Der Beamte hat einen jungen Demonstranten geschlagen - das steht fest. Darüber, ob er das durfte, sind sich selbst Gerichte nicht einig.
Der Vorfall, um den es geht, ist morgen auf den Tag zwei Jahre her und hatte für viel Aufsehen gesorgt. An dem Montagabend im Februar 2015 hatten sich Pegida-Anhänger an der Brückenstraße versammelt. Wenige Schritte weiter in Richtung Straße der Nationen protestierten linke Demonstranten dagegen. Einer von ihnen hatte sein Gesicht verhüllt - ein Verstoß gegen das von der Stadt auferlegte Vermummungsverbot.
Zwei Bereitschaftspolizisten zerrten den damals 16-Jährigen aus der Menge und führten ihn ab, die Treppe am Marx-Monument hinauf. Als sich der hochgewachsene junge Mann auf den Stufen aus seiner gebückten Haltung aufrichtete, schlug ihm einer der deutlich kleineren Polizisten mit der Faust in die Magengegend. Es wirkte: Der Demonstrant ging kurz in die Knie und ließ sich widerstandslos weiter abführen.
Diese Szene, von einem Kameramann gefilmt und im Internet veröffentlicht, brachte dem damals 28-jährigen Beamten den Vorwurf des "Prügelpolizisten" ein. Die Staatsanwaltschaft warf ihm Körperverletzung im Amt vor - nicht zum ersten Mal. Bereits im September 2014 soll er in der Nähe des Roten Turms einen angetrunkenen, damals 33-jährigen Disko-Heimkehrer geschlagen haben, als sich dieser nicht ausweisen wollte.
Das Chemnitzer Amtsgericht sprach den Bereitschaftspolizisten 2015 in zwei Verhandlungen in beiden Fällen schuldig und verurteilte ihn zu Geldstrafen von 8450 Euro wegen Körperverletzung im Amt am Roten Turm beziehungsweise 3900 Euro wegen des Faustschlags an der Brückenstraße. Dafür drohten dem Beamten zudem dienstliche Konsequenzen von entgangenen Zuschlägen über Degradierung bis zur Entlassung. Er legte gegen beide Urteile Berufung ein, gegen das im Fall am Roten Turm tat das auch die Staatsanwaltschaft.
Im Februar 2016 saß er deswegen im Landgericht, das über beide Fälle zusammen verhandelte, zum dritten Mal auf der Anklagebank. Diesmal wurde er von allen Vorwürfen mit der Begründung freigesprochen, dass Polizisten im Amt Körperverletzungen begehen dürfen - wenn es die Situation erfordert und ihr Gewalteinsatz angemessen ist. Dabei folgte das Gericht auch Zeugenaussagen von Polizeiausbildern, wonach Faustschläge in die Rippengegend ein taktisches Mittel zum Brechen von Gegenwehr sind.
Der Freispruch wegen des Vorfalls vom September 2014 ist inzwischen rechtskräftig. Zum Urteil wegen des Faustschlags an der Brückenstraße beantragte die Staatsanwaltschaft Revision, der das Sächsische Oberlandesgericht im Juli 2016 stattgab. Es sei fraglich, ob Zwangsmittel gegen den Demonstranten beim Abführen überhaupt noch gerechtfertigt waren, begründete eine Sprecherin. In der Revisionsverhandlung entscheidet morgen eine andere Kammer des Landgerichts als vor einem Jahr, ob es beim Freispruch bleibt oder ob der Beamte doch schuldig gesprochen wird.