Björn Höcke beim AfD-Bürgerdialog - "Berlin-Neukölln - das ist kein Deutschland mehr"

Erstveröffentlicht: 
10.03.2017

Hitler-Verharmlosung? Geschichtsklitterung? Im Brandenburgischen Jüterbog haben die AfD-Anhänger offenbar andere Sorgen - beim Bürgerdialog feiern sie Björn Höcke als Ehrengast. Ein Ortstermin. Von Maria Fiedler

 

Vor den gekippten Fenstern stehen sie, im Regen, und kommen mit ihren Gesichtern nah an die Scheibe - um wenigstens ein bisschen von dem zu verstehen, was drinnen gesprochen wird. Denn da sitzt Björn Höcke in einem schon viel zu vollen Saal, mit Bürgern aus der Region. "Ich möchte nicht, dass in Thüringen irgendwann Zustände herrschen wie in Berlin-Neukölln, Dortmund oder in Mannheim. Das ist kein Deutschland mehr, das ist kein Rechtsstaat mehr", ruft er jetzt mit dröhnender Stimme. Applaus, "Jawohl"-Rufe aus dem Publikum. Björn Höcke, der besorgte Politiker. 

 

Schmälern die Skandale Höckes Rückhalt?


Viel Aufsehen hat der thüringische AfD-Chef in letzter Zeit erregt, zuletzt weil er im Verdacht steht, Hitler verharmlost zu haben. Im Streit um seinen Parteiausschluss zankte sich in den vergangenen Wochen die AfD, die Umfragewerte der Partei sinken. Schmälert all das Höckes Rückhalt bei seinen Anhängern? In Jüterbog in Brandenburg konnte man sich am Donnerstagabend eine Antwort darauf erhoffen. Dort fand in einem kleinen Landhotel der Bürgerdialog der brandenburgischen AfD statt - und die ist mit der thüringischen bekanntermaßen eng verbunden.

 

Höcke wird als Ehrengast an diesem Abend mit lauten "Höcke, Höcke, Höcke"-Rufen empfangen. Er registriert das mit einem feinen Lächeln - es ist eine Reaktion, die er bei Auftritten in den östlichen Bundesländern häufig hervorruft. Die beiden Mitglieder der brandenburgischen AfD-Fraktion, die wie Höcke dem nationalistischen "Flügel" innerhalb der AfD angehören, wirken neben ihm auf dem Podium streckenweise wie Staffage. 

 

Stets nationalistisch, aber nicht mehr skandalös


Höcke versucht an diesem Abend, sich zurückzuhalten. Sich nicht wieder von der Stimmung davon tragen zu lassen. Die heiklen Themen: Erinnerungspolitik, Hitler - darüber spricht er nicht. Und man muss auch sagen, die Bürger interessiert es wohl auch nicht. In der Dialogrunde geht es um andere Fragen: Was hält Höcke von der Wehrpflicht? Wie genau will er die innere Sicherheit verbessern? Will er, dass Deutschland aus der EU-Austritt? Was hält er von der doppelten Staatsbürgerschaft? 

 

AfD solle auf den Spuren Trumps wandeln


Höckes Aussagen sind zwar stets nationalistisch, aber überschreiten hier in Jüterbog nicht die Grenze, die einen neuen Skandal auslösen würde. Höcke spielt etwa die Kosten für einen unbegleiteten, minderjährigen Flüchtling gegen das aus, was "unsere Hartz-IV-Bezieher" bekommen. Höcke erregt sich auch über die von der AfD viel kritisierte "Frühsexualisierung" an Schulen und sagt: "Wir wollen nicht, dass das natürliche Schamgefühl unserer Kinder zerstört wird." Er empfiehlt seiner Partei, "auf den Spuren von Trump zu wandeln und einen knallharten Anti-Establishment-Wahlkampf zu machen." Und Höcke behauptet, den Deutschen werde das Recht auf Heimat genommen. Als Heimatpartei solle sich die Partei deshalb neu definieren. 

 

Braune Soße? - "Blaue Soße"


Mehrfach machen die beiden Brandenburger Landtagsabgeordneten Birgit Bessin und Andreas Kalbitz deutlich, dass Björn Höcke in ihren Augen untrennbar mit der AfD zusammengehört. Auch im Publikum sagen manche, ohne Björn Höcke wären sie gar nicht in der AfD. So steht der mögliche Parteiausschluss an diesem Abend im Raum, ohne konkret angesprochen zu werden. Die Botschaft ist klar: Hier hält man weiterhin zu Höcke.

 

Aber auch ein paar Höcke-Gegner, die wohl auch die AfD nicht wählen würden, sind an diesem Abend gekommen - zum Zuhören. Nach den erneuten "Höcke"-Rufen wird es ihnen allerdings zu viel. Beim Rausgehen ruft einer noch: "Jetzt könnt ihr allein mit eurer braunen Soße weitermachen." Björn Höcke korrigiert lächelnd: "Blaue Soße."