Überwachungslabor Berlin-Südkreuz: Tracking und Gesichtserkennung geplant

Videoüberwachung
Erstveröffentlicht: 
23.04.2017

Bundespolizei, BKA und Deutsche Bahn erproben am Bahnhof Berlin-Südkreuz die „intelligente Videoüberwachung“. Eine Software soll Gesichter erkennen und Personen über mehrere Kameras hinweg nachverfolgen. Beide Behörden forschen an weiteren Methoden zur Gesichtserkennung.

 

Bei der geplanten Erprobung einer „intelligenten Videoanalyse“ am Fernbahnhof Südkreuz in Berlin will das Bundesinnenministerium unter anderem eine Software zur Nachverfolgung von Personen einsetzen. Dies schreibt der Parlamentarische Staatssekretär Ole Schröder auf eine entsprechende Nachfrage. Einzelne Personen können dabei auf dem Monitor markiert werden. Mithilfe dieser „automatisierten Markierung“ kann ihr Weg auch über mehrere Kameras hinweg nachvollzogen werden. Das Verfahren funktioniert in Echtzeit, aber auch für die Suche in Videoarchiven.

 

Laut der Berliner Zeitung Morgenpost sollen die Tests noch in diesem Jahr beginnen. Zunächst wird die erforderliche Technik ausgeschrieben. Die Durchführung übernehmen die Deutsche Bahn und die Bundespolizei. Auch das Bundeskriminalamt (BKA) ist beteiligt.

 

Rechtslage ist unklar

 

Dem Bundesinnenministerium zufolge soll am Berliner Bahnhof Südkreuz auch die Behandlung eines „potentiell interventionsbedürftigen Verhaltens“ automatisiert werden. Erprobt werden zuerst Situationen mit dem Vorfall „liegende Person“. Der Morgenpost zufolge sollte am Bahnhof Südkreuz auch versucht werden, Graffiti-Sprüher mithilfe der Software zu erkennen. In dem Schreiben des Staatssekretärs heißt es jedoch, eine Erkennung von Bewegungsmustern sei nicht geplant. Die Zeitung hatte auch berichtet, dass nicht beaufsichtigte Gepäckstücke erkannt würden.

 

Die Videoüberwachung der Bundespolizei ist im §27 des Bundespolizeigesetzes geregelt. Ein Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste im Bundestag meldet aber Zweifel an, ob der Paragraf auch für die „intelligente Videoanalyse“ herangezogen werden kann. Ursprünglich bezeichnete er die Möglichkeit, Kameras aus der Ferne zu drehen und zu schwenken oder auf einzelne Personen zu fokussieren.

 

Schließlich werden am Südkreuz auch Verfahren zur „biometrischen Gesichtserkennung in Live-Videoströmen von Überwachungskameras“ erprobt. Hierzu will die Bundespolizei eine Datenbank mit Gesichtsbildern „freiwilliger Probanden“ einrichten. Mit welchen polizeilichen Datenbanken der spätere Wirkbetrieb erfolgen soll, ist noch unklar.

 

Kritik an dem Verfahren kommt unter anderem von der Berliner Datenschutzbeauftragten Maja Smoltczyk. Sie sieht durch den Einsatz von Videokameras mit Gesichtserkennung die Freiheit, sich in der Öffentlichkeit anonym zu bewegen, in Gefahr.

 

Biometrische Gesichtserkennung auch mobil

 

Ein ähnliches Forschungsprojekt betreibt die Bundesbereitschaftspolizei mit der Deutschen Bahn zum „zielgerichteten Auffinden gewaltbereiter Personen“. Mithilfe von Handkameras und fest installierten Übersichtskameras sollen Bilder von potentiellen StraftäterInnen erstellt und gesichert werden. Das Kommunikations- und Sensorsystem wird zuerst für das Szenario „Anreise von Fußballfans“ entwickelt. Später soll das System auch auf andere Großveranstaltungen übertragbar sein.

 

Laut dem Bundesinnenministerium beginnt auch das BKA in diesen Tagen mit einem eigenen Probelauf zur Gesichtserkennung. Zum Einsatz kommt eine Software der Firma Cognitech aus Dresden, die unter dem Namen „Examiner“ auch auf mobilen Android-Geräten installiert werden kann. PolizistInnen können auf diese Weise eine Person bei einer Kontrolle scannen und mit der beim BKA zentral geführten INPOL-Datei abgleichen.

 

Ein weiteres BKA.Projekt begann im Sommer letzten Jahres und soll Bild- und Videomassendaten, wie sie nach der Silvesternacht in Köln anfielen, teilautomatisiert analysieren.

 

Projekte der Firma L-1 Identity Solutions

 

Die Nachverfolgung „auffällig erscheinender Personen“ hatte das Bundesinnenministerium vor einigen Jahren bereits im Projekt „APFeL“ beforscht und getestet. Das Projekt stand unter der Leitung der Firma L-1 Identity Solutions aus Bochum, beteiligt waren die Flughäfen Hannover-Langenhagen und Erfurt.

 

Erst im Dezember wurde L-1 Identity Solutions mit einem neuen Projekt beauftragt. Unter dem Abkürzung „FLORIDA“ führt der Überwachungsspezialist ein deutsch-österreichisches Kooperationsprojekt an, das ein System zur Suche von Bild- und Audiodateien entwickeln soll. Assoziierte Partner aufseiten der Polizei sind wieder das BKA und die Bundespolizei, außerdem die Polizeidirektionen Baden-Württemberg und Karlsruhe sowie das Landeskriminalamt Baden-Württemberg. Die Beteiligten wollen prüfen, inwiefern bereits existierende Verfahren zur Videoanalyse eingesetzt werden können. Für die Objektverfolgung sollen neue Algorithmen entwickelt werden.

 

In FLORIDA werden große Datenmengen aus verschiedenen Quellen automatisiert verarbeitet, darunter neben der Videoüberwachung im öffentlichen Raum auch Uploads von ZeugInnen oder im Internet gefundenes Material. Zur Verbesserung der Rechenleistung könnten hierzu Cloud-basierte „Rechenknoten“ genutzt werden. Über eine Schnittstelle werden die gefundenen Video- und Audiodateien in die Fallbearbeitungssysteme der Kriminalämter eingepflegt.