Ein anonymer AfD-Freund ist der wichtigste Autor des Wikipedia-Artikels über die Partei. So löschte „Lukati“ reihenweise Bezüge zwischen Björn Höcke und rechtsextremen Kreisen. Unser Autor zeigt die Möglichkeiten der Manipulation am Beispiel „Lukati“ auf.
Die Wikipedia ist ein Paradies für Manipulateure. Erstens kann jeder, sogar ein Kind, einfach so einen Wikipedia-Eintrag ändern, ohne jegliche Voraussetzungen. Wenn man dann was schreibt, wird in der Versionsgeschichte die IP-Adresse angezeigt. Die kann man mit Hilfe von kostenlosen Proxydiensten oder einem Hotspot verschleiern. Oder man legt einfach einen Account an, dann kann man sich einen beliebigen Phantasienamen ausdenken und anstatt der IP-Adresse wird in der Versionsgeschichte nur der Name, der theoretisch aus Zeichensalat bestehen kann, angezeigt.
Jüngst entbrannte in der deutschen Wikipedia ein Streit darüber, dass ein Funktionär der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) in das Schiedsgericht, das wichtigsten Gremium der deutschsprachigen Wikipedia, eingezogen ist. Mehrere Mitglieder des Schiedsgerichts traten daraufhin zurück.
„Magister“ wurde außerdem vorgeworfen, „sich lange schützend vor den inzwischen gesperrten Benutzer PimboliDD gestellt“ zu haben, „der nicht nur durch Vandalismus auffiel, sondern u.a. auch durch einen eher unkritischen Umgang mit Nazi-Literatur und einer Tendenz zur Glorifizierung von NS-Funktionären“, wie der SWR Ende Dezember berichtete.
In der Diskussion um „Magister“ war von „dem Versuch, Wikipedia zu infiltrieren“ die Rede. Ein Wikipedia-Autor behauptete, die AfD versuche, Wikipedia „zu unterwandern“. „Magister“ bereitete auf einer Unterseite seiner Benutzerseite auch einen Entwurf für einen Wikipedia-Eintrag über die AfD-Politikerin Alice Weidel vor. Und hier kommt „Lukati“ ins Spiel. Der anonyme Account war an dem Artikel über Alice Weidel später ein Dutzend Mal am Werk. Noch eine Sache verbindet „Lukati“ mit „Magister“: Als dessen AfD-Mitgliedschaft bereits bekannt war, sprang „Lukati“ ihm in einem Konflikt mit einem dritten Autor bei. Auf der Vandalismusmeldeseite meldete „Lukati“: „Schwerer PA [persönlicher Angriff] gegen Magister“.
Wenn man sich umschaut, wer in der Wikipedia in Sachen AfD Maßstäbe setzt, stößt man relativ schnell auf „Lukati“. Der Wikipedia-Artikel über die AfD wurde, obwohl er das Werk von fast eintausend Autoren ist, zu 10,2 Prozent von „Lukati“ geschrieben. Das ist in der Wikipedia sehr viel bei einem so ausführlichen Artikel. Insgesamt 767 Mal wurde der AfD-Artikel zwischen März 2013 und Mitte Januar 2017 von „Lukati“ geändert. Das wäre nicht weiter ein Problem, hätte dieser Account nicht vielfach Kritisches über die AfD aus Artikeln herausgelöscht, wäre er nicht in mehrere Editierkriege verwickelt und starker Kritik durch andere Wikipedia-Autoren ausgesetzt gewesen.
„Lukati“ löschte auch gleich reihenweise Bezüge zwischen dem AfD-Politiker Björn Höcke und rechtsextremen Kreisen aus der Enzyklopädie. Sogar in Wikipedias anderer Sprachen war „Lukati“ mit dem neuen Globalaccount unterwegs; im „Meta-Wiki“ der Wikimedia Foundation opponierte er gegen eine globale Sperre für den Account „Messina“, dem verschiedene Regelverstöße vorgeworfen wurden.
