Linksmilitante Gegner des G20-Treffens zünden Autos an – und brüsten sich damit im Internet. Das Thema beschäftigt Berlin schon lange.
Das Treffen der 20 führenden Industrienationen (G20) am 7. Juli in Hamburg wirft seine Schatten voraus. Während die Diplomaten an Positionspapieren und Verhandlungsstrategien feilen, bereiten sich einige Anhänger der linksmilitanten Szene auf ihre ganz eigene Art auf das Treffen vor: Sie zünden Autos an. Der jüngste Anschlag ereignete sich am Dienstagabend. Auf einem Parkplatz am Halleschen Ufer in Kreuzberg gingen sechs Fahrzeuge des Wachschutzunternehmens Securitas in Flammen auf. Passanten bemerkten den Brand gegen 18.45 Uhr und alarmierten Feuerwehr und Polizei. Die Einsatzkräfte löschten. Doch die Fahrzeuge wurde erheblich beschädigt. Menschen wurden nicht verletzt.
Die Täter konnten unerkannt entkommen, ein Bekennerschreiben gibt es bisher nicht. Die Polizei geht dennoch von einem politischen Hintergrund aus. Nicht ohne Grund. Denn die Formel, Securitybranche bedeute Repression und sei damit ein legitimes Ziel für Gewalt, gehört im militanten Teil der Szene zum kleinen Einmaleins. Auf einschlägigen Internetseiten werden solche Brandanschläge bejubelt – als Symbol einer "radikalen Veränderung der herrschenden Verhältnisse".
Der nahende G20-Gipfel bietet der Szene einen Grund, um die Anschläge zu intensivieren. Die Sicherheitsbehörden könnten ein "Warmlaufen" beobachten, sagte am Mittwoch Innensenator Andreas Geisel (SPD) im Ausschuss für Verfassungsschutz. Im Internet lässt sich das nachvollziehen – etwa in einer Chronik über die "Aktivitäten mit Anti-G20-Kontext". Darin finden sich Anschläge auf eine Polizeidirektion, auf das Auto eines französischen Diplomaten, auf die Unternehmen Sodexo und Vodafone, auf ein SPD-Büro und einen Funkmast der Bundespolizei und Farbbeutelwürfe auf Ordnungsämter.
200 bis 400 Brandstiftungen an Autos pro Jahr
Das Thema angezündeter Autos beschäftigt Berlin schon lange. Laut Geisel gab es in den vergangenen Jahren jährlich zwischen 200 und 400 Brandstiftungen. Aus politischen Gründen schlugen Täter allerdings nur in jedem vierten Fall zu – und die Schwankungen sind erheblich. So registrierte die Polizei 2009 den Höchstwert von 145 politisch motivierten Brandstiftungen. 2013 waren es dagegen nur 23. Im laufenden Jahr gab es bisher acht vermutlich politisch motivierte Fälle – wobei die Täter teilweise gleich mehrere Autos auf einmal anzündeten, sodass insgesamt 15 Fahrzeuge zu Schaden kamen. In drei der acht Fälle mit angenommenem politischem Hintergrund schlugen nach Einschätzung der Polizei nicht Links- sondern vermutlich Rechtsextreme zu.
Der Abgeordnete Niklas Schrader (Linke) wies darauf hin, dass Angaben zu einem denkbaren politischen Hintergrund schwierig seien. Auch Geisel räumte ein, dass gerade linksextremistisch motivierte Tatverdächtige nur selten ermittelt werden könnten. "Der exakte Tatnachweis ist aufgrund des konspirativen Verhaltens sehr schwierig", sagte Geisel. Tatbegehung und Bekennerschreiben ließen aber Rückschlüsse zu, ob ein politischer Hintergrund zu vermuten sei oder nicht.
Der innenpolitische Sprecher der CDU, Burkard Dregger, sagte, Innensenator Geisel müsse sich fragen lassen, "was er zu tun gedenkt, um die Autobrandstiftungen wirkungsvoller zu bekämpfen". Der FDP-Abgeordnete Marcel Luthe wies dagegen darauf hin, dass auch in der Amtszeit des CDU-Senators Frank Henkel in Berlin Autos gebrannt hätten. "Die CDU entdeckt das Problem erst, seit sie nicht mehr den Innensenator stellt", sagte Luthe.
Von Ulrich Kraetzer