AfD-Chef Meuthen greift in Vorstandswahl ein - Schlappe für Weidel

Erstveröffentlicht: 
05.03.2017

Die AfD präsentiert sich bei ihrem Parteitag in Sulz zerstritten wie eh und je. Bundeschef Meuthen setzt seinen Kandidaten für die Landesspitze gegen die Nummer eins für den Bundestagswahlkampf durch. Das ist auch eine Richtungsentscheidung.

 

Wie tief die Risse trotz aller Aufrufe zur Geschlossenheit durch die Südwest-AfD gehen, zeigt eine eisige Begegnung am Rande des Parteitags. Jörg Meuthen, AfD-Bundeschef und Fraktionsvorsitzender im Südwesten, geht in Sulz am Neckar auf Alice Weidel zu, die baden-württembergische Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl. Er will sie begrüßen, Weidel schreckt zurück und sagt mit versteinertem Gesicht: „Du hast mich abgeschossen.“

Zuvor hatte Meuthen in einer als Grußwort deklarierten Rede davor gewarnt, Bundestagskandidaten auch Parteiämter ausfüllen zu lassen - und sich damit gegen Weidel gestellt, die Landessprecherin werden und als solche gestärkt in den Bundestagswahlkampf ziehen wollte. Auf Listenplatz eins im Südwesten hat sie beste Chancen, bei der Wahl am 24. September ins Parlament in Berlin einzuziehen. Meuthens Favorit setzt sich schließlich gegen Weidel durch: Ralf Özkara, bis vor kurzem Meuthens Büroleiter in der Fraktion, wird erster Landessprecher.

Das ist auch eine Richtungsentscheidung für die Südwest-AfD, die bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr aus dem Stand 15,1 Prozent der Stimmen erhalten hatte. Weidel steht für eine strikte Abgrenzung zum rechten Rand und setzt sich deshalb für einen Parteiausschluss des umstrittenen thüringischen Landeschefs Björn Höcke ein. Sie will das liberal-konservative Profil ihrer Partei schärfen. Meuthen und Özkara hingegen sind gegen einen Ausschluss Höckes. Dessen Äußerungen seien mit der Meinungsfreiheit noch vereinbar, findet Özkara, der auch den AfD-Kreisverband Rems-Murr führt.

Meuthen hatte in seiner Rede auf die zeitintensive Vorstandsarbeit verwiesen, die er aus eigener Erfahrung kenne. Er hatte das Amt des Landessprechers wegen seiner Tätigkeit als Landtagsfraktionschef und Bundeschef neben Frauke Petry niedergelegt. „Dass nun künftige Bundestagsabgeordnete diese Zeit aufbringen, das schließe ich aus - ja Leute, das geht nicht“, hatte er den rund 400 Parteimitgliedern in Sulz gesagt.

Weidel versucht, mit zahlreichen Gegenbeispielen aus der Partei dagegen zu argumentieren: So führt André Poggenburg die Partei und die Fraktion in Sachsen-Anhalt und ist zugleich Mitglied im AfD-Bundesvorstand, AfD-Bundeschefin Petry steht an der Spitze des sächsischen Landesverbandes und der dortigen Landtagsfraktion. Weidel betont: „Es ist üblich, dass Spitzenkandidaten auch gleichzeitig Landessprecher sind.“ Sonst könnten sie keinen vernünftigen Wahlkampf machen.

Die Arbeitsbelastung sei sie gewohnt, sagt sie, und kündigt an, im Fall ihrer Wahl ihr Amt im Bundesvorstand ebenso niederzulegen wie den Vorsitz im Bundesfachausschuss Euro und Währungspolitik. Es gehe jetzt darum, die Probleme in den Blick zu nehmen, die den Menschen auf den Nägeln brennen. „Mit jeder Faser meines Körpers stehe ich für die Lösung dieser Probleme zu jeder Zeit an jedem Ort mit ganzer Kraft meine Frau.“ Die Unternehmensberaterin vom Bodensee muss sich Buh-Rufe anhören und als Heuchlerin beschimpfen lassen.

Während die 38-Jährige den Schwerpunkt ihrer Rede auf Inhalte für den Wahlkampf legt, spricht der ehemalige Zeitsoldat Özkara eher die Seele der Partei an. Er beschwört den Idealismus aus früheren Zeiten, als die Partei zwar am Boden lag, aber einig war. „Wenn ich die Zerstrittenheit im Landesverband betrachte, dann kotzt mich das an.“ Er selbst sieht sich als Vermittler zwischen den Flügeln.

Weidels Niederlage ist möglicherweise einem kuriosen Umstand geschuldet. Im erster Wahlgang tritt noch ein dritter, chancenloser Kandidat an: Quang Pham bekommt drei Stimmen. Das sind genau so viele, wie Weidel zum Sieg verholfen hätten. Es kommt zur Stichwahl, Weidel unterliegt knapp gegen Özkara. Als das Ergebnis bekanntgegeben wird, fallen sich Özkara und Meuthen in die Arme.

Meuthens aktives Eingreifen in die Vorstandswahl gefällt nicht allen Mitgliedern. „Es ist eine Schande, was Herr Meuthen gemacht hat“, schimpft der Landtagsabgeordnete Heinrich Fiechtner. Weidel sei beschädigt für den Bundestagswahlkampf. „Es ist perfide, die Kandidatin so bloßzustellen.“ Von einem „Sulzer Geist der Einigkeit“, wie ihn sich manche Parteimitglieder wünschten, kann nur wenige Monate vor der Bundestagswahl jedenfalls keine Rede sein.