Jeder Wikipedia-Artikel hat eine Diskussionsseite. Die des Artikels über die AfD wurde natürlich von „Lukati“ angelegt. Dort schrieb er: „In der Einleitung sollte der wissenschaftliche Konsens stehen und der wäre, dass die AfD programmatisch bis dato keine rechtspopulistische Partei ist.“ Im Mai 2015 entfernte „Lukati“ aus dem allerersten Satz des AfD-Artikels die Aussage, die AfD sei eine Partei „mit rechtspopulistischen Zügen“. Schon ein halbes Jahr zuvor hatte der Autor „Kleiner Stampfi“ gewarnt: „Lukati und Eishöhle wollen um jeden Preis aus der Einleitung raus haben, dass die Partei von praktisch allen Medien und einem Großteil der wissenschaftlichen Literatur im Bereich des Rechtspopulismus gesehen wird.“
Der AfD-Artikel war in der Kategorie „rechtspopulistische Partei“ einsortiert. „Lukati“ löschte auch dies. Im Juni 2016 tilgte „Lukati“ einen langen Abschnitt über „Bezüge zu anderen Rechten Organisationen“, der mit vielen seriösen Quellen belegt war. Ebenso im März 2016 die Info, dass die AfD mit „der rechtspopulistischen bzw. rechtsextremen |Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) eine Kooperation (‚Blaue Allianz’) vereinbart“ hat. Schließlich löschte er einen langen Abschnitt, der sich mit der AfD als Protestpartei befasste und sich auf mehrere seriöse Quellen berief. Aus einer „Kleinpartei“ machte „Lukati“ eine „Partei“, „EU-skeptische“ änderte er in „EU-kritische“. Die Liste lässt sich lange fortführen.
Um PR durch Unternehmen oder Politiker transparent zu machen, hat die deutsche Wikipedia verifizierte Accounts geschaffen. Institutionen können sich über ihre E-Mail-Adresse verifizieren, so dass klar ist, wer hinter einem Account steht. Alle großen Parteien verfügen inzwischen über jeweils gleich mehrere verifizierte Benutzeraccounts bei Wikipedia. Nur eine Partei nicht: Die AfD. Es wäre überraschend, wenn ausgerechnet die in Sachen Social Media so gut aufgestellte AfD die einzige Partei wäre, die gar nichts bei Wikipedia macht.
„Lukati“ ist nicht nur der wichtigste Autor des Wikipedia-Artikels über die AfD, sondern hat darüber hinaus maßgebliche Teile der Wikipedia-Einträge über die bekanntesten AfD-Politiker verfasst. Bei diesen ist „Lukati“ in der Regel immer unter den Top 3 der Autoren, was die Zahl der Editierungen betrifft. Die anderen beiden Autoren an der Spitze der AfD-Schreiber haben sich in der Debatte um „Magister“ kritisch zu Wort gemeldet oder sind in Sachen Manipulation für die AfD eher unverdächtig. Der dritte im Bunde ist „Lukati“.
Drei Mal wurde Lukati wegen „Beteiligung an einem Edit-War gesperrt. Im Jahr 2014, im Juli 2015 und zuletzt am 10. Januar 2017. „Lukati“ warf sich bei den Editierkriegen immer ausschließlich für die AfD ins Zeug, obwohl er auch in anderen kontroversen Artikeln wie „Anis Amri“, oder „Sexuelle Übergriffe in der Silvesternacht 2015/16“ editierte.
Bei „Lukati“ zweiter Sperre schrieb der zuständige Administrator „JD“ als Begründung für „Lukatis“ Sperre: „erneut in AfD; konsensfernes Editieren trotz Warnung“. Dazu verlinkte „JD“ eine Spezialseite der Wikipedia, auf der Vandalismusmeldungen eingetragen werden. Dort heißt es zu „Lukati“: „Führt Edit-War im Artikel Alternative für Deutschland wenige Stunden nach dessen Öffnung fort“. Vier Edits von „Lukati“ führten zu einer „Vollsperrung des Artikels“ über die AfD.
„Lukati“ hatte eine Textstelle im AfD-Artikel umgeschrieben. In dem Abschnitt ging es um einen Sachverhalt, zu dem in den Fußnoten des Artikels ein Buchbeitrag des Historikers Helmut Kellershohn zum Thema „Die AfD, die jungkonservative Neue Rechte und die Demokratiekritik von Rechts“ verlinkt war. „Lukati“ schrieb den Abschnitt mehrfach in seinem Sinne um. Konsens der Autoren zuvor war aber, dass die bisherigen Aussagen in dem Artikel zu dem Punkt so bleiben sollen. Als die Änderung „Lukati“ unter anderem von dem Benutzer „JosFritz“ rückgängig gemacht wurde, setzte „Lukati“ diese Version wieder zurück und stellte seine wieder her. Nach dem Editierkrieg wurden die Edits von „Lukati“, wie der Administrator „EH“ auf der Vandalismusmeldeseite vermerkte, zurückgesetzt.
