Knalltrauma-Prozess ausgesetzt

Erstveröffentlicht: 
11.03.2017

Nach dem Böllerwurf-Video fordert der Staatsanwalt neue Ermittlungen gegen den rechten Gewalttäter und seinen Mittäter. Von Alexander Schneider

 

Am zweiten Tag im Prozess gegen einen Rechtsradikalen, der nach einer Pegida-Demo einen Böller auf Gegendemonstranten geworfen haben soll, sind weitere Pannen in dem haarsträubenden Fall zutage getreten. So ist nicht ausreichend dokumentiert, ob zwei Zeugen nach der Tat einzeln oder gemeinsam vernommen wurden. Zur Namensverwechslung in einem Strafantrag war es wohl gekommen, weil Polizisten die Namen Beschuldigter nachträglich änderten – ohne Hinweis in der Akte.

 

Seit Ende Februar steht Peter M. (32) vor dem Amtsgericht Dresden: gefährliche Körperverletzung, Beleidigung, Nötigung und Betrug. Der Deutsche ist 16-fach vorbestraft, auch für einschlägige rechtsextreme Taten, er steht seit 2011 unter Führungsaufsicht und aktuell unter Bewährung.

 

M. soll am 6. Februar 2016 mit einem Komplizen einen Böller von der Brühlschen Terrasse auf zahlreiche Menschen geworfen haben, die am Terrassenufer ein Transparent wegtrugen. Eine Dresdnerin (21) erlitt ein tagelang schmerzhaftes Knalltrauma. Die Männer wurden von Journalisten beim Werfen gefilmt und wenig später gestellt. Die Verletzte und weitere Zeugen wurden nach der Tat vernommen, danach nicht mehr. Das Beweisvideo der Journalisten wurde weder von der Polizei noch von der Staatsanwaltschaft angesehen.

 

Als M. nun das Video sah, zeigte er auf einen der Täter und sagte: „Man sieht, dass ich da…“ – ehe ihm sein Verteidiger Alexander Hübner das Wort abschnitt. Möglicherweise habe M.s Kumpel Oliver K. den Böller geworfen, vermutete die Richterin. Sie gab daher den Hinweis, es könne auch eine Verurteilung wegen „gemeinschaftlich begangener“ gefährlicher Körperverletzung in Betracht kommen.

 

Die Staatsanwaltschaft regte dagegen neue Ermittlungen an. Man müsse den Vorwurf des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion prüfen – ein Verbrechensvorwurf, der von einem Schöffengericht neu aufgerollt werden müsste. Verteidiger Hübner widersprach einer Verwertung der offensichtlich rechtswidrig erlangten Zeugenvernehmungen und kritisierte die schlampigen Ermittlungen.

 

Der SZ-Artikel „Knalltrauma“ über die Pannenserie dieses Verfahrens hat dazu geführt, dass Polizei und Staatsanwaltschaft die Sache prüfen wollen. Die Richterin hat offensichtlich vergeblich Entlastendes gesucht, wie ihre Fragen an die Bewährungshelferin und den Ex-Chef von M. zeigten – doch da fand sich nichts. Sie setzte das Verfahren aus. Es ist aber möglich, dass der Prozess noch im März fortgesetzt wird.