Die Razzien gegen rechtsextreme Esoteriker wie „Burgos von Buchonia“ und mehrere Reichsbürger zeigen: Es könnte eine neue bizarre Variante rechten Terrors geben.
von Frank Jansen
Langes weißes Haar, ein wallender Vollbart, sanfte, leicht brüchige Stimme – Burghard B. sieht in einem YouTube-Video aus wie ein harmloser Sonderling. Der Mann, der sich „Burgos von Buchonia“ nennt und als „keltischer Druide“ auftritt, verkündet in dem 2008 gedrehten Film, er fühle „vieles aus der früheren Zeit schon erlebt zu haben“. Doch aus dem friedfertig wirkenden Kauz, der auf Mittelaltermärkten auftrat, ist offenbar ein Rechtsextremist geworden. Einer, der sich mutmaßlich soweit radikalisiert hat, dass er an der Bildung einer Terrorgruppe beteiligt war, womöglich sogar als ein führender Kopf.
So sehen es jedenfalls die Sicherheitsbehörden. Burghard B. ist einer der sieben Beschuldigten im Verfahren der Bundesanwaltschaft, am Mittwoch hat die Polizei auch seine Wohnung in Baden-Württemberg durchsucht. Möglicherweise wurden Anschläge einer Gruppe rechtsextremer Esoteriker und Reichsbürger verhindert. Sollten sich die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft bestätigen, wäre die Republik mit einer neuen, bizarren Variante rechten Terrors konfrontiert.
Bei Facebook ist der Hass zu besichtigen, der heute in „Burgos von Buchonia“ lodert. „Antisemit ist, wer sich das Denken nicht verbieten lässt...!“ prangt da in gelben Buchstaben. Burghard B. verkündet zudem: „Bei der Islamisierung unseres Landes sind wir anschließend zumindest das Problem mit der Genderisierung, der Verschwulung und der Linksversifften los.“ Und auf schwarz-weiß-rotem Hintergrund werden „Juristen gesucht für den Deutschen Volksgerichtshof“. Auf einem Foto verkündet der 62-Jährige lächelnd: „Vorsicht: Nach Ansicht der ,BRD Behörden’ bin ich ein Gefährder“. Die Facebookseite lässt eine gegenteilige Interpretation auch kaum zu.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) bekam mit, was der selbsternannte „Druide, Menschenrechtler, Tier- und Naturschützer“ sowie Bekannte von ihm von sich gaben. Der Nachrichtendienst beobachtete, was Burghard B. trieb, nicht nur im Internet, und mit wem er kommunizierte. Der frühere Versicherungsvertreter traf sich mit Gleichgesinnten, die sich auch radikalisierten. Es soll über Anschläge auf Polizisten, die als Repräsentanten des verhassten Staates gelten, sowie auf Asylbewerber und Juden geredet worden sein. Der Verfassungsschutz gab seine Kenntnisse weiter, die Bundesanwaltschaft leitete ein Verfahren ein.
Am Rande der Szene steigern sich spinnerte Personen in einen Gewaltwahn hinein
Die irrsinnig anmutende Geschichte passt in eine Zeit, in der sich auch am Rande der klassischen rechtsextremistischen Szene spinnerte Einzelpersonen und Kleingruppen in einen Gewaltwahn hineinsteigern. Im Oktober schoss im fränkischen Georgensmünd der Reichsbürger Wolfgang P. auf Polizisten, die sein Haus betraten, um Waffen zu beschlagnahmen. Ein SEK-Beamter wurde tödlich getroffen. Im August hatte bereits in Sachsen-Anhalt der Reichsbürger Adrian U., eine ehemaliger „Mister Germany“, auf Polizisten gefeuert. Mehrere Sympathisanten aus der Reichsbürgerszene warfen Steine. Das SEK schoss auf Adrian U. und verletzte ihn schwer. Die Beamten waren gekommen, um die Zwangsräumung des Grundstücks durchzusetzen. Adrian U. hatte eine Grundschuld nicht beglichen und seine Immobilie zum Ministaat „Ur“ erklärt.
Die Bundesregierung erkannte schließlich, dass die heterogene Reichsbürgerszene, die sich auch mit Esoterikern mischt, eine deutschlandweite Gefahr darstellt. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) veranlasste im November das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Spektrum in den Blick zu nehmen. Das BfV erklärte dann gemeinsam mit den Landesbehörden für Verfassungsschutz, von denen einige schon länger die Szene beobachten, die Reichsbürger zum „Sammelbeobachtungsobjekt“.
Es hat, wie sich nun herausstellt, eine beträchtliche Größe. BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen bestätigte am Mittwoch, was Sicherheitskreise Anfang der Woche dem Tagesspiegel gesagt hatten: „Rund 10000 Personen“ seien der Reichsbürgerszene zuzuordnen. Aber längst nicht alle werden als Rechtsextremisten eingestuft. Die Verfassungsschutzbehörden sind sich jedoch in der Bewertung nicht einig. Brandenburg und andere Länder halten die Reichsbürgermilieus, mit denen sie es zu tun haben, für überwiegend rechtsextrem. Andere Verfassungsschützer sind zurückhaltend. Möglicherweise verständigen sich die Behörden darauf, die Reichsbürger wegen ihrer Ablehnung der demokratischen Grundordnung zumindest als „extremistisch“ zu kategorisieren.
Die Behörden beunruhigt zudem die weitflächige Bewaffnung. Ungefähr zehn Prozent der Reichsbürger hätten eine Waffenbesitzkarte, sagen Sicherheitskreise. Die Berliner Polizei nahm sich 2016 mehr als 100 Reichsbürger vor. Einer musste seine Waffe abgeben, bei fünf Reichsbürgern ist der „Widerruf“ der Besitzkarte eingeleitet.
In der Politik wird auf eine noch härtere Gangart gedrungen. Burkhard Lischka, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, forderte am Mittwoch im Gespräch mit dem MDR, Netzwerke von Reichsbürgern zu verbieten. Vor allem dann, wenn Gewalttaten bis hin zu Attentaten zu befürchten sind.