Der Cottbuser Rechtsanwalt Olaf Klemke im RUNDSCHAU-Interview zu seinem Mandat im Prozess vor dem Münchener Oberlandesgericht
Für den Cottbuser Rechtsanwalt Olaf Klemke ist die Verteidigung des mutmaßlichen NSU-Unterstützers Ralf Wohlleben ein ganz normaler rechtsstaatlicher Vorgang. "Ich nehme jedes Mandat an – das ist mein Beruf", sagt Klemke. Im RUNDSCHAU-Interview erläutert der Strafverteidiger sein Mandat in dem Münchener Prozess, in dem die Mordserie der Neonazi-Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" verhandelt wird.
Herr Klemke, wie kommt man zu dem Mandat, einen mutmaßlichen Neonazi zu verteidigen?
Die Mandanten kommen zu mir. Und ich nehme jedes Mandat an. Ich habe
noch nie jemanden wegen der Sache oder der Person abgelehnt. Allenfalls
habe ich ein Mandat niedergelegt, wenn ich wusste, ich komme mit der
Person menschlich nicht zurecht. Das ist in meiner beruflichen Laufbahn
bisher zweimal passiert.
Bei dem mutmaßlichen NSU-Unterstützer Wohlleben hatten Sie diese Probleme nicht.
Nein.
Ihre Mitverteidigerin Nicole Schneiders war NPD-Mitglied, wie kommt sie auf den Cottbuser Olaf Klemke?
Richtig ist, dass dieses Mandat über sie an mich herangetragen wurde.
Sie hat mich gebeten, ihr zu helfen. Das habe ich angenommen.
Kennengelernt habe ich sie anlässlich eines Verfahrens in Karlsruhe. Ein
Jahr später kam ein Anruf, ob ich mit ihr zusammen die Verteidigung
übernehmen würde.
Im Internet werden Sie als Szeneanwalt bezeichnet – ist das richtig?
Das hat die RUNDSCHAU ja schon so zitiert.
Mit Verweis auf die Quelle – die links gerichtete, freie Internetplattform Indymedia. . .
Das ist mir völlig egal, ob ich als Szene-Anwalt gesehen werde. Ich
werde mich niemals irgendeinem Druck beugen. Ganz gleich, ob es die
öffentliche Meinung oder wer auch immer ist. Es ist richtig, dass ich
schon eine Reihe solcher Verfahren gemacht habe (Skinheads Sächsische
Schweiz; Gubener Hetzjagd-Prozess/d. Red.). Mir ist das aber zu einfach,
zu sagen: Ab einer bestimmten Anzahl von Verfahren mit
Rechtsextremisten bist du Szeneanwalt. Ich lehne diese Zuschreibung ab.
Mich nennt doch auch niemand Drogen-, Rocker- oder
Kinderschänder-Anwalt, wenn ich in solchen Fällen verteidige. Und mit
dem Begriff Neonazi habe ich auch meine Probleme. Weil alles, was sich
rechts von CDU/CSU bewegt, gleich als Neonazi bezeichnet wird. Ich habe
in meinem Leben aber selten echte Neonazis getroffen.
Wenn Sie aus dieser Szene ein Mandat annehmen, haben Sie da kein schlechtes Gewissen?
Nein, warum? Ich bin Verteidiger und verteidige. Wegen eines Mandates
habe ich nie ein schlechtes Gewissen gehabt. Dennoch bin ich auch
menschlich berührt, wenn ich Angehörige von Mordopfern sehe oder Leute,
die vermutlich Opfer von Straftaten gewesen sind. Aber solche Gefühle
muss man ganz einfach beiseite wischen. Das geht einem Richter genauso.
Auch der darf nicht nach Bauchgefühl urteilen, sondern einzig und allein
nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme.
Sie erlauben es nicht, dass solche Gefühle an Sie herankommen?
Wenn das passiert und die Ausübung meines Mandates beeinträchtigt wird,
dann muss ich es niederlegen. Und wenn ich von vornherein weiß, dass
ich so etwas nicht kann, darf ich das Mandat erst gar nicht annehmen.
