Rad abstellen oder tanzen? In Freiburgs Zentrum fehlen 2000 Radstellplätze, das Rathaus hat den Tanzbrunnen im Auge. Die Szene ist besorgt – und demonstriert tanzend.
Eine Frau fegt den stillgelegten Brunnen am Mensagarten in der
Freiburger Innenstadt, er ist schon länger nicht mehr richtig benutzt
worden. Ein Mann schließt Boxen an, es ist Samstag, 14 Uhr, Leute
kommen, sitzen auf den Brunnenrand, stehen in die Sonne, stellen ihr Rad
auf dem Rasen ab, essen Pizza, Tangomusik spielt. Ein Paar fängt an zu
tanzen. Die Demonstration beginnt.
Kurz vor 15 Uhr drehen sich zahlreiche Paare im Becken, schätzungsweise
haben sich 120 Tänzer und Zuschauer versammelt. Ein Mann mit
Sonnenbrille hat eine Seifenblasenmaschine mitgebracht. Wer will, kann
eine Onlinepetition unterzeichnen.
Seit bekannt wurde, dass die Stadtverwaltung prüfen will, ob sie
anstelle des Brunnenbeckens Fahrradparkplätze installieren könnte, ist
die Tanzszene beunruhigt. "Das ist kein toter Ort", sagt der Mann, der
die Boxen angeschlossen hat, aber seinen Namen nicht in den Medien lesen
will: Die Tanzveranstaltungen im Brunnen sind inoffiziell, also nicht
genehmigt. "Wir wollen ein Zeichen setzen", erklärt er zum Flashmob, der
gleichzeitig Saisonstart ist und bis Sonnenuntergang dauern soll.
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Zwischen März und Oktober wird im Brunnen getanzt, fast jeden Tag – mal
Tango, mal Farró, Lindy Hop, Salsa. Der läuft grade. Wolfgang Geißler
sitzt auf dem Beckenrand und schaut zu. "Ich tanze nur noch Tango", sagt
der 74-Jährige aus Gundelfingen. Das geht nicht in die Gelenke. Geißler
tanzt fast jeden Tag, im Brunnen im Sommer zweimal im Monat. Dann sind
Tanzfläche und Beckenrand auch so voll, nur nicht so viele Zuschauer
außen rum, erklärt er. Geißler ist für den Erhalt des Tanztreffs.
"Deshalb bin ich hier."
Auch die Stadträte Brigitte von Savigny (Kulturliste) und Timothy Simms
(Grüne), die von der Werthmannstraße zusehen, sind für den Erhalt.
Schließlich gebe es so gut wie keine Anwohner, der Ort sei trotzdem
zentral. "Freiburg hat eine große Tanzszene", sagt Simms. "Und abends
ist die Stimmung unwahrscheinlich", meint von Savigny.
Immer wieder gibt es Beschwerden, dass es zu wenig Fahrradbügel in
Freiburgs Zentrum gibt. "Wir haben ein Problem mit Radabstellplätzen",
räumt Simms ein und zeigt Verständnis für das Garten- und Tiefbauamt.
Während der Stadtrat meint, man müsste noch mal mit der Uni reden, will
seine Ratskollegin sich im Quartier nach Alternativen umsehen.
Auch Kim Schimpfle hat Verständnis. "Aber bitte nicht hier", sagt die
42-Jährige, die im Sommer oft zum Lindy Hop kommt. "Das ist so ein
kultureller Zusammenfluss von Leuten und so schön geworden." Was sie
nicht verstehe: "Wenn man plant, warum plant man die Abstellplätze nicht
mit? Die Räder waren ja auch vorher wo", sagt sie mit Blick auf den
Stellplatz vor der Unibibliothek. Der ist provisorisch und muss weg,
wenn die neue Stadtbahn fährt. Kim Schimpfle hofft: "Da gibt’s bestimmt
eine andere Lösung."