Paukenschlag aus dem Innenministerium: Ressortchef Markus Ulbig (CDU) nimmt eine Vielzahl von Personalwechseln in der Polizeiführung vor. Unter anderem wird der Chef des Landeskriminalamtes, Jörg Michaelis, an die Spitze des Polizeiverwaltungsamtes versetzt, heißt es in Dresden.
Dresden. Markus Ulbig muss sich in diesen Tagen wie beim Halma vorkommen: Er springt und springt, doch kommt irgendwie nicht in der Ecke gegenüber an. Denn Sachsens CDU-Innenminister hat ein gewaltiges Problem: Die Polizeiführung soll zwar großflächig umgebaut werden – doch es mangelt an fähigen Leuten. In den vergangenen zehn Jahren wurde schlichtweg versäumt, geeigneten Nachwuchs in notwendiger Soll-Stärke an höhere Aufgaben heranzuführen. Das ist nicht in erster Linie Ulbigs Schuld, sondern geht auf die strikten Sparvorgaben aus der Staatskanzlei und dem Finanzministerium zurück, die mit entsprechenden Personalabbau und Schrumpfstrukturen einhergingen – doch der Innenminister muss diese Malaise nun ausbaden. Sprich, die Kurzsichtigkeit rächt sich.
Deshalb
ist Ulbig seit Wochen gezwungen, gleich mehrere Felder zu bespielen.
Eigentlich sollte schon nach der Pannenserie im Fall Al-Bakr
durchgegriffen werden – und sollten einige der Hauptdarsteller aus der
sächsischen Polizei an andere Stellen weggelobt werden. Allerdings kam
nicht nur die personelle Misere dazwischen, sondern auch eine überaus
unglückliche Entscheidung des Ministers: Er machte Volker Lange, einen
der für die Chemnitzer Al-Bakr-Pleite maßgeblich Verantwortlichen, zum
Kripochef in Dresden. Auch wenn diese Personalie schon vorab beschlossen
war, ging sie doch just an dem Dienstag nach der gescheiterten
Festnahme durchs Kabinett in Dresden, ohne dass die Notbremse gezogen
worden wäre. Die Diskussion darüber hallt bis heute nach.
Neuer Landespolizeipräsident gesucht
Bei den anstehenden Umbauten in der Polizeiführung will Ulbig nun alles richtig machen. Und es scheint, als sei er auf einem guten Weg. Tatsächlich sollen zum 1. Mai gleich eine Hand voll Personalien vollzogen werden, die aufhorchen lassen, aber auch die Probleme in den höchsten Etagen offenlegen. Das heißt insbesondere: Die Führung ist in die Jahre gekommen. Ein Zeichen dafür ist, dass sowohl Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz, der gerade 61 Jahre alt geworden ist, als auch dessen Chemnitzer Amtskollege Uwe Reißmann mindestens noch ein Jahr dranhängen (müssen). Die Verlängerungen sind vor kurzem durchgewunken worden, eine noch längere Dienstzeit gilt bei beiden als wahrscheinlich.
Auch Landespolizeipräsident Jürgen Georgie, der
nicht nur im Fall Al-Bakr keine gute Figur machte, bewegt sich an der
Altersgrenze. Doch für ihn ist kein adäquater Ersatz in Sicht, selbst
wenn manche aus dem zweiten Glied ihre Ambitionen anmelden. Deshalb wird
in der Staatsregierung seit Längerem mit dem Gedanken gespielt, wieder
auf eine Lösung von außerhalb zurückzugreifen. Das gab es vor nicht
allzu langer Zeit schon einmal: Mit Rainer Kann war ein Niedersachse
zwischen 2012 – nach Bernd Merbitz – und 2014 in Sachsen
Landespolizeipräsident. Wie schwierig die Suche nach einem
Georgie-Nachfolger ist, der offensichtlich nur noch auf Abruf agieren
darf, zeigt eine weitere Tatsache: In die Personalauswahl hat sich auch
Staatskanzleichef Fritz Jaeckel (CDU) eingeschaltet, also die rechte
Hand von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU).
