Die „Kanalisierung des Unmuts vermeintlich benachteiligter Schichten“ als eine Funktion des Internets sei wohl im vorliegenden Fall eine nur allzu treffende Beschreibung, konstatierte Amtsrichter Hans Weiß am Donnerstag. Zuvor hatte er einen massiv vorbestraften jungen Mann wegen Volksverhetzung zu sechs Monaten Haft verurteilt. Nach Überzeugung des Gerichts war er derjenige, der „Bimbos“ in einer Facebook-Gruppe den Tod wünschte.
Als Stefanie K. (29) im Oktober 2015 in einer Facebook-Gruppe ihren Aufruf zur Kleiderspende für Geflüchtete und Obdachlose startete, ahnte sie wohl nicht, wie viel Hass sie mit dem Appell auf sich zog. „Am Anfang war alles gut, dann wurden die Kommentare immer seltsamer. Viele waren negativ, mit orthographischen Schwächen“, sagte die junge Frau.
Darunter fiel auch ein Post, der sinngemäß lautete: Bimbos sollten verrecken oder sich verpissen, eine ganz einfache Sache, und Zecken gleich mitgehen. Stefanie K. erstattete online Anzeige bei der Polizei, reichte entsprechende Screenshots ein. Als mutmaßlichen Verfasser der rassistischen Hetze ermittelten die Behörden schließlich Benjamin S. (25).
„Mein Mandant wird sich nicht äußern“, sagte sein Anwalt Mario Thomas gleich zu Prozessbeginn, gab stattdessen jedoch eine Erklärung ab, wonach das Wort „Bimbos“ keine von individuellen Merkmalen gekennzeichnete Gruppe benenne. Daher sei der Tatbestand der Volksverhetzung nicht erfüllt.
Der Richter hielt ihm eine ausführliche Begriffsgeschichte von „Bimbo“ entgegen, der zufolge die Bezeichnung je nach Kontext ironisch, abwertend oder hasserfüllt konnotiert sein kann. Zudem verwies der Jurist auf einschlägige Gerichtsurteile, darunter eines des Bundesverfassungsgerichts, wonach das Rechtsgut der Meinungsfreiheit zurücktritt, wenn die Würde anderer Menschen angegriffen wird.
Kripo-Sachbearbeiter Thomas B. (50) vermochte sich gut an die hetzerischen Zeilen zu erinnern. Eine Abfrage beim Einwohnermeldeamt hatte ihn rasch auf die Spur des Angeklagten geführt. Auch dessen Freundin Nancy R. (25) soll in der fraglichen Facebook-Gruppe eifrig mitgemischt haben, gab sich als Zeugin jedoch einsilbig. „Ich weiß nicht mehr, was ich geschrieben habe.“
Nicht zuletzt die kurze Einlassung des Angeklagten, wonach er aus der virtuellen Gruppe herausflog, wurde für ihn zum Bumerang. „Denn damit haben Sie zugegeben, dass Sie in der Gruppe waren“, sagte der Richter. Er zeichnete ein trauriges Bild des gebürtigen Hallensers, der im Heim aufwuchs, die Schule ohne Abschluss verließ, nie den Anschluss an ein geregeltes Leben fand. Eine ganze Palette an Vorstrafen durchzieht seine Vita seit 2006, darunter wegen Diebstahl, Körperverletzung, Betrug und Sachbeschädigung. Einer Nachbarin, die sich über seine laute Musik beschwert hatte, soll er einst mit Hitlergruß und „Sieg Heil“ geantwortet haben. Derzeit sitzt er wegen anderer Delikte in der JVA Torgau.
Gleichwohl könne der schwierige Lebenslauf kein Freibrief sein. „Ich habe keinen vernünftigen Zweifel, dass die Kommentare von Ihnen stammen“, führte der Richter aus. „Sie haben die Schule nach der achten Klasse verlassen und so liest sich das auch, was Sie schreiben“, spielte er auf die heftigen Rechtschreibfehler im Text an. „Es geht knallhart um rassistische Äußerungen. Das ist nicht zu tolerieren.“
Mit der Verhängung von sechs Monaten Haft ohne Bewährung, die in die laufende Strafe mit einfließt, entsprach der Richter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert.
„Im Grundgesetz steht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Das sollten auch Sie künftig in Ihrem Leben berücksichtigen“, gab der Richter dem schmächtigen, jungen Mann auf seinen Rückweg ins Gefängnis mit.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.