Prozess in Gießen Geldstrafe für Rechtsrock-Händler

Erstveröffentlicht: 
08.03.2017

Das Gießener Amtsgericht verurteilt einen Neonazi und Burschenschafter zu einer Geldstrafe. Er hat rechtsextreme Hassmusik der übelsten Sorte verkauft.

 

Die Prozessbeteiligten bemühten sich um leere Mienen. Verhärtet die Gesichter von Richterin und Staatsanwältin, und selbst der Angeklagte verkniff sich das Mitwippen. Oder das Schütteln seines langen Haupthaars. Oder was man halt so macht, wenn die Lieblingsmusik gespielt wird. Lied um Lied ertönte in Saal 200 des Gießener Amtsgerichts, womit Michael Jan R. jahrelang Handel getrieben hat: National Socialist Black Metal (NSBM), rechtsextreme Hassmusik der übelsten Sorte.

 

Vier Verhandlungstage dauerte der Prozess mit der quälenden akustischen Beweisaufnahme. Am Dienstag nun erging das Urteil: Eine Geldstrafe von 4800 Euro (160 Tagessätze à 30 Euro) soll der ehemalige Betreiber des Online-Versands und Plattenlabels „Supremacy through Intolerance“ (Überlegenheit durch Intoleranz) zahlen.

 

Aggressive Gitarrensounds, hämmerndes Schlagzeug und darüber eine Stimme, die eher schreit und brüllt als singt oder spricht: Wer zum ersten Mal hörte, was da im Gerichtssaal aus den Boxen dröhnte, verstand von den Texten zumeist kaum mehr als Wortfetzen. Ein hasserfüllt herausgeschleudertes „Juda“, ein „Sieg Heil“. Aber manchmal stachen auch ganze Sätze hervor, triefend vor Antisemitismus, Rassismus und NS-Verherrlichung. Oder eine Hitler-Rede im Originalton.

 

Die Anklage hatte dem mittlerweile in Mannheim lebenden Angeklagten 18 Fälle der Volksverhetzung und, weil die Cover und Booklets der von ihm verkauften Tonträger reich mit Hakenkreuzen oder SS-Runen garniert waren, des Verwendens verbotener NS-Symbole vorgeworfen. Verurteilt wurde der 33-Jährige jedoch nur wegen zwölf Taten. Ansonsten wurde er freigesprochen.

 

Da die NSBM-Bands, die Namen wie Aryan Blood („Arisches Blut“) oder Holocaust Storm tragen, nicht allen ihrer CDs und Kassetten ein Heftchen mit den Hasstexten mitgegeben haben, befand das Gericht: Was sich weder verstehen noch nachlesen lässt, ist auch nicht strafbar. Und dass sich die Texte im Internet finden, reiche nicht aus. Mit dem Urteil blieb das Gericht zwischen den Forderungen der Staatsanwältin (200 Tagessätze) und des Verteidigers (90 Tagessätze).

 

Wenn das Urteil rechtskräftig wird, würde Michael Jan R. zwar als vorbestraft gelten. Dennoch käme der studierte Archäologe glimpflich davon: Seit 2008 hatte er seinen Versandhandel betrieben, zunächst in Kassel, wo er sich der von Rechtsextremen stark frequentierten Burschenschaft Germania anschloss, später in Gießen. Erst nach einer Razzia 2013 will er das Geschäft, das ihm damals nach eigenen Angaben den Lebensunterhalt sicherte, aufgegeben haben. Zur Rechenschaft gezogen wurde er nur für einen Ausschnitt seines jahrelangen braunen Treibens.