Wie motivieren Sie sich für solche Verfahren?
Damit, dass es Grundlage unseres Rechtsstaates ist, dass jeder
Angeklagte ein Recht auf ein faires Verfahren hat. Dazu gehört auch das
Recht auf eine effektive Verteidigung. Das ist mein Job. Das ist Beruf.
Damit verdiene ich mein Geld. Ich tue es nicht nur aus Überzeugung und
aus hehren Motiven. Ich lebe davon.
Sind Sie rechtsextrem?
Ich empfinde mich als Patrioten. Aber es geht in dem Prozess nicht um
mich und meine politischen Anschauungen. Ich verteidige vor Gericht
Herrn Wohlleben. Und als dessen Verteidigung haben wir erhebliche
Bedenken an der Sicht des Generalbundesanwaltes und der Sicht des
Mainstreams in den Medien.
Wäre es nicht ein Zeichen gegen Rechtsextremismus hierzulande, wenn Neonazis keine Verteidiger finden würden?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Dann würde ich mich für die Strafverteidiger schämen. Dazu sind sie doch da.
Kommt das Ritual der Verteidiger am ersten Prozess-Tag, das Gericht in Zweifel zu ziehen und auf Verzögerung zu setzen, in diesem Prozess nicht einer Verhöhnung der Opfer und der Angehörigen gleich?
Was heißt Verhöhnung der Opfer? Wessen Opfer das sind, ist erst einmal
aufzuklären. Wenn ich so die Medien verfolge, dann können wir uns
eigentlich den Prozess sparen und sofort zum Urteilsspruch übergehen.
Ich sage deutlich: Ein Strafprozess ist kein Verfahren, um in erster
Linie den Angehörigen der mutmaßlichen Opfer des NSU oder Nebenklägern
entgegenzukommen. Vielmehr soll ein Sachverhalt aufgeklärt werden.
Geprüft werden, ob eine konkrete Person strafrechtlich Schuld auf sich
geladen hat, um sie einer Strafe zuzuführen. Nicht mehr und nicht
weniger ist die Aufgabe des Strafverfahrens.
Haben Sie Zweifel an diesem Prozessgegenstand?
Viele Verteidiger verfolgen mit Sorge, dass den Opferrechten immer mehr
Raum gegeben wird in Strafverfahren. In erster Linie sind Opfer
meistens Beweismittel, Zeugen. Und sie sind Parteien, wenn sie die
Nebenklage führen.
Und noch ein Wort zu den viel gerügten Ritualen der Verteidiger zu Beginn eines Strafprozesses: Es ist ganz einfach so, dass ich einen Befangenheitsantrag zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt stellen muss. Und zwar vor der ersten Vernehmung des Angeklagten zur Person. Der Gesetzgeber schreibt dies so vor. Das Prozessrecht zwingt Verteidiger dazu, zu einem bestimmten Zeitpunkt tätig zu werden – das sind keine Rituale der Strafverteidiger. Wenn ich das nicht tue, wäre ich ein schlechter Anwalt. Dann könnte ich meinen Job an den Nagel hängen.
Der Staatsschutz ermittelt wegen der vermeintlich linken Attacke auf Ihr Cottbuser Büro. Dennoch sagen Sie, Sie rechnen nicht mit einer Aufklärung der Tat – warum?
Weil der vom Mainstream propagierte Kampf gegen rechts viel wichtiger ist.
Sie bezweifeln, dass hier nicht mit gleicher Intensität ermittelt wird?
Das denke ich. Außerdem sind die Täter ja nicht ganz dumm: Steine
werden mit Handschuhen angefasst und geworfen. Es gibt keine DNA. Selbst
wenn Zeugen nachts halb drei anwesend gewesen wären, waren die Täter
sicher vermummt. Wie soll da ermittelt werden? Und wo sich der Server
von Indymedia befindet. . . Für mich ergeben sich hier null Chancen.