssen, was zu so einer Scheiße führt. Interessant sind in diesem Zusammenhang übrigens die Parallelen zum Mord an Dieter Eich in Berlin. Die Neonazis, die ihn im Jahr 2000 umbrachten, wollten auch ‚einfach nur‘ einen „Assi klatschen“ und prahlten im Nachhinein mit der Tat. Irgendetwas scheint manche Menschen in dieser Gesellschaft auf die Idee zu bringen, dass der Mord an einem Menschen, dem hier eh niemand einen „Wert“ und somit eine Würde beimisst, etwas ist, auf das man Stolz sein kann. Das trifft wohl auch auf andere Formen sozial ausgrenzender Gewalt zu. Denn auch die Mörder des Bochumer Homosexuellen Josef Gera gaben nach ihrer Tat damit es „einem Schwulen gezeigt“ zu haben. Es geht uns hier nicht darum den Mord an Klaus B. künstlich zu politisieren, oder gar unsere „Ideologie“ daran zu exerzieren. Natürlich wissen wir nicht um alle Details, aber dennoch drängt sich angesichts der sozialen Ausgrenzung und der Erfahrungen mit sozialdarwinistischer Gewalt eine bestimmte Interpretation der gesellschaftlichen Hintergründe dieser Tat auf.
Aus Bochum kennen wir übrigens auch derartige Fälle sozialdarwinistischer Gewalt. 2005 wurde einer Obdachlosen Frau von einem Hausmeister angedroht, sie anzuzünden, wenn sie weiterhin im Treppenhaus des RuhrCongress nächtigen würde. Im Dezember 2008 ist ein schlafender Obdachloser mit Brandbeschleuniger übergossen worden, der nur knapp den emporgeschossenen Flammen entging. Die Polizei, die diesen versuchten Mord totschwieg, ermittelte damals auch im rechtsradikalen Millieu.
Die Presse bleibt an der Oberfläche
Dass der Mord von Klaus B. auf den Titelseiten drei verschiedener Zeitung steht ist durchaus positiv. Dennoch wird nirgendwo auf die Gesellschaftlichen Verhältnisse, die zu solchen Morden führen eingegangen. In einem Artikel der „Rheinischen Post“ wird auf subtile Weise klar, wie die bürgerliche Gesellschaft es mit der Bemessung menschlicher Würde hält. Es wird davon gesprochen, dass Klaus B. vor hatte in ein „normales Leben“ zurück zukehren. Genau diese direkten und indirekten Darstellungen von Medien und verwertungszentrierter Denkweise sprechen für die Gesellschaftlichen Verhältnisse, die solchen Taten zu Grunde liegen. Jemand der keine Produktivität für andere hat ist ein Mensch, der auch nicht so viel Wert ist wie jemand der dieses tut. Dass sich die Zeitungen hiermit nicht auseinandersetzen lässt darauf schließen, dass auch die Journalisten, die Artikel über diese Thematik verfassen in solchen Denkschemata denken.
Wir hoffen, dass die Antifa-Szene den Fall Klaus B. aufmerksam verfolgen wird und es sich auch nicht nehmen lassen wird, sich dazu zu äußern. Wir wollen sozialdarwinistische Gewalt als Form reaktionärer Gewalt auch im Hinblick auf die Anstehende Gedenkdemo für Josef Anton Gera am 16. Oktober in Bochum thematisieren. Dieser Artikel soll ein kleiner Beitrag zur Auseinandersetzung mit diesem Thema sein.
Antifaschistische Jugend Bochum
Presse:
http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/Obdachloser-getoetet-Polizei-sc...
http://www.welt.de/aktuell/article7825366/Obdachloser-in-Kamp-Lintfort-e...
http://www.derwesten.de/staedte/moers/Obdachloser-Duisburger-in-Kamp-Lin...
http://www.derwesten.de/staedte/kamp-lintfort/Obdachloser-aus-Langeweile...
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,697369,00.html
http://www.rp-online.de/niederrheinnord/duisburg/nachrichten/Obdachlosen...
http://www.sueddeutsche.de/panorama/obdachlosen-tod-in-kamp-lintfort-jae...
http://www.wz-newsline.de/?redid=840371
Andere Links zum Artikel:
http://www.bo-alternativ.de/WAZ-26-11-05.htm
http://www.bo-alternativ.de/waz-30-11-05.htm