»Wir sind ja nicht zum Spaß hier«

Erstveröffentlicht: 
28.02.2017

Über 50 Autos und 40 Fahrräder demonstrieren Solidarität mit Deniz Yücel

 

Eigentlich sollte es eine Jubelfahrt werden – doch statt der Freilassung bekam der Journalist Deniz Yücel in der Türkei am Montag einen Haftbefehl. Für seine Freilassung und die aller inhaftierter Journalisten demonstrierte am Dienstag ein lauter und langer Autokorso durch Leipzig.

 

»Nun macht hinne! Sonst stehen wir hier ja noch ewig!« Ein Polizist an der der Kreuzung am Brühl ist genervt, brüllt und drängt die Autos zur Eile. Bringt natürlich nichts. Langsam und laut hupend schlängelt sich der Autokorso durch die Innenstadt. »Free Deniz« ist das Motto, das auf fast jedes der Autos geklebt wurde. Hinter Autofenster, auf Autotüren und Motorhauben. Einer hält auch tapfer zwei Stunden lang ein Transparent  aus dem Autofenster: »Free Deniz« überall.

 

Mehr als 50 Autos haben sich am Dienstagabend in den von der Polizei begleiteten Autokorso eingereiht. Auch etwa 40 Fahrradfahrer sind gekommen. Vorher herrscht am Treffpunkt Connewitzer Kreuz noch etwas Irritation. Wann geht‘s los? Wo geht’s lang? Keiner weiß es so genau. In zwölf Städten gab es an diesem Tag Solidaritäts-Korsos für Deniz Yücel und alle in der Türkei inhaftierten Journalisten – unter anderem in Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln, München. Und in Leipzig. Eine Facebookseite hatte dies kundgetan, 17 Uhr am Kreuz, viel mehr Ansagen gabs nicht. Halb sechs geht’s dann wirklich los. Huuup, huuup. Die zweistündige Route führt die Karli lang, den Ring, durch die Innenstadt, dann zur Eisenbahnstraße, und wieder zurück Richtung Süden.

 

Applaus von Passanten, hochgereckte Peace-Zeichen an der Bushaltestelle, solidarisches Hupen vom Stau auf der Gegenspur. Aber auch genervte Gesichter von denen, die nicht über die Ampel kommen, in der Straßenbahn stecken oder sich die Ohren zuhalten.

 

Das Zeichen der Leipziger Sympathisanten der Pressefreiheit ist laut und deutlich: »Journalismus ist kein Verbrechen.« Dass gegen Deniz Yücel ein Haftbefehl erlassen wurde, ist ein Skandal. Dass weitere Journalisten in der Türkei im Gefängnis sitzen, weil sie ihre Arbeit tun, eine Machtdemonstration der türkischen Regierung, die immer mehr diktatorische Züge annimmt.

 

Dass nun gerade mit Autokorsos und Hupen für die Pressefreiheit demonstriert wird, liegt daran, dass Yücel, der inzwischen für die Welt arbeitet, in der Jungle World selbst mal eine Hymne an Autokorsos geschrieben hat. In Leipzig wurde die Demo veranstaltet von der »losen Initiative Free Deniz«, wie es der Anmelder selbst sagt. Und auf die Frage, ob der Autokorso erfolgreich war, antwortet er: »Wir haben ja nicht für die Einführung des Kommunismus demonstriert – also wahrscheinlich ja.« Und wie ließ Yücel es vor ein paar Tagen in seinem Haftprotokoll verlauten: »Wir sind ja nicht zum Spaß hier.«

 

JULIANE STREICH