Das 'Aktionsbündnis 30.03' plant für kommenden Montag eine Großdemo
'gegen den NATO-Gipfel und die innere und äußere Aufrüstung'. Das
Motto: 'Make Militarism History'. Ein großes Polizeiaufgebot ist zu
erwarten, Ausschreitungen werden von vielen Freiburgern befürchtet.
Caro hat den Initiatoren der Demo per E-Mail Fragen gestellt.
Euer 'Aktionsbündnis 30.03' hat für kommenden Montag eine
Großdemo in Freiburg gegen den NATO-Gipfel in Straßburg und Kehl
geplant. Warum demonstriert ihr gegen die NATO?
Die Demonstration richtet sich schwerpunktmäßig gegen den
NATO-Gipfel in Strasbourg, Baden-Baden und Kehl am 3. und 4. April. Der
60. Geburtstag der NATO ist für uns kein Grund zum feiern.
Tausende
tote, verletzte, obdachlose und traumatisierte Menschen dürften für
niemanden ein Grund zum Feiern sein – sondern zum Protestieren. Die
'Innere Sicherheit' und die allgemeine Aufrüstung und Militarisierung
in den Mitgliedsstaaten wird ebenfalls Thema unserer 'Make Militarism
History'-Demonstration sein.
Die Sicherung und Stabilisierung
global agierender Wirtschaftssysteme steht heute mehr denn je im
Programm der NATO. Dazu gehören zum einen globale Feldzüge zur
Sicherung oder Erschließung dringend benötigter Rohstoffe, zum anderen
die Aufrechterhaltung beziehungsweise Errichtung stabiler
Staatensysteme als seriöse Vertragspartner. Dabei spiegeln sich in der
Politik der NATO die Erfordernisse des hochkomplexen globalen
Kapitalismus wieder. Es geht um Souveränität und Einschätzbarkeit bei
gleichzeitiger "Gewinnmaximierung". Diese Kategorien gelten jedoch
nicht nur für die Politik der NATO, sondern auch für die Innenpolitik
der ihr zugehörigen Staaten.
Warum demonstriert ihr in Freiburg und nicht in Straßburg oder Kehl?
Wie in der ersten Antwort angedeutet, ist es im Grunde egal, wo wir
gegen die NATO demonstrieren. So wird es auch in Istanbul und New York
große Anti-NATO-Demos geben. Dass nun Freiburg in der Koordinierung der
Proteste als Demonstrationsort erwählt wurde, hat verschiedene, auch
strategische Gründe.
Da am Samstag, 28.3., in Frankfurt und
Berlin Großdemonstrationen gegen den politischen und ökonomischen
Umgang mit der Wirtschafts- und Finanzkrise und für die Überwindung des
Kapitalismus stattfinden werden, war abzusehen, dass viele
Organisationen und Zusammenhänge mit der Vorbereitung und Durchführung
dieser Demonstrationen beschäftigt sein würden. Anfang April stehen die
G20- und Natogipfel unweigerlich im Mittelpunkt des politischen
Diskurses und linker Widerstandspraxis.
Die Freiburger Demo
bildet den Auftakt in der Gipfelwoche und wird auch unsere Fähigkeit
dezentral gegen Kapitalismus und Krieg agieren zu können
unterstreichen: We are everywhere!
In Strasbourg, Kehl und
Baden-Baden laufen die Vorbereitungen für andere Demonstrationen, die
Blockaden, das Camp etcetera. In Freiburg hingegen befindet sich ja
seit dem 25. März ein Convergence Center, das die anreisenden
GipfelgegnerInnen mit Informationen versorgt und ihnen helfen soll,
sich gut vorzubereiten.
Um dies zu erreichen hat sich unter
anderem eine CC-Gruppe gebildet, die über eine Pennplatzbörse
Schlafplätze ermittelt um AktivistInnen in der Stadt unterzubringen.
Desweiteren gibt es Arbeitsgruppen zu Technik und Medienarbeit,
Rechtshilfe, Materialien und Verpflegung. Zahlreiche Projekte
unterstützen die Proteste also schon jetzt logistisch und ideell. Dazu
engagieren sich viele kritisch denkende Menschen im Rahmen der
Anti-NATO Proteste vor Ort und erleichtern dadurch auch die
Organisation einer Großdemonstration.
