Wen der NSU-Ausschuss vorladen will

Erstveröffentlicht: 
25.02.2017

Das Versagen der Landesbehörden: Nun sollen Ex-Innenminister und CDU-Politiker gehört werden

 

Potsdam - Antonia von der Behrens hatte ein klare Botschaft an die Abgeordneten des NSU-Untersuchungsausschusses im Landtag Brandenburg. Sie vertritt nämlich die Familie des 2006 in Dortmund vom NSU-Terrortrio ermordeten Kioskbesitzers Mehmet Kubak. Und die habe „erhebliche Erwartungen“ an den Ausschuss. Denn Brandenburg sei eine Schaltstelle, wegen der Informationen, die der brandenburgische V-Mann Carsten Szczepanski 1998 dem Verfassungsschutz gab. „Die Frage der Familie ist: Hätte der Mord verhindert werden können?“ Nämlich, wenn Brandenburg mit der Information der Quelle anders umgegangen wäre, sie für die Behörden in Thüringen und Sachsen komplett freigegeben hätte. „Wenn ich weiß, wie der Verfassungsschutz die rechte Szene gepimpt und mit V-Leuten aufgeputscht hat, dann wird mir schwarz vor Augen.“

 

Die drei Experten, die am Freitag im Ausschuss angehört wurden, haben sich ihr eigenes Bild von der Rolle des Brandenburger Verfassungsschutzes gemacht. Sie verfolgen permanent den NSU-Prozess in München, sie erlebten, was drei Mitarbeiter des Brandenburger Verfassungsschutzes als Zeugen im Gerichtssaal zu Protokoll gaben oder eben nicht: Szczepanski, dessen V-Mann-Führer, der frühere Brandenburger Verfassungsschützer Gordian Meyer-Plath, der 2013 zum Chef des Sächsischen Landesamtes aufstieg, und der Verfassungsschützer Görlitz, der den Spitzel begleitete.

 

Es waren verstörende, beklemmende Schilderungen, etwa des Journalisten Robert Andreasch: „Wer geglaubt hat, Szczepanski und die Brandenburger V-Mann-Führer beteiligen sich an der Aufklärung, erlebte dann das: Die Brandenburger packen nicht aus, im Gegenteil.“ So habe Szczepanski im Gerichtssaal immer wieder erklärt, dass er sich an nichts erinnern könne, so Andreasch. Allerdings, habe Szczepanski ausgesagt, er sei schon 1991 vom Verfassungsschutz angeworben worden, und nicht erst in der U-Haft 1994, als er wegen versuchten Mordes an einem Nigerianer einsaß. Und er habe gesagt, dass er Artikel in dem von ihm herausgegebenen Neonazi-Blatt vorher dem V-Mann-Führer Verfassungsschutz vorgelegt habe.

 

Der Brandenburger Beamte wiederum, der mehrfach als Zeuge vernommen wurde, vermummt auftrat, konnte sich an nichts erinnern. Auch nicht an den Hinweis von Szczepanski auf das untergetauchte Trio und dessen Waffensuche, nicht an die SMS an Szczepanski aus dem NSU-Helferkreis: „Was ist mit dem Bumms.“ Und der Verfassungsschützer konnte sich auch nicht an das Treffen mit den Behörden aus Sachsen und Thüringen erinnern zum Umgang mit dem Hinweis, „während Thüringer Beamte noch am Abend privat beim LKA-Präsidenten vorbeifuhren, so bedeutsam war es für sie.“ Sein Fazit: „Es ist bitter gewesen, vorgeführt zu bekommen, wie Mitarbeiter des Brandenburger Verfassungsschutzes mit dem Aufklärungsversprechen gegenüber den NSU-Opfern umgehen“, resümierte Andreasch.

 

Und Friedrich Burschel von der Rosa-Luxemburg-Stiftung zog eine Parallele: Man erlebe Brandenburger Verfassungsschützer im Gerichtssaal, die V-Leute führen, „und gleichzeitig politische Bildungsarbeit leisten, vor Schulklassen stehen“, nach dem Slogan: „Verfassungsschutz durch Aufklärung.“

 

Mit den Hinweisen der Experten will der Ausschuss mit der Vernehmung von Zeugen beginnen. Darunter werden wohl die früheren Innenminister Alwin Ziel (SPD) und Jörg Schönbohm (CDU) sein, aber auch andere CDU-Politiker. Dabei geht es etwa um die Rolle von Gordian Meyer-Plath. Linke-Obmann Volkmar Schöneburg fragte, wie Meyer-Plath so schnell zum Referatsleiter im Verfassungsschutz aufsteigen konnte und ob das mit seiner früheren Tätigkeit als Mitarbeiter der CDU-Bundestagsabgeordneten Katherina Reiche zu tun haben, deren Mann, der CDU-Abgeordnete Sven Petke, damals beim Verfassungsschutz tätig war. Und auch der Neonazi Norbert P., der aus der Haftanstalt Frankfurt (Oder) heraus Briefe an den NSU-Terroristen Uwe Mundlos schrieb, nachdem er bei Szczepanski abgeblitzt war, könnte als Zeuge vernommen werden.

 

Für CDU-Obmann Jan Redmann ist am Freitag vor allem deutlich geworden, dass Brandenburg im Münchner NSU-Prozess eine traurige Figur abgegeben, Zweifel bei den Opfern genährt hat, ob das Land überhaupt einen Willen an Aufklärung habe. Grünen-Obfrau Ursula Nonnemacher sprach von einem desaströsen Auftritt der Brandenburger Verfassungsschützer in München. Th. Metzner, A. Fröhlich