Bolsterlang: Schwere Vorwürfe gegen Gemeinderat

Erstveröffentlicht: 
13.03.2017

Teile des Gemeinderats in Bolsterlang einschließlich der Bürgermeisterin sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, der Reichsbürgerbewegung nahe zu stehen. Die Dorfgemeinschaft rebelliert und will „die einfach nicht mehr anerkennen, die dieses Gedankengut verbreiten“.

 

„Ich habe jetzt ein Jahr lang gewartet“, empört sich eine Bolsterlanger Bürgerin auf einer Kundgebung am 2. März 2017, „dass die Gemeinderäte, die nicht in diesem Mob dazugehören, dass die auf die Straße gehen und eine Bürgerversammlung halten und sagen: Freunde bei uns im Dorf passiert was ganz schreckliches, es ist eine Schande fürs Allgäu und ein Schaden für Bolsterlang.“ Die Kundgebung im Landkreis Oberallgäu vor der Sitzung des Bolsterlanger Gemeinderates ist möglicherweise die erste Demonstration gegen Reichsbürger.

 

Die rund 70 Versammlungsteilnehmer sind aufgebracht, weil ein Teil des Gemeinderates – einschließlich der Bürgermeisterin – sogenannte Gelbe Scheine beantragt hatte, die zum Nachweis der Staatsangehörigkeit dienen aber praktisch kaum Anwendung finden. Bei Reichsbürgern allerdings sind die Staatsangehörigkeitsnachweise beliebt, sie gelten bei Sicherheitsbehörden als Hinweis auf das Vorliegen einer entsprechenden Ideologie.

 

Im März 2016 fand in Bolsterlang – ausgerechnet in dem Saal in dem auch der Gemeinderat tagt – ein Tagesseminar eines Reichsbürgers aus Baden-Würtemmberg statt. Nach Informationen der Allgäuer Zeitung handelt es sich bei dem Referenten um Markus Hailer. Auf seiner Homepage bezeichnet er sich als „freier beseelter Mensch aus Fleisch und Blut, selbst denkend und verwaltend und nicht verschollen“.

 

Die Bürgermeisterin Monika Zeller besuchte die Veranstaltung. Gegenüber der Allgäuer Zeitung distanzierte sie sich inzwischen „ganz extrem von Reichsbürgern“. Sie „lehne die Bundesrepublik natürlich nicht ab. Ich habe einen Eid geschworen.“ Den Antrag habe sie aus „Neugier und Interesse“ gestellt. „Ich wollte sehen“, sagt die 56-jährige, „wie der Schein aussieht und was da drauf steht.“ Dem Bayerischen Rundfunk sagte Zeller, sie habe den Schein bereits mehrere Wochen vor dem Besuch des Reichsbürger-Seminars beantragt. Man sei davon ausgegangen, es gehe um das Thema Regionalwährung. Die Vorwürfe gegen sie bezeichnete sie als Teil einer „üblen Hetzjagd“.

 

Weil bis heute nicht einmal bekannt ist, wer für die Veranstaltung Anfang 2016 verantwortlich war, beschäftigt sich jetzt Florian Ritter, Sprecher der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag für die Bekämpfung des Rechtsextremismus, mit dem Fall. Ritter fordert von der Staatsregierung Aufklärung über Reichsbürger-Umtriebe in Bolsterlang. „Ich will vor allem von der Staatsregierung wissen, wer neben dem Referenten möglicherweise noch in die Organisation des Tagesseminars eingebunden war und warum Warnungen nicht nachgegangen wurde“, begründet Ritter den Schritt, das Thema mit einer Anfrage in den Landtag einzubringen.

 

Ritter geht es auch um Prävention. „Um zu wissen, wo sonst im Freistaat noch Handlungsbedarf besteht, soll uns die Staatsregierung aufschlüsseln, wo es weitere Schwerpunkte von Anträgen für den rechtlich fast komplett irrelevant gewordenen ‚Gelben Schein‘ in Bayern gab“, fordert der Abgeordnete. Nicht nur die Gemeinderatsmitglieder in Bolsterlang beantragten den Gelben Schein. Für das Jahr der Veranstaltung meldet das Landratsamt Oberallgäu und die Stadt Kempten über 120 solcher Anträge im letzten und in diesem Jahr bereits über 20. Florian Ritter wirft der Staatsregierung vor, die Reichsbürgerbewegung zu unterschätzen.

 

Die Bürger Bolsterlangs tun das offenbar nicht. Wenn jemand „das deutsche Reich ausrufen will“, sagte eine Rednerin auf der Demonstration, „dann müssen wir uns dagegen wehren“. Notfalls wolle man jede Woche vor der Ratssitzung protestieren: „Wir haben schon Forderungen, aber wir geben ihnen heute die Chance, sich zu outen, dass wir die einfach nicht mehr anerkennen, die dieses Gedankengut verbreiten“. Auf einem Schild heißt es: „Wir fordern Intelligenz im Rathaus“.