Auf der Diskussionsseite des AfD-Artikels schrieb der Autor „Alleskoenner“ auf einen Beitrag von „Lukati“ hin, mit einem anderen Beitrag „Lukatis“ sei dessen „Nähe zur AfD wohl relativ eindeutig nachgewiesen“. Es sei „verständlich, dass man seine politische Meinung möglichst gut in den Artikeln repräsentiert haben möchte, aber das sei nunmal kein NPOV [Neutral Point Of View, Grundregel von Wikipedia] - und somit regelwidrig“.
Mal übte der „Miltrak“, zusammen mit „JosFritz“, einer der Autoren, die zusammen mit „Lukati“ am meisten in den Artikeln über AfD-Politiker editiert haben, auf einer Unterseite der Wikipedia Kritik an „Lukati“. Dieser habe im Höcke-Artikel einen „Link auf den politischen PR-Kanal der als rechtspopulistisch geltenden Protestpartei AfD“ gesetzt. Lukati verlinkte den Enzyklopädie-Artikel mit einem Youtube-Video von „AfD-Landtags-TV“, dem Youtube-Kanal der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag. „Lukati“ sah die Kritik gelassen: „Mir ist es relativ egal, ob dieses Video drin ist oder nicht. Gross gestört hat es offenbar bisher niemanden.“ Er habe „keine Angst, dass Leser durch einen Link auf ein Video ideologisch irreversibel geschädigt werden“.
2013 schrieb jemand von über eine IP-Adresse aus auf der Diskussionsseite zum Eintrag zur AfD: „Ich erlaube mir hier mal ein kl. Ansprache an Herrn Lukati: er versucht offenbar, den Umstand, dass die AfD und namentlich Lucke am rechen Rand fischt, aus dem Artikel raus zu kriegen. Mit irreführenden Edit-Kommentaren löscht der Herr immer wieder die bequellte Tatsache“. „Lukati“ versuche, „die Aussage nicht einfach zu löschen sondern durch einen anderen Text zu substituieren“.
„Lukati“ ging äußerst geschickt vor. Er gab nie nach und deshalb konnte er sich mit seinen Positionen am Ende oft zum Teil durchsetzen. Seine zahlreichen Einwände mussten erst einmal in langen Diskussionen abgearbeitet werden. So lange bleiben seine vorherigen Änderungen erst einmal stehen und Wikipedia-Besucher lasen es. Zum Teil nahm „Lukati“ Änderungen so vor, dass in der Versionsgeschichte schwer nachvollziehbar ist, was genau geändert wurde. Das Werks von „Lukati“ in der Enzyklopädie ist immens: Seit 2012 wurden von dem Account aus insgesamt 6.981 Mal Wikipedia-Einträge editiert und 97 neue Artikel angelegt.
Wie „Lukati“ so unterwegs war, zeigt folgendes kleines Beispiel. Am ersten Weihnachtsfeiertag 2014 schrieb der Autor „Kleiner Stampfi“ auf der Diskussionsseite des Wikipedia-Artikels über die AfD: „Der Account Lukati hat mal wieder versucht, auf eigene Faust die Einleitung des Artikels nach seinem Willen umzugestalten ... jetzt schnell, still und heimlich über die Feiertage, wo es keiner merkt, weil die meisten anderen Artikelautoren feiertagsbedingt abwesend sind, und das ohne auch nur einen einzigen Mucks hier auf der Diskussionsseite dazu zu hinterlassen.“
„Sie wollen ins Parlament und Wikipedia wird dafür benutzt.“
„Lukati“ war es, der den eigenständigen Artikel über die AfD in der englischsprachigen Wikipedia anlegte und hierfür AfD-Slogans übersetzte. In einer Infobox stufte er die AfD für die US-Wikipedia-Leser als „euroskeptisch“, „liberal“ und „konservativ“ ein. Zudem verlinkte er einen „Welt“-Artikel, demzufolge sich 25 Prozent der Bundesdeutschen vorstellen könnten, AfD zu wählen. Auch im englischen Artikel löschte „Lukati“ Kritik. Einem anderen Autor schrieb er: „Ich hoffe Du fühlst Dich nicht allzu sehr angegriffen dadurch, dass ich Deinen Kritikabschnitt entfernt habe“.
