[L] Wie Vereine mit rechtsradikalen Spielern umgehen

Erstveröffentlicht: 
13.03.2017

Am 11. Januar 2016 zogen mehr als 200 Rechtsradikale und Hooligans randalierend durch den Leipziger Stadtteil Connewitz. Sie warfen Schaufensterscheiben ein, attackierten Kneipen und Cafés. Gut ein Jahr später tauchte im Netz eine geleakte Liste auf - wahrscheinlich aus Polizeiakten, veröffentlicht von Antifa-Aktivisten. Darin: Namen, Fotos und weitere persönliche Details der Tatverdächtigen. Oft tauchen auch Sportvereine auf. Wie gehen die damit um?

 

Von Lydia Jakobi, MDR AKTUELL

 

Das Vereinshaus des SG Rotation Leipzig ist wieder komplett geweißt. Bis vor drei Wochen prangte an der Fassade noch ein Graffiti: "Ihr habt einen Nazi-Hooligan im Verein!" Der Vorsitzende Stephan Schmidt war aufgebracht: "Wir als Verein haben mit den Vorfällen in Connewitz rein gar nichts zu tun und werden als Unbeteiligte von den Absendern abgestraft. Das finde ich verächtlich." Dabei hätten Vorstand und Trainer gleich das Gespräch gesucht, als sie den Namen ihres Spielers in der Liste der mutmaßlichen Randalierer entdeckten.

SG Rotation Leipzig: Es gilt die Unschuldsvermutung

Eigentlich sei er ein netter, junger Mann, der Arbeiten auf dem Vereinsgelände oft mit angepackt habe, erzählt Schmidt. Die Reaktion des Spielers auf den Vorwurf: "Er machte mir einen sehr betroffenen Eindruck. Ob er das heute noch mal machen würde, weiß ich nicht. Aber wir versuchen, auf ihn einzuwirken: Such dir einen anderen Umkreis, halt dich von den Jungs fern, geh vernünftig deinen Weg."

Stephan Schmidt steht mehr als 400 Vereinsmitgliedern aus über 15 Nationen vor. Den Überfall auf Connewitz verurteile er. Aber solange das Ermittlungsverfahren laufe, müsse auch für den Tatverdächtigen aus der eigenen Mannschaft die Unschuldsvermutung gelten.

Bornaer SV: Wir hassen Gewalt

Etwa 50 Kilometer südlich trainieren die Fußballer des Bornaer SV. Drei Spieler der ersten Männermannschaft sollen am 11. Januar 2016 mit durch Connewitz gezogen sein. Der Vereinsvorsitzende Ingo Dießner spricht von einem Schock:

„Wir konnten uns nicht im Traum vorstellen, dass es Mitglieder unseres Vereins sind. Das war für uns ein schwerer Moment, weil wir für Toleranz und Freundschaft stehen. Wir hassen Gewalt.“ – Ingo Dießner, Vorsitzender des Bornaer Sportvereins

Bei einem Spieler habe der Vorstand vermutet, dass er eher in rechten Kreisen verkehren würde. Aber auf dem Platz habe sich kein Teammitglied etwas zuschulden kommen lassen. Schriftführer Dries Mäder ergänzt: Ein Fußballclub sei letztlich auch nur ein Spiegelbild der Gesellschaft.

Unterstützung für Vereine vom Landessportbund

Trotzdem will der Bornaer SV seine Mitglieder jetzt zum Thema Neonazismus schulen. Damit erhofft man sich auch, Kritikern etwas entgegensetzen zu können. Denn in den vergangenen Wochen seien mehrere Drohmails eingegangen, sagt Vereinsvorsitzender Dießner: "Die Angst vor Aktionen ist natürlich da, damit müssen wir umgehen. Aber ich hoffe auch, dass die Arbeit, die wir zusätzlich zur normalen Vereinsarbeit investieren, von diesen Gruppierungen gesehen wird. Dass die sehen: Wir setzen uns mit der Thematik auseinander."

Dabei lassen sie sich vom Landessportbund unterstützen. Mit dem Projekt "Im Sport verein(t) für Demokratie" will der Verbund das Wissen um Diskriminierung und Extremismus in den Vereinen fördern. Seitdem die Liste zu den Connewitz-Krawallen veröffentlicht wurde, klingelt bei Projektleiter Robert Großpietsch häufig das Telefon: "Die Sensibilität gegenüber Extremismus und Neonazismus ist höher geworden. Die Leute haben heute ein grundsätzlich größeres Wissen darum, worüber geredet wird. Trotzdem ist es ein Thema, das mit Vorsicht behandelt wird."

Auf Anfrage des MDR meldeten sich nur drei Vereine zurück. Einer wollte anonym bleiben, weil man Angst vor Racheaktionen habe. Regionalligist Lok Leipzig, bei dem die Namen von Fans in der Liste auffallend häufig auftauchen, reagierte gar nicht.