Bericht zu den Aktivitäten am Tag der politischen Gefangenen 2017 in Stuttgart

Tag der politischen Gefangenen 2017 in Stuttgart 1

Anlässlich des 18. März, dem Tag der politischen Gefangenen, versammelten sich über 40 AktivistInnen vor der JVA Stuttgart Stammheim, um Solidarität mit den politischen Gefangenen praktisch werden zu lassen.

Aktuell sind in Stammheim Ali Özel und Muhlis Kaya weggesperrt. Ali Özel wurde wegen der angeblichen Mitgliedschaft in der PKK vor dem OLG Stuttgart mit Hilfe des §129b zu einer Haftstrafe von 3 ½ Jahren verurteilt. Muhlis Kaya wurde mit dem selben Vorwurf im Februar 2016 verhaftet und steht aktuell vor dem Oberlandesgericht Stuttgart.

 

Bei der Kundgebung gab es Redebeiträge von ATIK, des Arbeitskreis Solidarität, der Gefangenen-Gewerkschaft, der Initiative Kurdistan Solidarität und der Roten Hilfe. Dazu wurde ein Grußwort des Langzeitgefangenen Thomas Meyer-Falk verlesen.

Die Gefangenen beteiligten sich mit Parolen und Rufen an der Kundgebung.

 

Zum Abschluss der Kundgebung wurden rote Luftballons mit dem diesjährigen Aufruf zum Tag der politischen Gefangenen als Zeichen der Solidarität in die Luft steigen gelassen.

Abschließend gab es eine unangemeldete Demonstration zur Rückseite des Knastes. Dort wurden die Gefangenen lautstark mit Parolen und Rufen gegrüßt.

 

Auch wenn uns Mauern voneinander trennen, so finden wir Wege unsere Solidarität zu bekunden und den Gefangenen zu zeigen, dass sie weder alleine, noch vergessen sind.


Die Gefangenen sind unsere Würde.
Hoch die Internationale Solidarität!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!


Der Abend endete mit einem Hip Hop-Konzert gegen Repression im Stadtteilzentrum Gasparitsch, bei dem für die Gefangenen eine Solidaritätsaktion stattfand.


Solidarität aufbauen! Kapitalismus zerschlagen! – Flyer zum 18. März >>

 

Arbeitskreis Solidarität
Für den Aufbau der Roten Hilfe International!
www.aksolidaritaet.bplaced.net

 

 


Termine


Dienstag, 25. April, 9:30 Uhr: Beobachtung des §129b Prozess gegen Muhlis Kaya
vor dem OLG Stuttgart, Olgastraße 2, 70182 Stuttgart


Geschichte des 18. März

 

Der 18. März ist der Jahrestag der Pariser Kommune, der erste proletarische Versuch einer sozialistischen Umwälzung. Die Pariser Kommune wurde während des Deutsch-Französischen Krieges (1870-1871) spontan gebildet, vertrieb die konservative Zentralregierung aus der Hauptstadt Frankreichs und errichtete mit rätedemokratischen und sozialistischem Vorbild einen „Stadtrat“.

 

Fortan – für 72 Tage – regierte die Pariser Kommune bis zum 28. Mai 1871, als die Regierungstruppen die Macht über Paris wieder übernahmen. Die Reaktion übte nach ihrem Sieg an den KommunardInnen blutige Rache. Mehr als 20.000 Männer und Frauen wurden getötet und mehr als 40.000 zu meist lebenslangen Haftstrafen verurteilt.

 

So wurde der 18. März von der Internationalen Roten Hilfe 1923 zum Tag der politischen Gefangenen ausgerufen, als Erinnerung an die Kommune, als Geschichte des Aufbruchs, aber auch als Erinnerung an die Repression. Mit diesem Datum wurde auch der Zusammenhang zwischen Revolution und Konterrevolution, also dem Kampf gegen die bestehenden Verhältnisse und der daraus folgenden Repression deutlich gemacht.


Im Faschismus wurde der 18. März verboten und konnte auch auf Grund der Repression nicht mehr begangen werden. Nach dem Faschismus wurde der 18. März erst wieder 1996, auf Initiative von Libertad, zum Aktionstag für die Freiheit der politischen Gefangenen begangen. Seither wird dieser Tag jedes Jahr mit Veranstaltungen, Demos oder anderen Aktivitäten begangen.

 

In Stuttgart wird seit einigen Jahren am 18. März vor den Knast in Stammheim gegangen, um den Gefangenen deutlich zu machen, dass wir sie nicht vergessen haben und dass sie weiterhin Teil der Kämpfe sind.


