Zwei bis drei Männer sollen einen Asylbewerber verprügelt haben – ohne erkennbaren Anlass. Der Prozess steht jedoch bislang unter keinem guten Stern.
Von Alexander Schneider
Wenn er mich verstanden hätte, hätte ich ihm „keine geben“ müssen – hinter dieser beklemmenden Logik versteckt sich der 31-jährige Angeklagte Roy W. Er habe einen Ball unabsichtlich in die Richtung eines Afrikaners geworfen, als er mit dem Hund seines Kumpels gespielt habe. Der kleine Ball habe den Mann aus Eritrea zwar knapp verfehlt, doch der habe geschimpft und ihm, dem Angeklagten, den Stinkefinger gezeigt. Bei der folgenden Auseinandersetzung habe der Asylbewerber ihn nicht verstanden, so W.: „Da habe ich ihm eine ins Gesicht gehauen, und es war gut.“
Gut war da nichts. Laut Anklage soll W. auch mit seinem Kumpel Nick E. (27), dem Mitangeklagten, auf den Afrikaner eingeschlagen haben. Die beiden Deutschen müssen sich nun wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Es ist bereits der zweite Anlauf. Nachdem W. den ersten Prozess im November geschwänzt hatte, erließ Strafrichterin Birgit Keeve einen Sitzungshaftbefehl gegen ihn. Jetzt, nach gut vier Wochen hinter schwedischen Gardinen, räumt W. einen Teil der Vorwürfe ein, behauptet jedoch, er könne sich an einiges nicht erinnern, weil er „voll“ gewesen sei. Zu viel Bier und Schnaps, wie er sagt. Das nimmt ihm die Richterin jedoch nicht ab. Kurz nach der Prügelei hatte er deutlich weniger als ein Promille Alkohol im Blut.
150 Euro für das Fernbleiben
Der Geschädigte wurde in Saudi Arabien geboren, ist aber ein Staatsbürger aus Eritrea. Wie es dazu kommt, will Verteidigerin Ute Mollenhauer wissen. Habe der 34-Jährige gar falsche Angaben gemacht, will sie wissen. Es dauert, bis der Dolmetscher das und alles andere samt der Antworten des Zeugen übersetzt. Immer wieder wird der Dolmetscher für sein Zwiegespräch mit dem Zeugen ermahnt. Dann stellt sich plötzlich heraus, dass der Mann kaum Gerichtserfahrung und Probleme mit „schweren Wörtern“ hat. Mehrfach muss die Verhandlung unterbrochen werden.
Der 34-Jährige hatte zuvor berichtet, dass er an dem Nachmittag im Februar 2016 am Amalie-Dietrich-Platz aus einer Bahn gestiegen sei, um einzukaufen. Plötzlich habe ihm jemand einen Apfel an den Kopf geworfen. Dann sei ein Mann auf ihn zugekommen, habe ihn zu Boden geschubst und geschlagen. Ob es einer der Angeklagten war, da war sich der Zeuge nicht ganz sicher. Er erkannte nur einen der Angeklagten an dessen rotem Kapuzenshirt wieder, dass der Mann schon bei der Tat getragen habe, so der Asylbewerber. Von ihm sei er später geschlagen, an den Haaren gezogen und getreten worden. Möglicherweise war auch ein dritter Mann beteiligt. Dieser war zwar in diesem Prozess als Zeuge geladen, doch er fehlt unentschuldigt – was ihn 150 Euro kosten wird.
Da das Gericht inzwischen sehr viel Zeit verloren hat, bestimmt die Richterin, den Prozess in zwei Wochen fortzusetzen. Mehrere Zeugen waren am Montag schon zum zweiten Mal umsonst zum Gericht gekommen. Freuen kann sich einzig W., der vorerst wieder auf freiem Fuß ist.