Kämpfen statt feiern

Erstveröffentlicht: 
07.03.2017

Louise Ninive erklärt, warum Feminismus nicht nur am Frauentag wichtig ist

 

Am 11. März organisiert das Bündnis Feministischer Kampftag eine Demonstration unter dem Namen »No Rollback! Hollaback! Fight Back! Feministische Kämpfe in die Offensive«. Pressesprecherin Louise Ninive erklärt die Ziele des Bündnisses und die Notwendigkeit feministischer Kämpfe.

 

kreuzer: Am 8. März ist der Internationale Frauentag. Ihr ruft für den 11. März zum Feministischen Kampftag auf. Warum der Kampfbegriff?


Louise Ninive: Der achte März, also der Weltfrauentag, darf nicht als eine Art Feier des Bestehenden gesehen werden. Er ist ein Kampf-, kein Feiertag, weil sexistische Herrschaftsverhältnisse noch vorherrschen. Auch wenn vermeintlich über Sexismus diskutiert wird, bleiben Patriarchat und der Sexismus unserer gesamten Gesellschaft davon unberührt. Tatsächlich ist eher ein Rück- als ein Fortschritt zu beobachten: Mit dem Erstarken der AfD und deren Rollenbildern, mit einem Donald Trump als amerikanischem Präsidenten, Gesetzesänderungen in Russland, die häusliche Gewalt bagatellisieren, dürfte eines deutlich werden: Die Selbstbestimmung der Frau, das Recht über ihren Körper und die Unterstützung der Betroffenen von (sexualisierter) Gewalt sind noch immer zu erkämpfen. Genau deswegen gehen wir auf die Straße, und deswegen wollen wir, dass der Tag als der Kampftag verstanden wird, der er ist.

 

kreuzer: Wie lässt sich der Demonstrationstitel »No Rollback! Hollaback! Fight Back!« verstehen?


Ninive: No Rollback – das ist die Antwort auf den sexistischen Rollback, den Rückschritt, in der Bundesrepublik – aber auch international. Es ist die Antwort darauf, dass reaktionäre Politiker und Politikerinnen die Frau in ihre vermeintlich angestammte Mutterrolle zurückdrängen wollen. Es ist auch eine Antwort darauf, dass viele Errungenschaften, für welche Frauen lange gekämpft haben, wegbrechen. Mit dem Wort Hollaback ist die Reaktion auf Belästigungen auf der Straße gemeint. Wenn man im Internet nach dem Hashtag #ihollaback sucht, findet man eine Kampagne, die Frauen ermächtigen soll, sich ihren Platz an öffentlichen Plätzen, in der Öffentlichkeit überhaupt, zu nehmen. Das Fight Back ist eine Zuspitzung der beiden vorangegangenen Aussagen: Wir werden den Rückschritt nicht hinnehmen, wir werden Mackern, die uns auf der Straße hinterher pfeifen oder hinterher rufen, den Raum nehmen.

 

kreuzer: Welchen Feminismusbegriff legt ihr zugrunde?


Ninive: Ich kann dazu keine Bündnisposition formulieren, da es ein breites Spektrum von Sportvereinen, linksradikalen Gruppen, Hochschulgruppen, Frauengruppen, Jugendgruppen und mehr ist. Einen Konsens gibt es aber zum Beispiel darüber, dass es um einen antirassistischen Feminismus geht, der sich nicht von Debatten wie die um die Kölner Silvesternacht vereinnahmen lässt.

 

kreuzer: Ihr schreibt, ein Grund für das feministische Bündnis sei der antifeministische Rechtsruck in der Gesellschaft. Wie äußert sich dieser in Deutschland?


Ninive: Man muss sich nur mal das Wahlprogramm der AfD anschauen. Da gibt es zum Beispiel die Forderung, die Familienpolitik wieder mehr an klassischen Familien mit Vater, Mutter und Kindern auszurichten. Zudem sind im letzten Jahr noch mal 500 Demonstranten mehr gegen Abtreibung bei den »Märschen für das Leben« auf die Straße gegangen. Es ist aber nicht nur ein Problem des Rechtsrucks oder eine neue gesellschaftliche Bewegung. Aussagen wie die, dass die Familie aus Vater, Mutter und Kind wieder Keimzelle der Gesellschaft sein sollte, könnten genauso gut von der CDU kommen. Auf der anderen Seite gibt es auch außerhalb von Deutschland antifeministische Bewegungen und man muss wahrscheinlich befürchten, dass es sich in Deutschland ähnlich entwickeln wird. Alte Kämpfe wie zum Beispiel der um Abtreibungsgesetze werden immer wieder neu aufgewärmt, das konnte man in Polen sehen und das sieht man in den USA und eben auch wieder vor der eigenen Haustür.