Rede des Arbeitskreis Solidarität zum 18. März

 

Liebe Freundinnen und Freunde,
Liebe Gefangene,

 

Wir sind heute anlässlich des Tags der politischen Gefangenen hier vor den Toren des Knastes in Stammheim, um unsere Solidarität mit Gefangenen praktisch werden zu lassen.


Der 18. März erinnert an den Beginn und die blutige Niederschlagung der Pariser Kommune 1871, an den ersten proletarischen Versuch einer sozialistischen Umwälzung. Der Tag erinnert damit an den Zusammenhang zwischen dem revolutionären Aufbruch / Kampf auf der einen und der Repression auf der anderen Seite.

 

Und auch heute gilt weiterhin: Repression ist ein Ausdruck der sozialen und politischen Verhältnisse und steht in Verbindung mit den Kämpfen für eine befreite Gesellschaft. So sind nicht nur diejenigen mit Repression konfrontiert, die wie die Pariser Kommunarden die Waffe in die Hand nehmen, sondern jede und jeder, der/die sich gegen die herrschende Ordnung auflehnt, organisiert und gegen diese effektiv Widerstand leistet.

 

Dabei kennt Repression viele verschiedene Ausdrucksformen: Sei es durch die Kriminalisierung von Protesten bei Straßendelikten in Form von Strafbefehlen, Geldbußen bis hin zu Haftstrafen, oder eben auch in der Form von Organisationsdelikten, bei denen es nicht um eine bestimmte Tat geht, sondern um die Zugehörigkeit in einer als „kriminell“ oder „terroristisch“ eingestuften Organisation.

 

Die Repression zielt dabei darauf ab Kämpfe zu unterdrücken und letztlich zu zerschlagen, um die herrschende Ordnung mit aller Gewalt aufrechtzuerhalten und die entstehenden Klassenkämpfe zu verhindern – einerseits akut, andererseits präventiv, um die ideologische Vorherrschaft über die Geschichte zu gewinnen, aber auch durch Einschüchterung und Abschreckung.

 

D.h. dass Repression uns alle was angeht: Wenn der Kampf um Befreiung, der Kampf für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung angegriffen wird, dann werden wir alle angegriffen – auch wenn es nur einzelne trifft.

Daher gilt es den 18. März, sowie jeden anderen Tag weiterhin als Anlass zu nehmen Repression und mit ihr deren Hintergründe zu thematisieren. Denn Anlässe haben wir genug: Gerade jetzt werden beispielsweise massenweise Vorladungen verschickt wegen der Proteste am 30.04.2016 gegen den AfD Bundesparteitag in Stuttgart.


Auch haben wir mit dem OLG Stuttgart einen Vorreiter im sogenannten „Kampf gegen den Terror“. Hier hat nicht nur der erste Prozess mit Hilfe des §129b gegen eine linke Organisation stattgefunden, sondern seitdem finden regelmäßig Prozesse v.a. gegen türkische und kurdische Linke statt.

 

Dabei wird mit der Brandmarkung als Terrorist, mit der Diffamierung von politischen AktivistInnen als Gefahr für die Gesellschaft die Realität von den Füßen auf den Kopf gestellt: Diejenigen, die für eine klassenlose Gesellschaft kämpfen und zielgerichtet und bewusst sich gegen die herrschenden Verhältnisse richten, werden als angebliche Gefahr für die Bevölkerung stilisiert, während diejenigen, die tatsächlich die Menschen durch Bomben, Verhaftungen, Hunger und der alltäglichen Ausbeutung terrorisieren, als Menschenrechtler und Friedensbringer gefeiert werden.

 

Umso notwendiger ist es Tag für Tag dieser Repression unsere Solidarität entgegenzusetzen. Denn wenn Repression in der kapitalistischen Logik auf Widerstand folgt, so muss in einer revolutionären Logik Solidarität auf Repression folgen.


Und während die Herrschenden sich in der Verfolgung von politischen AktivistInnen ziemlich einig sind, so muss es für uns darum gehen in der Frage der Solidarität ideologische und politische Unterschiede zu überwinden, um den Angriffen unsere geschlossene Solidarität entgegenstellen zu können und gemeinsam den Kampf für eine befreite Gesellschaft weiterzuentwickeln.

 

In diesem Sinne grüßen wir euch, liebe Gefangenen, mit unserer geballten Faust und schicken unsere herzlichsten solidarischen Grüße über die Mauern.

 

Freiheit für alle politischen Gefangenen!