29. April, Fürth: Ein Recht auf Stadt erkämpfen - Rassismus angreifen

Wimmelbild Recht auf Stadt

Deutschland 2016 - Die Bilanz ist erschreckend: Für das Jahr 2016 zählten BKA, Medien und Stiftungen über 2000 Angriffe auf Geflüchtete und deren Unterkünfte. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der rechten Straftaten auf 12.500. An jedem Tag des Jahres wurden im Durchschnitt also 35 Straftaten begangen. Die Sicherheitsbehörden gehen dabei von mehr als 11.000 gewaltbereiten Rassist*innen und Neonazis aus. Allein 2015 wurden bei Razzien circa 2000 Waffen und 500 Spreng- und Brandsätze sichergestellt. Für das Jahr 2016 dürften diese Zahlen nochmals höher sein. Bei aller Skepsis gegenüber polizeilichen Statistiken – Die rechte Szene rüstet auf und ist zunehmend gewaltbereit. Deutschlandweit werden 494 Neonazis mit Haftbefehl gesucht, von denen mittlerweile viele im Untergrund leben könnten. Dass dieser Ausgangspunkt für rechtsterroristische Aktivitäten sein kann, zeigt nicht zuletzt der NSU.

 

Die AfD als politischer Arm des Rechtsrucks
Ideologischer Bezugspunkt und politisches Sprachrohr der rechten Szene ist immer stärker die AfD. Durch kalkulierte, vor allem rassistische und nationalistische Provokationen und Positionen greift die Partei den Rassismus von Teilen der Gesellschaft auf. Damit hat sie es nicht nur geschafft in zahlreiche Landesparlamente einzuziehen. Vielmehr ist sie Wegbereiterin und treibende Kraft des Rechtsrucks in Deutschland: Von den bürgerlichen Parteien werden rechte Parolen salonfähig gemacht – teilweise in Gesetzesform. Die politischen Positionen der AfD sind in erster Linie durch offensiven Rassismus und Nationalismus gezeichnet. Daneben ist die Partei aber auch Fürsprecherin prokapitalistischer, marktradikaler Positionen. Diese gehen davon aus, dass der Staat sich aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen zurückziehen muss. Erbschafts- und Vermögenssteuer sollen abgeschafft, Regulierungen für die Wirtschaft aufgehoben, Arbeits- und Umweltschutzstandards gesenkt und Sozialleistungen gekürzt werden. Die AfD folgt dabei dem Trugschluss, dass konkurrierende Marktteilnehmer*innen und Märkte für den Wohlstand einer Gesellschaft sorgen. Dem Staat kommt dabei die Rolle zu, gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen und sicherheitspolitische Maßnahmen im In- und Ausland durchzuführen.

 

Kapitalistische Wohnungspolitik mit rassistischem Beigeschmack
Bei ihren Positionen zur Wohnungspolitik geht eben diese marktradikale Politik Hand in Hand mit rassistischer Hetze gegen Geflüchtete. Erstens macht die AfD Geflüchtete und die Flüchtlingspolitik für die prekäre Lage auf dem Wohnungsmarkt verantwortlich. Sie spielt damit die rassistische Karte in einer Auseinandersetzung, die eigentlich zwischen Bewohner*innen und Eigentümer*innen besteht. Zweitens geht die Partei aber davon aus, dass weniger städtische und staatliche Eingriffe in den Wohnungsmarkt und mehr Privateigentum an Wohnraum die Lage verbessert. Ein Hohn für alle prekär Beschäftigten, Geflüchteten, Student*innen, Auszubildende oder Obdachlose, die Wohnraum kaum mieten, geschweige denn kaufen können. Der offensive Widerstand gegen rassistische, nationalistische und völkische Mobilmachungen der AfD bedeutet also gleichzeitig ein Eintreten für eine radikal andere Wohnungs- und Stadtpolitik.

 

Die Wohnung als Ware
Wohnraum ist heute so teuer, wie nie zuvor. Trotz medialen und politischen Diskussionen ändert sich daran nichts – im Gegenteil. Für Bewohner*innen ist Wohnraum vor allem das Dach über dem Kopf. Wie alle gesellschaftlichen Bereiche, ist auch der Immobilienmarkt kapitalistisch organisiert. Aus der ökonomischen Perspektive ist er also in erster Linie eine Ware, die verkauft oder vermietet werden kann. Das Ziel dabei ist, den Profit aus Verkauf oder Vermietung möglichst zu maximieren. Dieses Streben ist für Unternehmen und Investor*innen notwendig, um sich auf dem Markt zu behaupten und gegen Konkurrent*innen durchzusetzen. Gleichzeitig muss immer wieder neu investiert werden, sodass erwirtschaftetes Kapital dem Kreislauf wieder zugeführt wird. Aus dieser Logik folgt zwangsläufig, dass dieses System niemals günstigen Wohnraum für alle bereitstellen kann. Denn muss der Gewinn maximiert werden, steigen Miet- und Kaufpreise unvermeidbar. Besonders gewinnträchtig sind dabei Immobilienaufwertungen. Objekte mit niedrigen Mieten werden gekauft, renoviert und schließlich zu deutlich höheren Preisen wieder veräußert. Konkret wird dieses Vorgehen beispielsweise in Teilen der Fürther Innenstadt. Der Immobilienmarkt dient dabei als Investitionssektor für freies Kapital. So wurde vor der Krise Ende der 2000er Jahre ein Betrag von 65 Mrd. € unter anderem in den Aufkauf ehemals staatlichen Wohnraums in Deutschland investiert. Spürbarste Ergebnisse dieser Entwicklung sind steigende Mieten – vor allem in Innenstädten.
Begünstigt und beschleunigt wird dieser Prozess durch politische und ökonomische Entwicklungen der letzten 30 Jahre. Ab den 1980er Jahren wurde der kommunale Wohnungsbestand zunehmend für private Kapitalanleger*innen geöffnet. Gesetzliche Änderungen führten zu steigenden Erträgen, aber auch Mieten. Kommunale Wohnbauunternehmen wurden im Zuge von Haushaltskrisen verkauft. Außerdem stiegen die Mieten auch im kommunalen Wohnbau, um die städtischen Kassen zu sanieren oder Großprojekte umzusetzen. Selbst Sozialwohnungen werden vielerorts also nach dem Prinzip der Profitmaximierung betrieben. Parallel veränderte sich auch die Funktion und Rolle der Städte. Mit der Hoffnung Steuereinnahmen zu generieren, treten sie in Konkurrenz mit anderen Städten. Um dabei attraktiv zu bleiben, werden für Unternehmen günstige Rahmenbedingungen geschaffen, Imagekampagnen gestartet, aber auch das Erscheinungsbild der Innenstädte verändert sich. Großveranstaltungen oder der Umbau zum Einkaufszentrum, der auch in Fürth zu beobachten ist, sind dabei gängige Mittel. Die Anziehungskraft der Stadt kann dadurch zwar gesteigert werden – Menschen, die nicht konsumieren können oder wollen werden aber ausgeschlossen. Gleichzeitig sind Mietpreissteigerungen die zwangsläufige Folge.

