Silvester in Frankfurt „Bild“-Kniefall nach Sex-Mob-Lüge

Erstveröffentlicht: 
15.02.2017

Nach dem Sex-Mob, den es nie gab, geht die „Bild“ mit sich selbst hart ins Gericht. Das Boulevardblatt entschuldigt sich ausdrücklich für die nicht wahrheitsgemäße Berichterstattung.

 

Es muss mächtig Krach gegeben haben in der Frankfurter Redaktion der „Bild“. Jedenfalls legt das die Aufmachung des Lokalteils der Zeitung am Mittwoch nahe. „Entschuldigung in eigener Sache“, heißt es da als Überschrift über fast die gesamte Breite der Seite. Darunter folgt ein Text, den man getrost als Selbstbezichtigung bezeichnen kann. Die Übergriffe in der Silvesternacht auf der Freßgass, von denen das Boulevardblatt am 6. Februar berichtet hatte, „haben so nicht stattgefunden“, steht dort etwa. Oder auch: „Die Bild-Redaktion entschuldigt sich ausdrücklich für die nicht wahrheitsgemäße Berichterstatttung über die erhobenen Anschuldigungen gegen die Betroffenen.“ Danach folgt die Berichterstattung der Nachrichtenagentur dpa über den Fall – quasi als Text einer neutralen Instanz. Und viel weiter unten auf der Seite steht dann die für Frankfurt auch nicht ganz unbedeutende Nachricht, dass Bernadette Weyland für die CDU bei der Oberbürgermeister-Wahl antreten wird.

 

Selbst langjährige Leser der „Bild“ können sich nicht daran erinnern, dass das Blatt schon einmal einen derartigen Kniefall hingelegt hat. Ohne Not, wohlgemerkt. Anders als in anderen Fällen wurde die „Bild“ nicht etwa zu einer Gegendarstellung genötigt. Der eigenen Chefredaktion stieß die Berichterstattung über den Wirt Jan Mai, der von Übergriffen in seiner Gaststätte „First In“ berichtet hatte, derart übel auf, dass sie sich zu der Entschuldigung entschloss. In der Online-Ausgabe erschien der Text bereits am Dienstagmittag. Nahezu zeitgleich mit der Pressemitteilung, in der die Frakfurter Polizei feststellt: Die Vorwürfe, arabisch aussehende Männer hätten sich an Silvester in der Freßgass als Mob zusammengeschlossen, Gäste bestohlen und Frauen angegrabscht, „sind haltlos und entbehren jeder Grundlage“.

 

In den sozialen Medien tat sich vor allem Julian Reichelt als Kritiker an der Berichterstattung in der eigenen Zeitung hervor. Der 36-Jährige, der kürzlich vom Chef der Onlineausgabe zum Vorsitzenden der „Bild“-Chefredakteure aufstieg, machte auf Twitter unmissverständlich deutlich, was er von dem in der vergangenen Woche erschienenen Artikel hält. „Ich werde zeitnah mitteilen, welche Konsequenzen @BILD daraus zieht“, twitterte er. Und auch die veröffentlichte Entschuldigung endet mit einem Satz, der in der Medienbranche als Drohung aufgefasst wird: „Bild wird intern klären, wie es dazu kommen konnte.“

 

Auch in Foren wie dem „Bildblog“, der sich kritisch mir dem Boulevardblatt auseinandersetzt, schlug das Thema hohe Wellen. Derweil greift die rechte „Junge Freiheit“ die Klarstellung der Polizei eher zurückhaltend auf. In den Kommentaren der Leser heißt es unter anderem: „Wo Rauch ist, ist auch immer Feuer.“ Oder: „Ein fader Nachgeschmack bleibt dennoch, weil ich es der Politik und der Polizei durchaus zutraue, Übergriffe zu vertuschen.“

 

Und auch international sind die nie stattgefundenen Übergriffe von Frankfurt mittlerweile Thema. So berichtet die „Washington Post“ darüber. Verwunderlich ist nur die Illustration des Textes in der Onlineausgabe. Das Bild zeigt Polizisten mit Maschinengewehren am Rhein-Main-Flughafen.