In dem Abschnitt ging es um Kritik von Ökonomen an der Europolitik der AfD. „Lukati“ kam es offenbar gerade darauf an, Kritik aus dem Artikel fernzuhalten. Einmal sprach er davon, „das Hauptargument dafür, die Kritik herauszulassen“ sei, „dass die Inklusion gegen eine Reihe von grundlegenden Wikipedia-Prinzipien“ verstoße. Welche Regeln sagte „Lukati“ nicht. Je mehr man die AfD behandele „wie jede andere deutsche Partei, desto ausgewogener wird der Anteil“, war „Lukati“ im Mai 2013 der Ansicht. Der englischsprachige Wikipedia-Artikel über die AfD wurde seit Juli 2015 insgesamt 760.000 Mal aufgerufen. Nachdem „Lukati“ einen neuen Thread eröffnete und zu Vorschlägen für Links, die gelöscht werden sollen, aufrief, äußerte Autor „The Banner“ auf der Diskussionsseite: „Meiner Meinung nach ist dieser ganze Artikel politische Propaganda. Sie wollen ins Parlament und Wikipedia wird dafür benutzt.“
Den Wikipedia-Eintrag über die AfD in der deutschsprachigen Wikipedia hingegen kann man nicht so leicht unbeobachtet verändern, weil er von vielen Autoren beobachtet wird. Äußerst aktiv war „Lukati“ auch bei den Wikipedia-Einträgen über einzelne AfD-Persönlichkeiten, die weniger Autoren unter Beobachtung haben und wo man schneller mal etwas unbemerkt ändern kann. In einer der endlosen Diskussionen schrieb der Autor „Oltau“: „Aus meiner Sicht sollte das hinein, nur Lukati scheint noch dagegen. Bei der AfD Brandenburg hat er den Absatz wieder gelöscht, obwohl es dort durchaus relevant ist.“ „Lukati“ hatte in dem Artikel über die AfD Brandenburg einen ganzen Abschnitt entfernt, in dem aufgeführt wurde, welche Politiker des Landesverbandes eine rechte Vergangenheit in anderen Parteien wie etwa den Republikanern haben. Belegt war der Abschnitt mit verschiedenen Presseberichten, unter anderem des Spiegel.
Ein anderes Mal lieferte „Lukati“ sich einen Editierkrieg um einen Abschnitt, in dem es hieß: „Deutsche Journalistenverbände kritisierten mehrfach, dass Journalisten und Journalistinnen von AfD-Mitgliedern angegriffen und bedroht und aus öffentlichen Veranstaltungen herausgedrängt worden seien.“ Belegt war dies mit gleich mehreren tauglichen Quellen, unter anderem einem Bericht des öffentlich-rechtlichen NDR. „Das geht überhaupt nicht, dass kritische Aussagen über die AfD, die unter anderem wir getätigt haben und die ja auch belegt sind, herausgelöscht werden“, sagt Hendrik Zörner, Pressesprecher des Deutschen Journalisten-Verbandes. „Wer auf Wikipedia über die AfD lesen will, muss sich umfassend informieren können, das heißt, er muss mindestens beide Seiten kennenlernen und zu der kritischen Seite gehört auf jeden Fall unsere Stimme, weil wir immer wieder Verstöße von AfD-Politikern gegen die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung beklagen müssen“, so der DJV-Sprecher. „Lukati“ ging noch weiter und schlug vor, man könne doch „einen eigenen Abschnitt ‚Gewalt gegen die AfD’ (entweder vor oder nach nach dem Abschnitt über die Medien) aufmachen“.
„Lukati“ löschte so oft einfach so, dass ihm einmal sogar jemand vorwarf, er dürfe „kritische Inhalte nicht selbstherrlich löschen“. Die IP-Adresse hatte „Lukati“ wegen Vandalismus gemeldet und war der Ansicht dieser lösche „fröhlich gut bequellte Infos in einem .. AfD-Artikel“, in diesem Fall über die AfD Niedersachsen. Jahrelang ging das so.
