Gruppe Freital: Ihre Freunde und Helfer

Erstveröffentlicht: 
06.03.2017
Morgen beginnt der Prozess gegen die Freitaler Gruppe. Zwei Polizisten hatten ein väterliches Verhältnis zu Angeklagten. Doch gegen die Beamten wird nicht mehr ermittelt.

 

Der Stiefvater muss schon früh geahnt haben, dass es übel ausgehen könnte. Dass seinem Stiefsohn Sebastian W. vielleicht sogar das Gefängnis droht. Noch bevor dessen rechtsextreme Clique den ersten Sprengsatz an einer Flüchtlingsunterkunft in Freital platziert hatte, begann der Stiefvater, die Vergangenheit seines Stiefsohnes zu recherchieren. Als Beamter der sächsischen Polizei boten sich ihm dafür besondere Möglichkeiten. 

 

Im September 2015 gab der Polizist zum ersten Mal den Namen seines Stiefsohns in einen Dienstcomputer ein, um nachzusehen, was seine Kollegen bei der Polizei über den jungen Mann wissen. In den kommenden Monaten tat er das mehrfach. Und er suchte in den Polizeidaten auch nach den Kumpels von Sebastian W. – nach Timo S. und Patrick F.

 

Alle drei stehen nun vor dem Richter. Von Dienstag an müssen sie sich als mutmaßliche Mitglieder der Gruppe Freital vor dem Oberlandesgericht in Dresden verantworten. Der Generalbundesanwalt hat insgesamt sieben Männer und eine Frau wegen Sprengstoffanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte und ein linkes Wohnprojekt als Rechtsterroristen angeklagt. Er wirft der Gruppe vor, den Tod von Asylbewerbern aus Syrien in Kauf genommen zu haben. 

 

Mehrfach auf Daten zugegriffen


Die Ermittler wollten lange nicht sehen, dass es immer dieselben Rechtsextremen waren, die monatelang Freital terrorisierten, die immer mehr Taten begingen. Der Stiefvater von Sebastian W. jedoch muss es schon ziemlich früh geahnt haben.

 

Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Dresden suchte er mehrfach im Polizeicomputer nach Informationen zu den Ermittlungen gegen seinen Stiefsohn und dessen Kumpels, zum letzten Mal im Juni 2016. Da saß Sebastian W. bereits seit einem Monat in Untersuchungshaft.

 

Polizisten dürfen nicht einfach in den internen Datenbanken wühlen und nachschauen, was über Bekannte gespeichert ist. Sie sollen die Informationen nur zu dienstlichen Zwecken nutzen, also wenn sie mit entsprechenden Ermittlungen betraut sind. Suchen sie nach Personen, die in ihren Ermittlungen nicht auftauchen, überschreiten sie ihre Kompetenz und müssen mit Strafe rechnen. 

 

Verbotene Neugier


Wegen dieser verbotenen Neugier ermittelte die Staatsanwaltschaft Dresden seit Ende 2016 gegen den Polizeibeamten. Der Verdacht wog schwer: Hatte er vertrauliche Informationen aus dem Polizeiapparat sogar an mutmaßliche Rechtsterroristen durchgestochen? Die Staatsanwaltschaft Dresden glaubt es nicht. Das Verfahren gegen ihn wurde nach wenigen Wochen wieder eingestellt.

 

In einer Vernehmung Anfang dieses Jahres habe der Beamte seine Suche im Polizeicomputer mit seiner Neugierde und der Sorge um seinen Sohn begründet, so das Ergebnis der Ermittlungen. Die Untersuchungen dazu halten die Staatsanwälte für erschöpfend. Der Polizist habe die Vorwürfe bestritten und glaubhaft berichtet, dem Stiefsohn oder dessen Kumpels keine Informationen seiner internen Recherchen zur Gruppe Freital verraten zu haben. 

 

Alter Freund


Es gab noch einen zweiten Polizisten, der offenbar gut informiert war. Timo S., mutmaßlicher Rädelsführer der Gruppe Freital, hatte in seinem Polizeiverhör ausgesagt, die Clique sei bei einer Gelegenheit von einem Bereitschaftspolizisten gewarnt worden, sie sollten sich aus dem Staub machen.

 

Auch dieser Polizist war ein Vertrauter der Täter. Der Beamte der Bereitschaftspolizei kannte Patrick F. schon seit dessen elftem Lebensjahr. Er hatte sich im Herbst 2015 mit ihm unterhalten – an dem Ort, an dem sich die Clique regelmäßig getroffen und viele ihrer Taten verabredet hatte, der Aral-Tankstelle in Freital.

 

Das Verfahren gegen den Bereitschaftspolizisten wurde ähnlich zügig eingestellt. Auch er hatte die Vorwürfe abgestritten. Er sei Patrick F. nur zufällig an der Tankstelle in Freital begegnet, sagte er in einer Vernehmung. Er habe F. lediglich ermahnen wollen, nicht gegen Regeln zu verstoßen. Anschließend habe man sich noch ein wenig privat unterhalten. Die Staatsanwaltschaft Dresden fand auch das glaubhaft. Schließlich habe der Beamte während des Verhörs Augenkontakt gehalten und sei offensichtlich ruhig gewesen.

 

Gegen einen dritten Polizisten wird wegen ähnlicher Vorwürfe weiter ermittelt.