Neonazi als AfD-Mitarbeiter: Rechte beschäftigen noch Rechteren

Erstveröffentlicht: 
09.02.2017

KARLSRUHE taz | Wirbel um die AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag: Sie hat einen Neonazi angestellt. Zudem lehnt ein Mitglied eine Erklärung gegen Antisemitismus ab.

 

Von Benno Stieber

 

Gerade noch hat der Fraktionschef der AfD im Stuttgarter Landtag, Jörg Meuthen, geklagt, dass seine Leute „fast schon in die Neonazi-Ecke“ gestellt würden. Er verwahre sich dagegen, dass der SPD-Fraktionsvorsitzende die AfD als „Schande für das Parlament“ bezeichnete. Doch während Meuthen im Plenarsaal die AfD als verfolgte Unschuld darstellt, bestätigt die Verwaltung des Landtags, dass die AfD-Fraktion einen umstrittenen Mitarbeiter beschäftigt: Marcel G.

 

G. ist ein 29-jähriger Politikwissenschaftler aus der Nähe von Schwäbisch Hall. Nach Recherchen der „Autonomen Antifa Freiburg“, die der taz vorliegen, hatte er noch im Frühjahr 2016 für die NPD Wahlkampf gemacht. Jetzt geht er als Mitarbeiter des AfD-Abgeordneten Heiner Merz im Landtag ein und aus.

 

Schon vor 2016 war G. offenbar lange bei der Jugendorganisation der NPD aktiv, soll sogar Mitglied im Landesvorstand gewesen sein. Laut seinen Facebookeinträgen ist G. bis heute überzeugter Rechtsextremer. Auf Fotos des geschlossenen Profils zeigt er sich in einem T-Shirt der Nazi-Band „Kommando Skin“ aus Stuttgart. Die Band hat mehrere Platten veröffentlicht, unter anderem mit dem Titel „Alldeutsch Voran“.

 

Zudem teilt G. bei Facebook auch Texte der bekannten Neonazi-Band „Skrewdriver“ und veröffentlichte die berüchtigte Karte der rechtsextremen Splitterpartei „III. Weg“, auf der alle Flüchtlingsheime in Deutschland eingezeichnet sind. Nach Recherchen der Antifa veröffentlichte er bereits 2015 in der neurechten Zeitschrift „Neue Ordnung“ einen mehrseitigen Artikel. In Marburg, wo G. studierte, schloss er sich der als rechtsextrem geltenden Studentenverbindung „Germania Marburg“ an.

 

Heiner Merz will sich zu den Vorwürfen gegen seinen Mitarbeiter nicht äußern. Merz gibt sich gerne als liberal, gehörte aber zu jenem Teil der Fraktion, die beim Streit um die antisemitischen Äußerungen des Abgeordneten Wolfgang Gedeon zu diesem hielt. In dieser Zeit war Merz auch Vorsitzender der Rumpffraktion.

Auch Fraktionschef Meuthen will sich nicht äußern. Er kenne G. als Mitarbeiter von Merz „flüchtig“, sagt er. Die Vorwürfe müsse er erst prüfen.

 

Möglicherweise hat Meuthen auch andere Sorgen. Denn in seiner Fraktion könnte es nach dem Ausschluss von Wolfgang Gedeon und dem Abgang von Claudia Martin zu weiteren Austritten kommen. Heinrich Fiechtner ist von der Fraktionsführung seit vergangenem Jahr mit einem Redeverbot belegt worden. Der Vorwurf: Er habe „seine eigene Meinung über die der Fraktion gestellt“, heißt es in einer Pressemitteilung Meuthens.

 

Der Mediziner Fiechtner hatte sich entgegen der Fraktionsmehrheit für eine elektronische Gesundheitskarte für Flüchtlinge ausgesprochen. Zudem hat er mit den Abgeordneten Lars Patrick Berg und Stefan Herre in einem offenen Brief erklärt, dass sie sich gegen die Forderung ihrer Fraktion stellen, die Gelder für die NS-Gedenkstätte im französischen Gurs zu streichen. Für den Brief hat Meuthen seinen Kollegen jetzt eine „Abmahnung“ erteilt.

 

Zudem ist nun offensichtlich, dass Meuthen die Öffentlichkeit im vergangenen Sommer getäuscht hat. Damals erklärte er bei der Wiedervereinigung der gespaltenen AfD-Fraktion, alle AfD-Abgeordneten hätten eine Erklärung gegen Antisemitismus unterzeichnet. Inzwischen wurde bekannt, dass mit Stefan Räpple mindestens ein Fraktionsmitglied die Unterschrift bis heute verweigert. Jener Räpple, der die Vertreter der anderen Fraktionen im Landtag als „Volksverräter“ beschimpft hatte.