Mit der Stabstelle des
Polizeieinsatzes für den Gipfel, der hier produzierenden
Rüstungsindustrie und der, unter anderem von der Universität
vorangetriebenen, Rüstungsforschung hat Freiburg tatsächlich mit
NATO-Gipfel, Krieg und Militarismus weit mehr zu tun, als allgemein
wahrgenommen.
Welche Gruppen gehören zu Eurem Aktionsbündnis?
Natürlich gibt es viele Gruppen, die dem Bündnis angehören, aber
genauso wichtig sind die Einzelpersonen, die sich in die Vorbereitung
der Proteste einbringen.
Wer dennoch gern Gruppen beziehungsweise Autoritäten für sein politisches Verständnis braucht, kann sich auf der Seite http://3003.blogsport.de umschauen.
Um
17 Uhr wurde vor der unangemeldeten Großdemo eine angemeldete
Kundgebung des Freiburger Anti-NATO-Plenums auf dem Rathausplatz
angekündigt. Im Anti-NATO-Plenum, das die Demo unterstützt, befinden
sich Delegierte und/oder Mitglieder folgender Organisationen:
Attac-Freiburg, Revolution, NATO-ZU, Aktionsbündnis 30.03, Iraq
Veterans Against the War, Anarchistische Gruppe Freiburg, Linke.SDS
Freiburg, Die Linke Freiburg, MC Kuhle Wampe, UStA der PH, VerDi
Ortsverein, Freiburger Friedensforum, BLOCK-NATO, Sozialistische
Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ), Bündnis für Politik- und
Meinungsfreiheit (bpm), IG-Bau Südbaden, Autonome Antifa Freiburg,
VVN-BdA Ortenau, Rote Hilfe, Wohngeldinformationsbeschaffungsbüro,
Linksjugend Freiburg, Grüne Alternative Freiburg, Convergence-Center
Freiburg, u-asta der Uni und die Autonome Frauen-Lesbengruppe.
Wieviele Teilnehmer erwartet ihr?
Viele. Tatsächlich verfolgt jede Schätzung vor einer Demo propagandistische Zwecke. Also, kommt einfach alle!
Warum habt ihr die Demo nicht angemeldet?
Das leidige Thema der Anmeldung von Demonstrationen. Solange nicht
gilt, dass alle Menschen das Recht haben, sich ohne Anmeldung oder
Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln, verweisen wir an das
Amt für öffentliche Ordnung und die zuständigen Legislativorgane. Bis
dahin bleibt das Nichtanmelden einer Demonstration ein politischer Akt
der Durchsetzung verfassungsgemäßer Freiheit.
In Freiburg werden
Demos traditionell nicht angemeldet: Wir versammeln uns wann und wo wir
wollen. Die Demo vom 13. Dezember 2008, die ebenfalls nicht angemeldet
war, wurde gemeinhin als großer Erfolg angesehen. Warum sollte man also
nun von einem erfolgreichen Konzept abrücken?
Dass die Person,
die damals mit der Polizei kommuniziert hat, in der Folge persönlichen
Schaden erlitten hat und aufgrund einer erfundenen Straftat heute von
Polizei und Staatsanwaltschaft verfolgt wird, hat uns veranlasst,
diesmal nur per Telefon mit der Polizei zu sprechen. Wir haben unsere
Kommunikationsbereitschaft signalisiert und werden den Behörden vor Ort
den Verlauf der Demonstration mitteilen.
Ich habe den Eindruck, dass viele Freiburger mit Ausschreitungen
rechnen. Allerdings nicht unbedingt von Freiburger Aktivisten, sondern
von unfriedlichen 'Protest-Touristen'. Wie wollt ihr während der Demo
verhindern, dass Euer Protest im Krawall untergeht?
Tatsächlich stecken in dieser Frage mehrere Punkte. Zum einen die
immer wieder gern vorgenommene Unterscheidung der Menschen vor Ort von
'denen' die da ankommen und alles kaputt machen.
Diese xenophobe
(fremdenfeindliche) Argumentation stellt eine Kerbe dar, in welche
sowohl die PolitikerInnen als auch die Ordnungsbehörden gerne schlagen.
Neben dem Aufmachen dieser Kategorie des 'bösen Unbekannten aus der
Ferne' werden auch politische Bündnisse gezielt gespalten: 'gute'
AnmelderInnen und 'böse' NichtanmelderInnen; 'gute' Gewerkschaften und
'böse' Autonome.