 

kreuzer: Welche antifeministischen Bewegungen gibt es da speziell in Leipzig?


Ninive: Zum Beispiel Pick-Up Artists. Das sind im Prinzip, positiv ausgedrückt, Coaches, die Männern beibringen wollen, wie sie auf Frauen zugehen können. Diese folgen aber sehr kruden Ideologien und stützen sich auf pseudobiologistische Argumente, wie zum Beispiel, dass die Frau erobert werden wolle, weil das Teil ihrer evolutionsbedingten Identität sei. Da geht es ganz viel um Manipulation und Verunsicherung, vor allem von jungen Frauen. Oder den Juraprofessor Thomas Rauscher, der sich häufig rassistisch und sexistisch äußert und zum Beispiel immer vom »feministischen Egoismus« spricht – aber dennoch nach wie vor die Professur für Familienrecht innehat. Ansonsten ist es aber vor allem ein Alltagssexismus, der zwar schon im Lokalen stattfinden, aber nicht Leipzig-spezifisch ist, wie zum Beispiel Übergriffe in Clubs, Lohnungleichheit, die Abwälzung der alltäglichen Fürsorgearbeit auf Frauen etc.

 

kreuzer: Die Demonstrationen gibt es schon lange, aber zu diesem Jahr hat sich das Bündnis neu formiert. Warum habt ihr euch für eine Namensänderung von Frauen-Kampftag zu Feministischer Kampftag entschieden? Gibt es inhaltliche Neuerungen?


Ninive: Die Intention hat sich nicht verändert. Es geht darum, dass man nicht einfach nur jährlich eine Kampagne haben will und die anderen 364 Tage im Jahr nichts macht. Wir sind verschiedene Gruppen, die in Leipzig politisch aktiv sind und wollen so auch einen Wissensaustausch schaffen, zum Beispiel durch gemeinsame Vorträge, Filmveranstaltungen und Diskussionen. Den Namen Feministischer Kampftag haben wir gewählt, weil es um mehr geht als um Kämpfe von biologischen Frauen. Es geht auch um sexuelle Identität, sexuelle Ausrichtung, das heißt auch um die Kämpfe trans- oder intersexueller Menschen, sowie die Kämpfe bi- oder homosexueller Menschen. Auch das sind feministische Kämpfe.

 

kreuzer: Wie soll so eine permanente Arbeit aussehen? Was sind eure Ziele und Pläne?


Ninive: Bisher haben wir eine Veranstaltungsreihe gemacht, bei der verschiedene Filme gezeigt wurden. Außerdem gab es Vorträge, zum Beispiel zum Thema Vergewaltigungskultur. Bald wird es noch einen zum Thema Rassismus und Sexismus geben. Wir haben noch ein paar Referentinnen im Hinterkopf, die wir gerne einladen wollen und so vielleicht einmal im Monat eine Veranstaltung machen. Es soll eine Regelmäßigkeit über verschiedene Themen geben. Zudem überlegen wir, einen Verteiler einzurichten, um über Veranstaltungen und Themen zu informieren.

 

kreuzer: Und was erwartet uns dann am 11. März?


Ninive: Hoffentlich eine große, bunte Demo. Wichtig ist uns auch, dass in den vorderen Reihen vor allem FLTI-Menschen mitlaufen. Auf der Route werden wir verschiedene Stationen anlaufen, zu denen wir was erzählen wollen. Wir würden uns auch wünschen, dass nach der Demo alle noch ein bisschen zusammenblieben, ins Gespräch kämen, vielleicht bei Musik. Mal sehen, wie das Wetter da mitspielt …

 

Infos zur Demonstration:
11. März 2017, 13 Uhr, Clara-Zetkin-Denkmal im Johannapark
http://fktle.blogsport.eu/

 

INTERVIEW: SARAH ULRICH