 

Eine andere Stadt- und Wohnungspolitik
Besserung ist nicht in Sicht. Mieten steigen, Verdrängung findet statt, der Umbau der Städte ist in vollem Gang. Welche Strategien gibt es, dieser Entwicklung entgegenzutreten? Eine kurzfristige Maßnahme muss die massenhafte Investition in öffentlichen, sozialen Wohnungsbau sein. Darüber wäre es möglich relativ schnell preisgünstigen Wohnraum zu schaffen, der auch für Geringverdiener*innen, Geflüchtete, Obdachlose, Hartz-4-Empfänger*innen, Student*innen oder Auszubildende bezahlbar ist. Eine in vielen Städten präsente Lösung sind auch Genossenschaften, deren Mitglieder über ihren Wohnraum entscheiden. Das Problem dieser gemeinschaftlichen Wohnform ist jedoch, dass sich Bewohner*innen einkaufen müssen, was mit immensen Kosten verbunden ist. Möglichkeiten die vielleicht kurzfristig Abhilfe schaffen, ändern aber am Grundproblem des Wohnungsmarktes nichts: Er bleibt nach kapitalistischen Maßstäben organisiert – Wohnungen sind eine Ware. Erst der Ausbruch aus der Warenförmigkeit und dem Privatbesitz an Wohnraum stellt eine wirkliche Lösung des Problems dar. Wohnraum würde damit nichtmehr nach dem möglichen Preis beurteilt, sondern nach seinem Gebrauchswert für die Bewohner*innen – einem lebenswerten Ort für alle! Ein erster, nicht gerade utopischer Schritt in diese Richtung könnte beispielsweise die Vergesellschaftung von Leerstand sein. In Sozialwohnungen oder Genossenschaften verwandelt, wäre er auch ein Zeichen für eine mögliche Neuordnung städtischen Wohnens. Mit einer Vergesellschaftung des Wohnraums muss aber die Demokratisierung der städtischen Entscheidungen einhergehen. Bewohner*innen müssen entscheiden können, wie sich ihr Wohnen und das Wohnumfeld gestaltet. Gleichzeitig würde dies das Ende der Städte als Unternehmen bedeuten, die nicht mehr um Unternehmen und Investor*innen buhlen müssen. Diese Perspektive einer demokratischen Stadt für alle wird häufig unter dem Slogan „Recht auf Stadt“ zusammengefasst.

 

Warm-up Demo zum 1. Mai 2017
Den Slogan „Recht auf Stadt“ wollen wir aufgreifen und auch in Fürth eine Diskussion über städtisches Leben und Wohnen anstoßen, die über das Bisherige hinaus geht. Mit der Demonstration wollen wir zeigen, dass auch Fürth keine heile Welt ist und Orte aufsuchen, die symbolisch für die wohnungs- und stadtpolitischen Missstände stehen: Aufwertungsprozesse finden auch in Fürth statt. In der Folge steigen die Mieten, gleichzeitig nimmt die Zahl von Strom- und Gassperrungen, Wohnungsräumungen und Obdachlosen zu. Die Stadt befeuert Aufwertungsprozesse mit Großprojekten (Ludwig Erhard Haus) und -veranstaltungen. Außerdem schafft sie die Rahmenbedingungen, die diese Entwicklungen ermöglichen. Rechte Gruppen und die AfD hetzen derweil gegen Geflüchtete und machen sie mitverantwortlich für die Lage auf dem Wohnungsmarkt. Dem wollen wir eine antifaschistische und antikapitalistische Praxis entgegenstellen, die entschlossen und offensiv gegen rechte Hetze und Gewalt vorgeht – und gleichzeitig für eine Vergesellschaftung von Wohnraum und für ein Recht auf Stadt kämpft!

 

Warm-up Demo zum 1. Mai 2017
29. April 2017 | 16:00 | Kleine Freiheit. Fürth