Diese Strategie der Aufspaltung dient dazu, die
Verzweiflung über die Einflussnahmemöglichkeit politischer Initiativen
zu verdrängen. Wir lassen uns nicht spalten und laden ALLE
'FreiburgerInnen' und 'Fremde', die dem NATO-Gipfel und seinen
HandlangerInnen kritisch gegenüber stehen, ihre Meinung am 30. März
unmissverständlich und kraftvoll auf die Straße zu tragen.
Bereits
vorherige Demos haben gezeigt, wie sehr die linke Szene Freiburgs um
Deeskalation bemüht war: Einzig das Aufgebot hunderter schwer
bewaffneter PolizistInnen war Anlass, Ausschreitungen zu befürchten.
Trotz zahlreicher Übergriffe und unrechtmäßiger Verhaftungen und
Einschließungen blieben die allseits von den Medien und den Behörden
verkündeten Ausschreitungen bisher immer bloßes Gerede...
Letztlich
ist bei der 'Frage der Gewalt' schnell derjenige, der seine Meinung
äußern will, der erste Adressat. Über die 'Gewalt' von 30.000
eingesetzten PolizistInnen die den 60. NATO-Geburtstag schützen, die
'Gewalt' von Hochsicherheitsbereichen und Überwachung oder die 'Gewalt'
der kriegerischen Politik der bald 28 Mitgliedstaaten des
Nordatlantikbündnis wird aus unserer Sicht zu wenig gesprochen.
Welches Verhalten erhofft ihr Euch von den Menschen in Freiburg?
Wir hoffen, die Menschen in Freiburg verfolgen die Proteste mit
Aufmerksamkeit und Interesse. Heute ist niemand mehr abhängig von den
Informationen, die in der Mainstream-Presse verbreitet werden. Fast
JedeR hat die Möglichkeit, sich zum Beispiel im Internet zeitnah und
umfassend zu informieren. Dazu gehört auch die Möglichkeit, die
Gegenseite zu Wort kommen zu lassen.
Auf der Homepage http://linksunten.indymedia.org/
gibt es beispielsweise die Möglichkeit, Augenzeugenberichte und
Informationen zum Thema und zur Demo zu bekommen, die garantiert nicht
über einen der wenigen Verteiler der Nachrichtenagenturen gehen. Auch
in Freiburg gibt es zahlreiche Menschen, die der NATO- und
'Sicherheitspolitik' nach wie vor kritisch gegenüberstehen und dies in
den kommenden Tagen und Wochen besonders deutlich äußern werden. Und
noch etwas erhoffen wir uns: Dass vielleicht doch einige Menschen in
dieser Stadt über ihren eigenen Schatten springen.
Welches Verhalten erhofft ihr Euch von der Polizei? Welches befürchtet ihr?
Jetzt sollen wir wie immer sagen, wir hoffen dass die Polizei sich
zurückhält. Wir hoffen auf die weitgehende Abwesenheit eines
Polizeieinsatzes und befürchten jedoch Übergriffe, Gewalt und die
Beschneidung unserer Rechte. Aber genau dafür sind gepanzerte
BereitschaftspolizistInnen, Tränengas, Knüppel, Knarren und Knäste da:
Die Durchsetzung einer Politik der Angst und des gegenseitigen
Misstrauens.
Zunehmend arbeiten polizeiliche, judikative und
militärische Stellen eng zusammen, wie bei den letzten großen Aktionen
der linken Bewegung deutlich wurde. Das Thema radikale Abrüstung muss
wieder in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gelangen, dies
betrifft auch die 'Innere Sicherheit' und die weiter wachsenden
Exekutivorgane in der EU.
Immer mehr wird bei der Absicherung
unserer 'Freiheit' auf private Sicherheitsdienste und
zivil-militärische Zusammenarbeit gesetzt: Polizeidienste und Militär
diverser 'Nordatlantischer' Staaten arbeiten gemeinsam mit der
Grenzschutzagentur FRONTEX an der Absicherung unseres Wohlstandes, zum
Beispiel durch extrem gewalttätiges 'Migrationsmanagement' an den
Außengrenzen westlicher Staaten. Diese Logik institutionalisierter
Gewalt und den Ausbau polizeilicher Befugnisse wollen wir mit unserer
Anti-NATO-Demo kritisieren.
Daher fordern wir mit Rio Reiser: Schmeiß die Knarre weg Polizisten