Konservativer Thinktank mit Bundeshilfe? Streit um "Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt"

Erstveröffentlicht: 
03.02.2017

Viel Geld, kein Konzept, umstrittene Personalie: Es gibt Streit um das in Dresden geplante Bundesinstitut "für gesellschaftlichen Zusammenhalt“.

von Amory Burchard

 

An der TU Dresden soll ein „Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ entstehen. 37 Millionen Euro für fünf Jahre stellte der Bundestag Ende 2016 bereit. Doch obwohl schon so viel Geld vergeben ist, ist noch keine Konzeption für die Forschungsfragen bekannt. Stattdessen gibt es einen handfesten Streit um das Institut.

 

Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) findet die Konzeptionslosigkeit ebenso „befremdlich“ wie die Tatsache, dass ihr Haus in die Planung nicht einbezogen ist. Dies kritisieren auch die Grünen und die Linken im Sächsischen Landtag, ebenso wie die sächsische SPD-Bundestagsabgeordnete und Hochschulexpertin Simone Raatz. 

 

Politologe und "Pegida-Versteher" Patzelt gilt als federführend


Zudem erregt eine Personalie die Gemüter: Als federführend gilt der Politikwissenschaftler Werner Patzelt von der TU Dresden. Patzelt ist umstritten, weil er der Pegida-Bewegung als „Teil des normalen Volks“ Verständnis entgegenbrachte.

 

Die Institutsidee stammt vom Generalsekretär der sächsischen CDU und Unionsfraktionsvize im Bundestag, Michael Kretschmer. Das Institut gehört zu dem vom Haushaltsausschuss im November beschlossenen 240-Millionen-Paket für Bildung und Forschung. Kretschmer hat den Impuls gegeben, wie er auf Anfrage bestätigt. Der Beschluss sei aber eine Parlamentsinitiative, die von Union und SPD getragen wurde: „Der Souverän will die wissenschaftliche Arbeit in diesem Bereich ausbauen.“ Die Notwendigkeit für den Forschungsschwerpunkt liege auf der Hand, sagt Kretschmer. „Information und Kommunikation ändern sich durch die Digitalisierung. Die Grenze zwischen Fakten und Fehlinformation schwindet.“ 

 

Forschungsauftrag "Globalisierungsfolgen" - oder doch Einwanderung?


Das Institut solle auch zu Fragen wie diesen forschen: „Wie schaffen wir es, in einer sich verändernden Welt den Zusammenhalt der Gesellschaft zu erhalten? Welche Strukturen und Institutionen haben in Zeiten der Globalisierung noch Bestand?“ Simone Raatz stellt die Thematik, der das Institut gewidmet sein soll, etwas anders dar. Es gehe um die „vertiefte Erforschung von Einwanderungs- und Integrationspolitik“.

 

Nach der konkreten Konzeption gefragt sagt Kretschmer, dafür sei das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zuständig. Es müsse das Verfahren organisieren; Aufgabenstellung und Struktur des Instituts sollten dann „aus der Wissenschaft kommen“. Aus dem BMBF heißt es dazu, demnächst finde ein Gespräch mit nationalen und internationalen Experten statt. Dabei gehe es um „forschungsleitende Fragestellungen für ein wissenschaftsbasiertes Konzept“ – und um einen Überblick über laufende Forschungsaktivitäten zum Thema. 

 

Frappierende Namensähnlichkeit mit rechtskonservativem Verein


Dass mit Werner Patzelt bereits ein Experte gesetzt sei, will Kretschmer nicht bestätigen. „Es gibt keine Vorfestlegungen zu Strukturen oder beteiligten Wissenschaftlern.“ Weit hergeholt ist die Personalie aber nicht. Patzelt ist Mitbegründer des „Zentrums für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration“, über dessen Gründung im Dezember die „Sächsische Zeitung“ berichtete. Vorsitzender ist Joachim Klose, Leiter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Dresden. Klose hatte erklärt, das Zentrum solle dem Auseinanderdriften der Gesellschaft als Folge der Asylkrise entgegenwirken und die Kommunikation zwischen Politikern und Bürgern verbessern.

 

Simone Raatz zeigt sich „überrascht“, „dass sich kurz nach dem Haushaltsbeschluss für ein Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt aus CDU-nahen Kreisen ein privater rechtskonservativer Verein mit sehr ähnlichem Namen gegründet hat“. Ein solcher Thinktank könne selbstverständlich nicht mit Bundesgeldern finanziert werden. 

 

Heimat und Patriotismus als "Kraftquellen"


Mit Kretschmer ist Patzelt indes nicht nur als CDU-Mitglied verbunden. Er wird auch als Berater von Kretschmers „Aufruf zu einer Leit- und Rahmenkultur“ genannt, die er im September gemeinsam mit anderen Unionspolitikern veröffentlicht hat. Beschrieben werden darin Voraussetzungen für eine „wirkungsvolle Integrationspolitik, die Fliehkräften entgegenwirkt und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt“. Als „Kraftquellen“ dafür werden „Heimat und Patriotismus“ sowie eine „Leitkultur“ genannt, an der sich Zuwanderer zu orientieren hätten (hier im Wortlaut). Einen Zusammenhang mit dem von ihm initiierten Bundesinstitut weist Kretschmer zurück. Patzelt selber hat eine Anfrage des Tagesspiegels zur Institutsgründung nicht beantwortet.