Vorboten des G-20-Gipfels im Juli: Nach mehreren Anschlägen auf Polizeifahrzeuge fordert Hamburg sofortige Unterstützung aus anderen Bundesländern an. Doch von dort kommt die Hilfe nur zögerlich.
Am Tag nach den Brandanschlägen auf Polizeifahrzeuge in Eimsbüttel wurde schweres Gerät vor dem Polizeipräsidium in Alsterdorf aufgefahren. Tonnenweise Nato-Draht-Rollen brachte ein Polizei-Unimog an den Bruno-Georges-Platz. Bereitschaftspolizisten einer sogenannten Technischen Einsatzeinheit (TEE) verstärkten mit ihnen wenig später die Zaungitter rund um das weitläufige Polizeigelände.
Die Sicherungsmaßnahmen seien Teil des Sicherheitskonzepts zum im Juli anstehenden G20-Treffens und bereits von langer Hand geplant gewesen, sagte Polizeisprecher Timo Zill am Dienstagvormittag. Als direkte Reaktion auf den Anschlag auf dem Gelände der Außenstelle des Polizeikommissariats 23 in der Grundstraße, bei dem sechs Polizeifahrzeuge zerstört wurden, könne die Sicherungsaktion also nicht verstanden werden. Allein die Beschaffung dieser Masse an Nato-Draht habe mehrere Monate gedauert.
Bereits im Spätsommer des vergangenen Jahres war der Strauch- und Baumsaum an der Hindenburgstraße gelichtet worden, der zuvor beinahe blickdicht zugewachsen war. Welche Sicherungsmaßnahmen sonst noch rund um die „Liegenschaft Alsterdorf“, also das Polizeipräsidium und das Gelände der Bereitschaftspolizei, geplant sind oder bereits umgesetzt wurden, wollte Polizeisprecher Zill nicht sagen.
Hundertschaften aus anderen Bundesländern
Abseits der bereits geplanten Zusatzsicherungen in Alsterdorf scheint die Polizei jedoch noch zu hadern, wie sie mit der aktuellen Situation umgehen soll. In einem internen Informationsschreiben schreibt Polizeivizepräsident Wolfgang Brand von einer „spürbaren Lageverschärfung“, auf die die Polizei reagieren müsse. Brand resümiert: Es seien immerhin noch knapp 100 Tage bis zum Gipfel, „darunter der in linksextremen Kreisen angekündigte „Aktionsmonat April‘“.
Er appellierte an die Dienststellen der Polizei, „sich individuell mit der Sicherung der eigenen Liegeschaft und den Abstellmöglichkeiten für Fahrzeuge auseinanderzusetzen“, etwa durch Streifengänge, Fahrzeugwachen oder „das Einsetzen von Licht“, bis ein entsprechendes Sicherungskonzept ausgearbeitet sei. Fahrzeuge sollen in der Nacht nicht mehr im öffentlichen Raum abgestellt werden.
Wie die „Welt“ zudem erfuhr, soll sich die Polizei angesichts der Anschläge aktuell um Hundertschaften aus anderen Bundesländern bemüht haben – jedoch zunächst auf taube Ohren gestoßen sein. Erst nach einer zweiten Anfrage gab es Zusagen. So soll die Hamburger Polizei ab kommender Woche Unterstützung von auswärtigen Kräften erhalten, die wohl vor allem beim Objektschutz eingesetzt werden sollen.
Der Natodraht rund um das Polizeipräsidium diene vor allem dem Schutz des Fuhrparks, hieß es am Dienstag. Und der war in den vergangenen beiden Wochen bei Brandanschlägen militanter G20-Gegner um gleich sieben Fahrzeuge zusammengeschmolzen – zunächst bei einem Anschlag auf den Mannschaftswagen jener Polizisten, die das Wohnhaus von Bürgermeister Olaf Scholz beschützen sollen. Am frühen Montagmorgen dann bei einem Brandanschlag auf Fahrzeuge der Polizei in Eimsbüttel.
Noch am späten Montagabend war das Bekennerschreiben zum jüngsten Anschlag in einem einschlägigen Internetforum veröffentlicht worden. Eine Gruppe namens „Smash G20“ bekannte sich auf Indymedia.de zu der Tat. Der Staatsschutz der Polizei geht davon aus, dass das Schreiben authentisch ist. Die mutmaßlichen Brandstifter erklärten: „Unser Ziel war mit Bedacht gewaehlt, die Repressionsmaschine arbeitet schon auf Hochtouren an der Kriminalisierung des Widerstands.“ Das, was sich in drei Monaten in Hamburg abspielen werde, werde alles in den Schatten stellen, heißt es. Und: Man wolle es sich nicht nehmen lassen, die heißen Tage vor dem Gipfel anzuheizen.
Fingierter Alarm, um Feuerwehr abzulenken?
Wie der Anschlag auf das Polizeikommissariat genau ablief, wird noch ermittelt. Klar ist wohl, dass die Brandstifter eine Klappleiter benutzten, um die hohe Außenmauer zu überwinden. Ob sie auf das Gelände vordrangen oder ob sie einen Brandsatz von der Mauer warfen und dann flüchteten, wird noch untersucht. Angezündet wurde ein Fahrzeug, das Feuer sprang dann auf weitere über.
Noch am Dienstag ging die Polizei zudem dem Verdacht nach, ob die Brandstifter versucht hatten, die Feuerwehr durch einen fingierten Alarm in Lurup zu binden und die Löscharbeiten auf dem Polizeigelände zu verzögern. Wie die „Welt“ erfahren hatte, war ein Löschzug der Berufsfeuerwehr der Stellinger Wache im Basselweg knapp eine halbe Stunde vor dem Brandanschlag zu einem verrauchten Treppenhaus nach Lurup gerufen worden. Wie sich herausstellte, war im Rispenweg ein sogenannter Polenböller in einem Briefkasten gezündet worden.
Durch die Detonation hatte sich die Haustür verzogen und musste laut Polizeisprecher Ulf Wundrack aufgespreizt werden. Allein dieser Umstand habe dafür gesorgt, dass die Feuerwehr länger in Lurup im Einsatz war und das Feuer in der Polizeiwache zunächst von der Freiwilligen Feuerwehr Eimsbüttel übernommen wurde, hieß es. „Wir sehen keine Verbindung zwischen beiden Taten“, sagte Sprecher Wundrack.
Die Polizei-Gewerkschaften DPolG und GdP unterstrichen erneut ihre Forderung nach mehr Personal vor allem für die zivile Aufklärung. Gerade im Objektschutz stoße die Polizei an personelle Grenzen. „Das stemmen wir nicht aus eigenem Bestand“, sagte DPolG-Landeschef Joachim Lenders.