Tausende demonstrierten in Mitte gegen »Merkel muss weg«-Bündnis / Deutlich weniger Neonazis als angekündigt erschienen
»Solidarität statt rechte Hetze – kein Nazi-Aufmarsch in Berlin-Mitte« – unter diesem Motto protestierten rund 1000 Menschen gegen einen Aufmarsch von Neonazis und Rechtspopulisten am Samstagnachmittag. Zu einer Demonstration vom Rosenthaler Platz bis zum Washington Platz, dem Versammlungsort der Rechten, hatte das aus linken Gruppen, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Initiativen bestehende »Berliner Bündnis gegen Rechts« zusammen mit der Mobilisierungsplattform »Berlin gegen Nazis« aufgerufen.
Vor dem Hauptbahnhof hatte das Bündnis zudem eine Kundgebung für Toleranz und Weltoffenheit angemeldet und zu einer »Lärm-Challenge« aufgerufen. Auch SPD, LINKE und Grüne hatten zum Protest mobilisiert. »Mit unserem Protest wollen wir klarmachen, dass Nazis und Rechtspopulisten auch 2017 in Berlin nicht willkommen sind. Ein Aufmarsch, der ohne Widerspruch der Stadtgesellschaft über die Bühne geht, würde die Rechten nur bestärken«, erklärt Ulf Balmer von der Initiative »Berlin gegen Nazis«.
Auf dem Washingtonplatz hatten sich am Nachmittag Anhänger des rechtsextremen Bündnisses »Wir für Berlin – Wir für Deutschland« versammelt. Gegendemonstranten empfingen die Rechten mit Trillerpfeifen und lärmenden Klatschpappen. Einige hatten selbstgebastelte Transparente mit Aufschriften wie »Hass hilft nichts« und »Nein zur AfD« dabei. Unter dem Slogan »Merkel muss weg« zog die rechte Demonstration vom Hauptbahnhof über die Gontardstraße bis zum Alexanderplatz. Nach Polizeiangaben kamen circa 400 Menschen zusammen und damit weit weniger, als die Veranstalter angekündigt hatten. Im Vorfeld war mit bis zu 1000 rechten Demonstranten gerechnet worden.
Der neonazistische Umzug fand unter demselben Motto bereits zum fünften Mal im Berliner Regierungsviertel und der City-Ost statt. Die Teilnehmer, unter ihnen gewaltbereite Hooligans, NPD-Anhänger, selbsterklärte »Reichsbürger« und Vertreter der »Patriotischen Plattform« der AfD skandierten Parolen wie »Wir sind das Volk« und »Volksverräter«, schwenkten Reichskriegsflaggen und zeigten fremden- und flüchtlingsfeindliche Plakate.
Auf der Auftaktkundgebung sprachen auch in diesem Jahr wieder Redner aus ganz Deutschland und anderen europäischen Ländern. Unter ihnen war der aus Brandenburg angereiste rechtsextreme Aktivist und Hobbyjäger Kay Hönicke. Hönicke ruft im Internet zur Bildung bewaffneter Kampfgruppen auf und hat sich mit seinem Schmäh-Song mit dem Titel »Merkel muss weg«, in dem er musikalisch gegen die Aufnahme von Flüchtlingen und die Bundeskanzlerin hetzt, einen Namen in der rechten Szene gemacht. »Solchen Menschen darf nirgendwo ein Fußbreit für ihre Ungleichwertigkeitsideologie gegeben werden. Es ist daher wichtig, zivilgesellschaftlichen Widerstand zu organisieren, auch wenn es nur eine Handvoll Ewiggestriger ist«, sagt Sercan Aydilek. Der 25-Jährige Antifaschist ist bei den Jusos in Berlin aktiv.
Entlang der Marschroute der Rechten kam es immer wieder zu Blockadeversuchen linker Aktivisten. In der Torstraße gab es zwischenzeitlich eine Sitzblockade, die die Polizei mit Gewalt auflöste. Es gab mehrere Festnahmen und Platzverweise. Zu größeren Zwischenfällen kam es bis zum frühen Abend nicht. Die im Vorfeld befürchteten Ausschreitungen blieben aus. Die Polizei war mit insgesamt 800 Beamten im Einsatz. Die »Merkel muss weg«-Demo hatte im vergangenen Jahr kontinuierlich an Zulauf verloren. Waren zum Auftakt im März 2016 rund 3000 Menschen gekommen, zogen im Mai 1800 und im Juli noch 1000 Menschen durch Berlins Zentrum. Beim letzten Aufmarsch im November waren es nur noch 500 rechte Demonstranten gewesen.