Einmal schrieb „S.F.“: „Lukati hat bereits gestern JosFritz als Vandalen gemeldet. Es war aber nachweislich Lukati, der auf eine Zeitungsente reingefallen ist. Auf Grundlage dieser Ente, die er nicht gegengeprüft hatte, wurden von Lukati umfangreiche Artikeländerungen vorgenommen. JosFritz, der diese Änderungen rückgängig gemacht hatte, wurde daraufhin von Lukati als Vandale gemeldet. Statt sich jetzt für seinen Irrtum und für die Vandalismusmeldung gegen JosFritz zu entschuldigen, zerrt er ihn ein zweites Mal hierher. … Lukatis Kleinkrieg nimmt immer absurdere Züge an.“
„Lukati“ ist nur ein Name. „Lukati“ kann alles sein. Möglicherweise handelte „Lukati“ auch nicht alleine. Manchmal sprangen ihm in Diskussionen Accounts bei, bei denen sich ebenso wenig herausfinden lässt, wer sie bedient. Als es einmal um den Einbau einer Studie der Fachhochschule Düsseldorf zu Rechtspopulismus in den Artikel ging, schrieb der Autor „fwevrebeafc“ auf der Diskussionsseite, er sei „schon gespannt, welche Ausreden von den AfD-Fans hier kommen werden, wenn die nächste Studie zur Debatte steht“.
Am 14. März 2016 legte „Lukati“ innerhalb weniger Stunden Wikipedia-Artikel über zahlreiche AfD-Politikerinnen und -politiker an. Das zeigt, wieviel Elan er in die Sache steckte. Innerhalb von gut vier Stunden bescherte „Lukati“ an jenem Tag 18 AfD-Politikerinnen und Politikern, meist aus Baden-Württemberg, einen eigenen Eintrag in der Online-Enzyklopädie.
Aus dem Wikipedia-Eintrag über Björn Höcke löschte „Lukati“ an vielen Stellen Informationen, die den AfD-Politiker nicht in einem guten Licht stehen ließen, aber zutrafen und auch relevant waren. Mehrfach sorgte „Lukati“ dafür, dass, wenn in dem Eintrag das Wort „rechtsextrem“ oder „NPD“ auftauchte, dies wieder verschwand. Das Schema zieht sich durch alle Änderungen „Lukatis“ an dem Höcke-Artikel, den er 173 Mal änderte.
Der Autor „S.F.“ schrieb auf der Diskussionsseite zu dem Artikel über Höcke an „Lukati“ gerichtet: „Das Ganze geht in Richtung Reinwaschung, lieber Lukati. Du gibst hier eher die NPD-Version als die NPOV -Version wieder“. Am 20. Mai 2015 um 2.26 Uhr nachts änderte „Lukati“ eine Zwischenüberschrift in dem Höcke-Artikel von „Verdacht der Autorenschaft in rechtsextremen Publikationen“ in „Konflikte mit dem AfD-Bundesvorstand“.
Am 22. September 2015 um 22 Uhr und am nächsten Morgen um 6 Uhr änderte „Lukati“ eine Zwischenüberschrift von „Hinweis auf Autorenschaft in Zeitschriften des rechtsextrem-neonazistischen Umfeld der NPD“ in „Hinweise auf die Autorenschaft in Zeitschriften des neonazistischen Umfelds der NPD“. Ein anderes Mal strich „Lukati“ aus dem Höcke-Artikel die Zwischenüberschrift „Amtsenthebungsverfahren wegen Äußerungen zu NPD-Mitgliedern“ komplett heraus. Ein weiteres mal, im Oktober 2015 änderte „Lukati“ eine Überschrift, die sich auf Höcke bezog, von „Verortung im rechten und rechtsextremen Spektrum“ zu „Verortung im rechten Spektrum“.
Der Artikel über den AfD-Politiker Björn Höcke, Fraktionschef der AfD in Thüringen, stammt zu 14,2 Prozent aus der Feder von „Lukati“. Dabei macht die Qualität in Wikipedia nicht unbedingt die Masse aus. Ein Wort kann es sein, dass den Unterschied macht. Das in der Nacht mal eben geändert wird, wenn es keiner merkt.
