Das Leipziger Jugend-Kulturzentrum "Conne Island" ist rechtswidrig vom Sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz überwacht worden. Das geht aus einem jetzt veröffentlichten Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden hervor. Die illegale Aktion fand bereits 1999 und 2000 statt. Pikant: Das Kulturzentrum wurde erst knapp 14 Jahre später darüber informiert - und reichte daraufhin Klage ein.
Keine stichhaltige Begründung für die Überwachung
Im Mai 2014 hatte Sachsens Verfassungsschutz das "Conne Island" darüber
informiert, dass bereits von Februar 1999 bis zum Oktober 2000 der
Telefonanschluss abgehört und die Post geöffnet wurde. Begründung: Es
bestand der Verdacht, dass linke Gruppen aus dem Umfeld des
Kulturzentrums Straftaten gegen die freiheitliche demokratische
Grundordnung Deutschlands geplant hätten.
Im "Conne Island" war
man entsetzt, wurden nach Ansicht des Trägervereins doch monatelang
Grundrechte von Mitarbeitern und Helfern, Gästen, Künstlern, Politikern
und Geschäftspartnern massiv verletzt. Diese Auffassung teilte nun auch
das Verwaltungsgericht Dresden. Es erklärte die Überwachung für
unverhältnismäßig, weil sie vom Verfassungsschutz nicht ausreichend
begründet werden konnte. So konnte der Verdacht nie bestätigt werden, es
gab weder Anzeigen noch Strafverfahren.
Mehr als nur ein moralischer Sieg
Für das "Conne Island" ist das Gerichtsurteil in erster Linie ein moralischer Sieg, wie Geschäftsführerin Tanja Rußack auf MDR-Anfrage erklärte. Denn konkrete Folgen hat es nicht. Zudem arbeiten nur wenige der damaligen ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter noch dort. Dennoch misst Rußack dem Verfahrensausgang eine große Bedeutung bei, weil dieser nach ihrer Ansicht ein Schlaglicht auf die Arbeitsweise des Geheimdienstes wirft und damit zugleich auf die Frage nach seiner Existenzberechtigung.
Es ist notwendig, die Debatte über den Sinn eines unkontrollierbaren, ineffektiven und undemokratischen Geheimdienstes erneut zu beleben und die Abschaffung des Verfassungsschutzes zu fordern.
Tanja Rußack Geschäftsführerin des "Conne Island" Leipzig
Rußack: Links wurde überwacht, Rechts konnte morden
Die Geschäftsführerin verweist darauf, dass damals nicht nur das "Conne Island", sondern zwischen 1996 und 2001 auch die Leipziger Buchhandlung "El Libro" sowie weitere Gruppen und Einzelpersonen vor allem aus der linksalternativen Szene überwacht wurden. Im gleichen Zeitraum, in dem Personen und Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus und Neonazis engagierten, ausspioniert worden seien, habe sich das Netzwerk des Nationalsozialistischen Untergrunds organisieren und von Sachsen aus morden können, sagt Rußack und wirft Sachsens Verfassungsschutz Willkür vor. So taucht das "Conne Island" im Verfassungsschutzbericht 2013 als linker Szenetreff auf.
Widerständen trotzen
Die bis zu 250 ehrenamtlichen Helfer und gut 15 hauptamtlichen Mitarbeiter des "Conne Island" fühlen sich der Geschäftsführerin zufolge wegen ihres Engagements zu Unrecht kriminalisiert und häufig Anfeindungen ausgesetzt. Dennoch wird das inzwischen seit rund 25 Jahren bestehende Kulturzentrum im Leipziger Stadtteil Connewitz seine Arbeit unbeirrt fortsetzen, wie Rußack betont.
Offene Fragen
Warum die Überwachung des "Conne Island" so lange geheim gehalten wurde und welche Schlussfolgerungen der sächsische Verfassungsschutz aus dem Urteil zieht, ist unklar. Die Antwort auf eine entsprechende MDR-Anfrage steht derzeit noch aus.