Eine Expertengruppe der UN hat die Situation von Menschen afrikanischer Abstammung in Deutschland untersucht. Das Urteil fällt vernichtend aus. von Ulrike Scheffer
Menschen afrikanischer Abstammung werden in Deutschland massiv diskriminiert – auch von staatlichen Stellen. Das ist das vernichtende Urteil einer Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen (UN). Das dreiköpfige Expertengremium zeigte sich „zutiefst beunruhigt“ über die Situation von Menschen afrikanischer Abstammung in Deutschland. „Sie sind Opfer rassistischer Diskriminierung durch Klassenkameraden, Lehrer, Arbeitskollegen und erleben strukturelle Diskriminierung durch die Regierung und Strafverfolgungsbehörden“, sagte der Sprecher der Gruppe, Ricardo Sunga III, am Montag in Berlin. Er kritisierte, dass diese besonders gefährdete Bevölkerungsgruppe nicht als solche anerkannt werde und dass aus Rücksicht auf die deutsche Geschichte keine Daten zur Situation bestimmter ethnischer Gruppen erhoben würden. Laut Regierungsangaben lebten rund 800.000 Personen mit afrikanischen Wurzeln in Deutschland. Mangels Datenbasis sei dies aber nur eine Schätzung.
Keine Rechtfertigung für Racial Profiling
Deutliche Worte fand Sunga vor allem für die Arbeit der deutschen Polizei. „Racial Profiling“, also die Kategorisierung von Personen nach ihrer ethnischen Zugehörigkeit, sei in Deutschland „endemisch“, sagte er. Vor allem Männer und Jungen schwarzer Hautfarbe sähen sich tagtäglich mit Polizeikontrollen konfrontiert und müssten damit rechnen, verhaftet zu werden. Kontrollen nach Aussehen sind in Deutschland umstritten. Diskutiert wurde darüber auch nach der Silvesternacht in Köln, in der die Polizei über den Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte, am Kölner Hauptbahnhof würden mehrere hundert „Nafris“ kontrolliert.
Die UN-Experten betonten, für „Racial Profiling“ gebe es keinerlei Rechtfertigung. Die Tatsache, dass deutsche Behörden immer wieder leugneten, „Racial Profiling“ anzuwenden, begünstige außerdem, dass Diskriminierung nicht geahndet werde, so Sunga.
Er hob besonders den Fall Oury Jalloh hervor. Der afrikanische Asylbewerber starb 2005 in Dessau in Polizeigewahrsam. Auch hier gebe es Hinweise auf eine rassistische Voreingenommenheit und Fehlverhalten der Polizei. „Es gab keine unabhängige Untersuchung der Vorgänge“, kritisierte Sunga. Menschenrechtsaktivisten, die in der Sache recherchiert hätten, seien bedrängt worden. Der UN-Vertreter forderte die Behörden auf, eine unabhängige Untersuchungskommission einzusetzen.
Mangelhafte Aufarbeitung des kolonialen Erbes
Kein Verständnis äußerte die UN-Kommission für den Umgang Deutschlands mit seiner kolonialen Vergangenheit. So habe sich Deutschland zwar für den Genozid an den Herero und Nama in Namibia entschuldigt, jedoch keine Entschädigungen geleistet. „Und wie kann es sein, dass deutsche Straßennamen Kolonialisten glorifizieren, die Menschen versklavt haben, und eine U-Bahn-Station den Namen Mohrenstraße trägt?“, fragte Sunga. Menschen afrikanischer Herkunft empfänden das als beleidigend und rassistisch. „Straßen, die nach afrikanischen Helden benannt sind, findet man hingegen kaum.“