Doch wer steckt hinter dem Account „Lukati“? Im Reallife ist in der Wikipedia-Community nicht bekannt. Auch sonst ist nichts über ihn herauszufinden. Nur, dass auf seiner Benutzerseite unter anderem ein kaputter Zähler zu sehen ist, der angibt, dass „Lukati“ seit null Tagen bei Wikipedia sei. „Welche Informationen ein Benutzer oder eine Benutzerin über sich selbst Preis gibt, liegt bei allen Wikipedia-Benutzenden ausschließlich in deren eigenem Ermessen“, heißt es auf Anfrage beim Verein Wikimedia Deutschland, der hinter der deutschen Wikipedia steht. Man habe zu „Lukati“ „keinerlei weiteren Informationen“ vorliegen, „die nicht in den öffentlichen Artikeln, Diskussionen oder Benutzerkonten einsehbar sind“.
Auch muss man wissen: Dadurch, dass „Lukati“ bei Wikipedia komplette Anonymität genießt, kann niemand seine wahre Identität erfahren. Anders als mit geheimdienstlichen Mitteln käme man nicht dahinter, wer hinter dem Account steckt. Diese Ausgangsbasis ist entscheidend, wenn es darum geht, inwieweit sich überhaupt sichtbar machen lässt, welchen Einfluss Parteien im Allgemeinen und die AfD im Besonderen auf die Wikipedia ausüben.
Nach den Wikipedia-Regeln müsste die AfD dies offen legen, wenn sie Personen für bezahltes Schreiben engagiert. Die AfD-Bundespartei wollte sich auf Anfrage jedoch gar nicht zum Thema Wikipedia äußern. Höckes AfD-Fraktion in Thüringen und der NRW-Chef der AfD, Marcus Pretzell, erklärten auf Anfrage, man wisse nicht, wer sich hinter „Lukati“ verbirgt und habe auch niemanden mit Wikipedia-Änderungen beauftragt. „Ich kümmere mich nicht um Wikipedia“, so Pretzell. Bei dem Wikipedia-Eintrag über Pretzell gehen 18,2 Prozent aller Änderungen auf das Konto von „Lukati“. Das ist der höchste Wert, auf den „Lukati“ bei einem Wikipedia-Eintrag eines bekannten AfD-Politikers verweisen kann.
Ist „Lukati“ doch nur ein Hobby-Autor, der der AfD einfach nur zugeneigt ist? Dagegen spricht jedenfalls, wieviel Zeit, Ressourcen und Energie „Lukati“ über Jahre aufwenden konnte, um die Inhalte der Wikipedia im Sinne der AfD zu verändern. Leider war es nicht möglich, „Lukati“ selbst zu fragen. In jedem Wikipedia-Account kann man den Versand von Nachrichten von anderen Benutzern abstellen. „Lukati“ hat dies womöglich getan. Auf eine Anfrage auf seiner Benutzerdiskussionsseite reagierte „Lukati“ ebensowenig. Während der Recherchen in seinem Umfeld stellte „Lukati“ seine Editierungen ein. Seit dem 24. Januar 2017 hat „Lukati“ keine Edits mehr getätigt, obwohl der Account sonst quasi täglich bei Wikipedia aktiv war.
Wer sich hinter „Lukati“ verbirgt, wird wahrscheinlich nie herauskommen. Nur fünf Checkuser können in der deutschen Wikipedia in engen Ausnahmefällen z. B. bei Vandalismus die IP-Adresse, über die sich in ein Account eingeloggt wird, herausfinden. Auch die Wikimedia Foundation in den USA als Betreiberin von wikipedia.org kann Checkuser-Abfragen durchführen. Ein Checkuser kann nur dann tätig werden, wenn ein Regelverstoß vorliegt und die Wikipedia-Community mit einem entsprechenden Beschluss die Checkuser damit beautragen würde, „Lukatis“ IP-Adresse zu ermitteln. Doch dafür müsste ein Regelverstoß vorliegen, bei dem das Herausfinden der IP-Adresse überhaupt Sinn machen würde, denn nicht bei jedem Regelverstoß ist die Ermittlung der IP-Adresse im Rahmen eines Checkuserverfahrens erforderlich.
Politisch-inhaltliche Aussagen oder das Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis der Identität von „Lukati“ fallen nach dem Wikipedia-Regelwerk nicht darunter. Selbst wenn ein Checkuser im Fall „Lukati“ tätig werden würde, könnte es sein, dass er nicht mehr als auf eine IP-Adresse stößt, die lediglich Aufschluss darüber gibt, dass „Lukati“ einen Anschluss bei Provider X in Region Y genutzt hat. Die Wikipedia bleibt eben auch beim Thema AfD, was sie ist: Ein Paradies für Manipulateure.