Auch im Fall Wendt tappt Ralf Jäger im Dunkeln

Erstveröffentlicht: 
06.03.2017

NRW-Innenminister Ralf Jäger will von einer Mitfinanzierung Rainer Wendts nichts gewusst haben. Die Gewerkschaft ist überrascht. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob sie gegen Jäger Ermittlungen aufnimmt.

 

Eigentlich wollte Ralf Jäger über die neuesten Erfolge in der Kriminalstatistik berichten und vor allem den deutlichen Rückgang bei den Wohnungseinbrüchen hervorheben. Doch Nordrhein-Westfalens krisenbelasteter Innenminister ahnte schon, dass bei seiner Pressekonferenz am Montag in Düsseldorf ein anderes Thema drängt.

 

Es war herausgekommen, dass der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, seit Jahren vom Dienst im Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) in Duisburg vollständig freigestellt ist und teilweise einen Beamtensold bezogen hat. Wendt führt die im Vergleich zur Gewerkschaft der Polizei (GdP) kleinere DGPolG seit 2007 und hat als scharfer Kritiker der inneren Sicherheit bereits für viele Schlagzeilen gesorgt.

 

Der 60-jährige Christdemokrat hat die Brisanz bei der Gehaltsfrage selbst erhöht, weil er zunächst in einem Interview mit „Report München“ zweimal verneint hatte, dass er Geld von seiner Dienststelle in Duisburg beziehe. Er arbeite „dort nicht aktiv“, sondern sei in einem „speziellen Beschäftigungsverhältnis“.

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Aufs Gehalt angesprochen, sagte Wendt: „Ich bekomme mein Gehalt von der Gewerkschaft.“ Kaum waren die Reporter draußen, rief er sie zurück ins Büro und korrigierte die Aussage.

 

Er sei bei der LZPD „beschäftigt mit einer Teilzeitbeschäftigung mit 28 Wochenstunden und beziehe dort auch anteilweise Gehalt“, sagte er. Auf die Frage, welche Tätigkeit er ausübe, entgegnete Wendt, er repräsentiere die Gewerkschaft „mit Billigung meines Ministers und meiner Behörde“ – „das weiß der Minister“. Gemeint war NRW-Innenminister Jäger.

 

Eine heikle Aussage für den Sozialdemokraten, der in den vergangenen sieben Jahren schon häufig innenpolitische Probleme bewältigen musste und mit Rücktrittsforderungen konfrontiert war. Jäger betonte nun in der Pressekonferenz, er habe einen Tag nach Altweiberfastnacht, also am Freitag, 24. Februar, von Wendts Beschäftigungsregelung erfahren.

 

Dabei überraschte Jäger mit der Aussage, man habe „zurzeit keinerlei Unterlagen, aus denen hervorgeht, in welcher Weise diese Freistellung erfolgt ist“ und werde deshalb in einem „Verwaltungsermittlungsverfahren“ herausfinden, „welche Beamten an welcher Stelle in welcher Funktion mit Herrn Wendt diese Vereinbarung getroffen haben“.

 

Auf Nachfrage erklärte die Pressesprecherin der DPolG gegenüber der „Welt“, dass man über diese Aussage Jägers überrascht sei, und betonte erneut: „Dieses Beschäftigungsverhältnis in Form einer ortsunabhängigen Teilzeitbeschäftigung war durch Zustimmung des Ministeriums legitimiert und ist seit vielen Jahren geübte Verwaltungspraxis in NRW.“ 

 

Ist Wendt ein Einzelfall?


Der NRW-Landeschef der wesentlich größeren GdP, Arnold Plickert, betonte, dass er nur von seiner Gewerkschaft bezahlt werde und sein Amt als Polizist ruhen lasse, „um kein Abhängigkeitsverhältnis zum Arbeitgeber entstehen zu lassen“.

 

Landesminister Jäger erklärte, Wendts Regelung sei ein Einzelfall. Er finde, dass „im Rahmen des dienstlich Vertretbaren für die gewerkschaftliche Tätigkeit Raum bleiben soll“, und nahm etwa die NRW-Landesvorsitzenden von DPolG, Erich Rettinghaus, und des Bundes der Kriminalbeamten (BDK), Sebastian Fiedler, namentlich in Schutz.

 

Sie seien an Gesetzesverfahren beteiligt und oft als Experten gefragt. Es sei „nur schwer vorstellbar, dass eine solche Inanspruchnahme nur nach Dienstschluss erfolgen kann oder wenn der Dienst es gerade zulässt“, betonte Jäger.

 

Der Innenminister wagte auf Nachfrage der Journalisten keine eindeutige Bewertung der Causa Wendt und sagte vorsichtig: „Es hat sich möglicherweise da etwas in der Verwaltungspraxis verselbstständigt.“ Jäger betonte zugleich, „eine faktische vollständige Freistellung wie bei Herrn Wendt wird es für die Zukunft nicht mehr geben“. 

 

Jäger muss im Innenausschuss Stellung nehmen


Als Begründung nannte der Landesminister „die öffentliche Diskussion darüber, dass es kaum nachvollziehbar ist, dass jemand mit einer Gewerkschaftsfunktion vollständig freigestellt ist“. Das ist nur ein Teil des Problems. Es geht auch darum, warum jemand dennoch Geld bezieht und wie dies in seiner Dienststelle geregelt war.

 

„Wir sind schockiert – das geht gar nicht“, sagte der Landesvorsitzende des Steuerzahlerbundes NRW, Heinz Wirz, der Deutschen Presse-Agentur. Besonders scharf meldeten sich die Grünen in NRW zu Wort. „Rainer Wendt ist wohl das, was er selbst als Sozialschmarotzer bezeichnen würde.

 

Der Scharfmacher vom rechten Rand hat anscheinend über Jahre scham- und leistungslos öffentliche Gelder kassiert“, erklärte der Grünen-Fraktionschef im Landtag NRW, Mehrdad Mostofizadeh.

 

Wendt hat sein Dienstverhältnis nun vorzeitig beendet und will als Gewerkschaftschef weitermachen. Ausgestanden ist die Sache allerdings noch nicht.

 

Minister Jäger soll diese Woche im Innenausschuss des NRW-Landtags Stellung nehmen. Der innenpolitische Sprecher der Linken NRW, Jasper Prigge, fordert den Rücktritt von Jäger und hat Strafanzeige gegen ihn bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gestellt – wegen des Verdachts der Untreue. Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob sie gegen Jäger Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue aufnimmt.