Leipziger Kripochef übernimmt LKA
Inzwischen sind zumindest einige Personalien klar beziehungsweise zeichnen sich ab. Die zweifellos beeindruckendste Entscheidung von Ulbig betrifft das Landeskriminalamt (LKA): Dessen aktueller Chef Jörg Michaelis soll an die Spitze des Polizeiverwaltungsamtes wechseln, wo er bereits von 2005 bis 2009 angesiedelt war – und mit Patrick Kleine der amtierende Leipziger Kripochef das LKA in Dresden übernehmen. Der Innenminister hatte für den Posten eigentlich Bernd Merbitz vorgesehen, der neben seinem Job als Leipziger Polizeipräsident auch das Operative Abwehrzentrum (OAZ) der sächsischen Polizei leitet und gerade dabei ist, das Polizeiliche Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum (PTAZ) im Freistaat aufzubauen.
Da das OAZ mit dem PTAZ im Laufe des Jahres zum Landeskriminalamt wechseln soll, lag die Merbitz-Verpflichtung auf der Hand, zumal auch innerhalb des Ministeriums kein Zweifel bestand, dass der Leipziger dem LKA wieder die notwendige Führungsstärke geben könnte. Doch Ulbig holte sich vor einigen Tagen eine Abfuhr: Der ausgewiesene Fachmann will in Leipzig bleiben, Merbitz sieht sich in der sächsischen Kriminalitätshochburg dringender gebraucht und hier neben seinem Arbeits- auch den familiären Lebensmittelpunkt. Der Leipziger Polizeipräsident will aber seinen besten Mann in die Landeshauptstadt schicken: Eben jenen Patrick Kleine, der unter Merbitz das Handwerk verfeinert hat, und als einer der wenigen Jüngeren in der Polizeiführung gilt, dem höhere Ränge zugetraut werden.
Umsetzungen in Polizeidirektionen
Daneben greift Ulbig bei weiteren Stellenbesetzungen notgedrungen auf bewährtes Personal zurück. Die nach dem Renteneintritt von Dieter Hanitsch seit Wochen vakante Position des im Innenministerium angesiedelten Polizeiinspekteurs soll Reiner Seidlitz übernehmen, der erst vor einem Jahr an die Spitze der Polizeidirektion Zwickau gewechselt war. Dessen Posten übernimmt wiederum Conny Stiehl, bislang Chef der PD Görlitz. Diese frei werdende Stelle besetzt demnächst Torsten Schultze, ehemals Stellvertreter von Merbitz in Leipzig und aktuell Leiter des Polizeiverwaltungsamtes, der ebenfalls als beschlagener Junger gilt.
Offen ist noch, ob und wann im
Innenministerium neben Michael Wilhelm ein zweiter Staatssekretär
eingeführt wird. Der Vorschlag hat zumindest einigen Charme, da sich
Wilhelm auf das Bau-Ressort, das ebenfalls im Innenministerium
angesiedelt ist, festlegen könnte. Ulbig, dem diese Idee durchaus
zusagen soll, könnte mit Hilfe eines zweiten Staatssekretärs – wie ihn
beispielsweise auch Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident
Martin Dulig (SPD) an seiner Seite hat – im Bereich des Inneren
entlastet werden. Immerhin gab es diese Variante bereits viele Jahre. So
war es unter Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) nicht nur in den
1990er-Jahren gute Sitte, das Problemressort mit zwei Amtschefs zu
versehen. Selbst unter Thomas de Maizière (CDU) war es in dessen Zeit
als Innenminister in Sachsen nicht anders. Erst 2005, mit Antritt von
De-Maizière-Nachfolger Albrecht Buttolo (CDU), wurde der zweite
Spitzenposten gestrichen. Doch auch hier würde sich heute die Frage
stellen: Wo lässt sich geeignetes Personal finden?
Von Andreas Debski