Erstes Terrorverfahren in Sachsen - Prozess gegen „Gruppe Freital“ startet – Sprengstoffverdacht verzögert Einlass

Erstveröffentlicht: 
07.03.2017

Laut Anklage wollten sie mit Anschlägen auf Flüchtlinge und politische Gegner ein Klima der Angst schaffen. Sieben Männer und eine Frau aus Freital und Dresden sollen eine rechte Terrorgruppe gebildet haben. Nun wird ihnen der Prozess gemacht.

 

Dresden.  Es ist der erste Terrorprozess der sächsischen Justiz: Sieben Männer und eine Frau stehen ab Dienstagvormittag als mutmaßliche Mitglieder der „Gruppe Freital“ vor dem Oberlandesgericht Dresden. Der Generalbundesanwalt wirft ihnen die Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung vor. Außerdem wird den Angeklagten unter anderem versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung und die Herbeiführungen von Sprengstoffexplosionen zur Last gelegt.

 

Schon vor Beginn der Verhandlung war die Aufregung im Gericht groß, denn zwei Suchhunde der Polizei reagierten im Toilettenbereich. Die Beamten befürchteten versteckten Sprengstoff zumal auch im Gerichtssaal ein „merkwürdiger Geruch“ wahrgenommen wurde. Kurze Zeit später dann aber Entwarnung: Die Suchhunde hätten offensichtlich am Dienstagmorgen auf ein Pflegemittel für Gummi angeschlagen, sagte ein Polizeisprecher. Wegen des Sprengstoffverdachts hatte sich der Einlass zum ersten Terrorprozess der sächsischen Justiz verzögert.

 

Fünf Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und politisch Andersdenkende sollen die Angeklagten aus Dresden und Freital begangen haben, um damit „ein Klima der Angst und Repression“ zu erzeugen, so die Anklage. Die Beschuldigten im Alter zwischen 19 und 39 Jahren sitzen zum Teil bereits seit November 2015 in Untersuchungshaft.

 

Konkret geht es um Sprengstoffanschläge auf zwei Flüchtlingsunterkünfte, auf ein Linken-Parteibüro und das Auto eines Linken-Stadtrates in Freital sowie auf das alternative Wohnprojekt „Mangelwirtschaft“ im nahegelegenen Dresden. Die Taten wurden im Zeitraum von Juli bis November 2015 verübt, zwei Menschen wurden verletzt.

 

Bei den Anschlägen wurde in Deutschland nicht zugelassene Pyrotechnik verwendet, die sich die Angeklagten in großen Mengen in Tschechien beschafft haben sollen. Zudem hätten sie sich mit der Herstellung von Rohrbomben beschäftigt, so die Bundesanwaltschaft.

 

Nachdem die Generalstaatsanwaltschaft Dresden in der Sache zunächst in getrennten Verfahren ermittelt und teils auch schon Anklage erhoben hatte, sah der Generalbundesanwalt einen hinreichenden Verdacht auf Bildung einer terroristischen Vereinigung und zog das Verfahren im April vergangenen Jahres an sich.

 

 Der Prozess findet in einem eigens dafür eingerichteten Hochsicherheitsgebäude einer im Aufbau befindlichen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge statt. Vorerst sind bis Ende September mehr als 60 Verhandlungstage terminiert. 

 

Chronologie der Ereignisse um die „Gruppe Freital“


27. Juli 2015 - Mit der Sprengung des Autos eines Freitaler Linke-Stadtrats beginnt die vom Generalbundesanwalt angeklagte Anschlagsserie. Verletzt wird niemand, am Wagen des Stadtrats und zwei daneben abgestellten Fahrzeugen entsteht erheblicher Schaden.

 

19. September 2015 - In der Nacht explodiert ein an einem Küchenfenster einer Flüchtlingsunterkunft in Freital angebrachter Sprengkörper. Es entsteht Sachschaden, die acht Bewohner der Unterkunft bleiben nur deshalb unverletzt, weil sich zum Tatzeitpunkt niemand in der Küche aufhielt.

 

20. September 2015 - Wieder ein nächtlicher Sprengstoffanschlag. Diesmal ist ein Parteibüro der Linken in Freital das Ziel. Wieder entsteht erheblicher Sachschaden, als Pyrotechnik an einer Fensterscheibe des Büros gezündet wird.

 

19. Oktober 2015 - Mitglieder der Gruppe werfen laut Anklage Pflastersteine und teils mit Buttersäure präparierte Sprengkörper auf ein alternatives Wohnprojekt in Dresden. Ein Bewohner der „Mangelwirtschaft“ wird verletzt.

 

1. November 2015 - Erneut ist eine Flüchtlingsunterkunft in Freital Ziel eines Anschlags. An drei Fenstern einer von Asylbewerbern genutzten Wohnung explodieren Sprengkörper. Ein Syrer wird von Glasscherben im Gesicht getroffen und verletzt.

 

5. November 2015 - Bei einer Razzia von Polizei und Staatsanwaltschaft werden in Dresden und Freital neun Wohnungen durchsucht. Timo S., Patrick F., Philipp W. und Maria K. werden verhaftet, der Haftbefehl gegen K. aber wieder außer Vollzug gesetzt. Insgesamt wird gegen sieben Verdächtige ermittelt. Bei den Durchsuchungen werden neben Pyrotechnik auch Nazi-Devotionalien gefunden. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft den Beschuldigten das Herbeiführen von Sprengstoffexplosionen sowie versuchte oder vollendete gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung vor.

 

Februar 2016 - Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden erhebt Anklage gegen Timo S., Patrick F., Philipp W., Justin S. und Maria K. wegen der Angriffe auf die „Mangelwirtschaft“ und eine Flüchtlingsunterkunft in Freital.

 

1. April 2016 - Der Generalbundesanwalt bestätigt, die Übernahme der Ermittlungen wegen Terrorsverdachts zu prüfen. Nach Anforderung der Akten durch Karlsruhe zieht die Generalstaatsanwaltschaft ihre Anklagen zurück.

 

11. April 2016 - Der Generalbundesanwalt zieht das Verfahren an sich. Jetzt wird wegen Terrorverdachts ermittelt.

 

19. April 2016 - Bei einer weiteren Razzia - an der im Auftrag des Generalbundesanwalts nun auch die Spezialeinheit GSG 9 beteiligt ist - werden Justin S., Rico K., Sebastian W., Mike S. und Maria K. festgenommen. Seither sitzen alle acht Beschuldigten in U-Haft.

 

2. November 2016 - Die Bundesanwaltschaft erhebt vor dem Oberlandesgericht Dresden Anklage. Neben der Bildung einer terroristischen Vereinigung sollen sich die Beschuldigten auch wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und des Herbeiführens von Sprengstoffexplosionen verantworten.

 

17. Januar 2017 - Das Oberlandesgericht lässt die Anklage der Bundesanwaltschaft zur Hauptverhandlung zu. Damit kann das erste Terrorverfahren in der Geschichte des Freistaates beginnen. Bis Ende September werden mehr als 60 Verhandlungstage angesetzt.

 

7. März 2017 - Beginn des Prozesses in einem eigens dafür eingerichteten Hochsicherheitsgebäude.