Proteste gegen umstrittenen Politologen Finkelstein in Halle

Erstveröffentlicht: 
25.01.2017

Vor dem Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle haben am Montagabend rund 40 Demonstranten gegen den Gastwissenschaftler und Politologen Norman Finkelstein (63) protestiert. Sie forderten „Solidarität mit Israel“. Der umstrittene US-amerikanisch-jüdische Wissenschaftler ist noch bis Freitag auf Einladung des Instituts in der Saalestadt.

 

Halle. Vor dem Max-Planck-Institut (MPI) für ethnologische Forschung in Halle haben am Montagabend rund 40 Demonstranten gegen den Gastwissenschaftler und Politologen Norman Finkelstein (63) protestiert. Sie forderten „Solidarität mit Israel“. Der umstrittene US-amerikanisch-jüdische Wissenschaftler ist noch bis Freitag auf Einladung des Instituts in der Saalestadt. „Es ist unerträglich, dass ein Mann wie Norman Finkelstein eingeladen wird, der vehement antisemitische und antiisraelische Positionen vertritt“, so Wanja Seifert, Sprecher von „Halle gegen Rechts“.

 

Zum zweiten Mal innerhalb von acht Tagen hatten linke Studenten und Politiker weitgehend friedlich vor dem Institut gegen Finkelsteins Besuch protestiert. In seinem wichtigsten Werk habe er das Gedenken an Auschwitz als Holocaust-Industrie bezeichnet, hatte die AG Antifa des Studentenrats der Martin-Luther-Universität bereits vergangene Woche erklärt. Im Vorfeld des Auftritts meldete sich auch der bündnisgrüne Bundespolitiker Volker Beck zu Wort, nannte es „eine Schande“, dass Finkelstein seine Thesen in der Woche des Holocaust-Gedenkens in Halle vortragen dürfe. Proteste gab es auch von der Jüdischen Gemeinde zu Halle, von den amerikanisch-jüdischen Organisationen AJC (American Jewish Committee) und dem Simon Wiesenthal Center.

 

Als Belgierin habe die Institutsdirektorin Marie-Claire Foblets vielleicht unterschätzt, dass das Thema in Deutschland emotionaler diskutiert werde als in anderen Ländern, erklärte am Dienstag MPI-Pressereferentin Susanne Kiewitz auf Anfrage. Sie verwies auf Finkelsteins häufige und weniger Aufsehen erregende Auftritte an Elite-Universitäten im angelsächsischen Raum. Dem wissenschaftlichen Institut, welches in erster Linie Grundlagenforschung betreibt, sei es ein Anliegen gewesen, mit Dr. Finkelstein über dessen Forschungsarbeiten ins Gespräch zu kommen. Kontroversen seien dabei nicht auszuschließen, sie seien im wissenschaftlichen Diskurs unverzichtbar. „Zu einer Debatten-Kultur gehört auch die Kontroverse“, so Kiewitz. Sie wies den Vorwurf, das Institut betreibe antiisraelische Propaganda, zurück. In Halle habe Finkelstein unter anderem Teile seines neuen Buches vorgestellt, das den Gaza-Konflikt analysiert. In dem internen Workshop hatte Finkelstein mit 32 Teilnehmern über das Thema staatliche Gewalt im Gaza-Streifen rund vier Stunden lang akademisch diskutiert.

 

Der in New York geborene Finkelstein, Nachfahr einer jüdischen Familie aus Polen, die durch den Nazi-Terror viele Angehörige verloren hat, zeigte sich überrascht von den Reaktionen. Zu behaupten, dass seine Eltern einen Antisemiten aufgezogen haben, sei ein unmoralischer Akt und inakzeptabel, zitiert die Mitteldeutsche Zeitung den Politologen in einem Interview. „Herr Finkelstein hat die Reaktionen im Zusammenhang mit seinem Gastaufenthalt nicht so emotional erwartet“, ergänzte gestern Pressereferentin Kiewitz. Man könne die Aufregung verstehen – es sei aber nie die Absicht des Instituts gewesen, mit der Einladung die Gefühle anderer Menschen zu verletzen.

 

Von Bernd Lähne