Tierversuche in Hamburg - Liste der Qualen veröffentlicht

Sie wollen keine Tierversuche: Die rund 40 Demonstranten haben eine klare Botschaft Foto: JOTO
Erstveröffentlicht: 
13.02.2017

Tierschützer haben Informationen über Tierversuche des Unternehmens LPT in einer Broschüre zusammengefasst. Das Unternehmen schweigt

 

Von: Andrea Scharpen

 

Darüber, was genau hinter dem mit Stacheldraht gesicherten Metallzaun passiert, schweigt das Laboratory of Pharmacology and Toxicology (LPT). Das kommerzielle Tierversuchslabor in Neugraben antwortet nicht auf Presseanfragen und die Internetseite des Unternehmens ist mit einem Passwort geschützt. „LPT macht mit heftigsten Gräueltat Profit“, sagt die Tierschützerin Martina Kunze von der Initiative LPT-Schließen. „Die Öffentlichkeit soll das nicht mitbekommen.“ Um an Informationen über die Versuche zu kommen, hat die Initiative wissenschaftliche Publikationen in Fachmagazinen ausgewertet – und nun in einer Broschüre veröffentlicht.

 

Demnach habe das Hamburger Unternehmen in seinen Labors beispielsweise getestet, ob ein Unkrautvernichtungsmittel die Augen von Kaninchen reizt. Dafür werden die Tiere in einen sogenannten Rabbit Restrainer eingespannt, einen Kasten, aus dem nur der Kopf des Kaninchens heraus guckt. Die Versuchstiere können sich so nicht die Chemikalie aus den Augen kratzen. Auftraggeber sei in diesem Fall die Bayer AG gewesen. Das Ergebnis: Die Kaninchen erlitten schwere Hornhauttrübungen und die Substanz wurde „als sehr augenschädigend eingestuft“. So jedenfalls steht es in der Broschüre der Tierschützer.

 

Genehmigen muss solche Tests in Hamburg die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz. Wenn alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, muss die Behörde zustimmen. „Ein Ermessensspielraum besteht nicht“, sagt Behördensprecher Rico Schmidt. Gravierende Verstöße gegen das Tierschutzgesetz seien bei LPT bisher nicht festgestellt worden.

 

Insgesamt genehmigte die Behörde im vergangenen Jahr 394 Versuchsvorhaben. Neben dem Unternehmen LPT machen beispielsweise die Universität Hamburg oder das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin Versuche an Tieren.

 

Für LPT liegen der Behörde für 2015 konkrete Zahlen vor: In dem Jahr verbrauchte das Unternehmen 42.175 Mäuse, 39.919 Ratten, 845 Meerschweinchen und 142 Goldhamster. In einer früheren Version seiner Webseite warb das Unternehmen damit, dass es Kapazitäten für 500 Affen, 10.000 Mäuse, 12.000 Ratten, 1.500 Hunde, 100 Katzen, 200 Hamster und 500 Meerschweinchen besitzt.

 

Gerade die Versuche mit Hunden und Affen stoßen bei den Tierschützern auf Widerstand. In ihrer Broschüre beschreiben sie etwa einen Vergleichsversuch, bei dem das Suchtpotential von zwei verschiedenen Schlafmitteln an Javaner-Affen getestet worden sei. Nach Verabreichung der Stoffe mit einer Magensonde sollen einige Tiere Symptome wie Zittern, Grimassenschneiden, Krämpfe und Erbrechen gezeigt haben.

 

Ob solche Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind, ist umstritten. „Es ist damit nur die Giftigkeit für eine bestimmte Tierart bewiesen“, sagt Kunze. Es gebe längst alternative Methoden, etwa das Züchten von Zellkulturen, die Tests an der Haut von Kaninchen überflüssig machten. Doch Unternehmen wie LPT hätten ein großes Interesse an immer mehr Versuchen. „Damit kann man gutes Geld machen“, sagt Kunze.

 

Das sieht auch Stephan Jersch von der Linken so: „Die Anzahl der Tierversuche ist nicht gesunken, obwohl die Wissenschaft es zum Teil möglich gemacht hat, diese zu ersetzen.“ Er war deshalb gestern bei einer Demonstration der Initiative LPT-Schließen in Neugraben dabei – alle zwei Wochen wird hier demonstriert. Rund 40 Menschen seien gestern vor das Tor des Unternehmens gezogen, schätzt Jersch. „Auch wenn die Versuche rechtlich legal sind, moralisch vertretbar sind sie nicht.“

 


 

Laut Tierschutzgesetz dürfen Tierversuche nur durchgeführt werden, wenn sie unerlässlich sind, also ohne Alternative.

Als unerlässlicher Zweck gelten etwa medizinische Grundlagenforschung, Forschung mit dem Ziel der Erkennung oder Behandlung von Krankheiten bei Menschen und Tieren oder der Schutz der Umwelt. Zudem können Stoffe, Arzneimittel, Lebens- und Futtermittel durch Tierversuche auf ihre Unbedenklichkeit geprüft werden.

Seit 2013 ist es in der EU verboten, Kosmetikprodukte zu verkaufen, deren Inhaltsstoffe an Tieren getestet wurden.

Entspricht ein Antrag für Tierversuche den Vorgaben, müssen die kommunalen Behörden die Tests erlauben.

In Hamburg gibt es seit 2016 einen Forschungspreis zur Förderung der Entwicklung von Alternativen zu Tierversuchen, der mit 20.000 Euro dotiert ist.