Stellungnahme der VerfasserInnen des Flugblattes zu Nazi-Anwältin Rittershaus

Alexandra Rittershaus begrüßt Ernst Zündel nach seiner Haftentlassung

Die VerfasserInnen des Flugblattes zu Nazi-Anwältin Rittershaus nehmen hiermit Stellung zur Diskussion um die Verteilung von Flugblättern und Plakaten an ihrer Kanzlei. Das Flugblatt und die Diskussion darüber können auf linksunten.indymedia.org/de/node/19094 nachgelesen werden.

 

Die Verteilung von Flugblättern über die Verbindungen der Mannheimer Anwältin zum Nazi und Holocaust-Leugner Ernst Zündel sorgte bei Mannheimer AntifaschistInnen und AnwältInnen für Diskussionen. Wir begrüßen es, dass zu diesem Thema diskutiert wird. Dies ist ein Zeichen dafür, dass der Aktion Aufmerksamkeit entgegen gebracht wird und ein Interesse an der Thematik besteht. Trotzdem müssen wir einigen Diskussionsbeiträgen widersprechen, da wir die geäußerten Positionen aus antifaschistischer Perspektive für falsch halten.

Zunächst wollen wir anmerken, dass die im Flugblatt beschriebenen Tatsachen richtig sind und bei Recherchen nichts dazuerfunden wurde. RA Rittershaus hat Ernst Zündel verteidigt und ihn nach seiner Haft vor der JVA begrüßt. Weitere Hinweise auf Verbindungen von Rittershaus zur rechten Szene wurden bei Recherchen nicht gefunden und somit auch nicht genannt. Rittershaus als „Nazi-Anwältin“ zu bezeichnen ist richtig, da Rittershaus Anwältin eines Nazis ist. Die Sätze „Heimliche Sympathie oder tiefste Überzeugung?“ oder „Anwältin der Nazis?“ sind selbstverständlich provokant, aber bewusst als Fragen formuliert. Unser Ziel ist es nicht, Thesen über Rittershaus zu erfinden und zu verbreiten, sondern sie unter Druck zu setzen, Stellung zu ihrer Tätigkeit zu beziehen so dass sie sich im besten Fall zu überlegt, ob sie sich in Zukunft vor Gericht wieder auf die Seite von Nazis stellen will.

Unsere Aktion war provokant, für Rittershaus unangenehm und möglicherweise sogar geschäftsschädigend. Diesen Umgang halten wir aber für richtig, wenn es darum geht, geschäfts- oder sonstige Beziehungen von Personen mit der rechten Szene aufzuzeigen.

Als AntifaschistInnen stehen wir oft vor der Frage: Welche Aktionen sind eigentlich sinnvoll und wirksam gegen Nazis? Man kann gegen Nazis demonstrieren und öffentlich ein Zeichen setzen. Man kann Nazis unter Druck setzen, ihnen das Leben schwer machen und die Motivation für ihre politischen Aktivitäten nehmen. Man kann Aufklärung betreiben, in Schulen, im Betrieb oder mit Öffentlichkeitsaktionen die rassistischen Thesen widerlegen. Spätestens hier wird man aber schnell merken, dass solche Aktionen wenig gegen die bringen, die bereits mit einem ideologisch gefestigten nationalsozialistischen Weltbild leben (wie beispielsweise der Holocaust-Leugner Zündel).

Es stellt sich die Frage, was gegen solche Personen getan werden kann. Eine unserer Antworten lautet „soziale Isolation“ - keine Geschäfte, keine Zusammenarbeit mit und keine Toleranz für Nazis. Wer Nazis ein Ladengeschäft vermietet, wer mit Nazis zusammen im Verein Fußball spielt und deren Parolen unwidersprochen lässt oder wer Nazis eine Partei gründen lässt und diese mit staatlichen Subventionen, wie Wahlkampfkostenrückerstattung fördert, macht sich zum Teil des Problems. Und wer Nazis juristischen Beistand bietet eben auch. Das Positivbeispiel sähe aus: Niemand arbeitet mit den Nazis zusammen, sie können keine Geschäfts- oder Veranstaltungsräume anmieten, werden in Vereinen oder im Betrieb aufgrund ihrer Hetze und Parolen ausgeschlossen, bekommen keine staatliche Unterstützung und finden bei Straftaten keine Anwälte, die sie verteidigen möchten. In einer solchen Situation haben es Nazis wesentlich schwerer, gesellschaftliche Akzeptanz und Motivation für ihre politischen Aktivitäten zu finden.

Doch zurück zur Aktion gegen RA Rittershaus. Wir bleiben dabei, dass wir nicht nur die Nazis in die Öffentlichkeit zerren, die bereits bekannt sind und von großen Teilen der Gesellschaft geächtet werden (wie beispielsweise Hehl, Deckert oder Zündel). Unser Fokus richtet sich auch auf die Personen in der zweiten Reihe von NPD und Kameradschaften, auf die MitmacherInnen, MitläuferInnen, auf die heimlichen SympatisantInnen und auf die GeschäftspartnerInnen, AkzeptiererInnen, HelferInnen und – freiwilligen wie unfreiwilligen – UnterstützerInnen der Nazis. Denn erst sie sorgen dafür, dass sich die rechte Szene gesellschaftlich entfalten kann. Und sie waren es, die der NSDAP 1933 zum Sieg verholfen haben – der Rest ist bekannt.

Im Kampf gegen den Faschismus haben wir es nicht nur mit den Nazis zu tun. Auch rassistische Stimmungen in der Bevölkerung, auch der Staat mit seinen Gesetzen steht oft – gewollt oder ungewollt – auf der Seite der Nazis. Daher müssen wir vorsichtig sein und Schutz in der Anonymität suchen. Wer selbst antifaschistisch aktiv ist oder war, wird dies verstehen. Die Vorwürfe der „Feigheit“ oder „Unseriösität“ kommen nicht selten von denen, die nie ernsthaft gegen Nazis vorgegangen sind. Wichtig ist nicht wer wir sind, sondern was wir sagen! Trotzdem haben wir uns entschieden, eine Kontaktmöglichkeit in Form einer E-Mail Adresse auf die Flugblätter zu drucken. Und auch die Kommentarfunktion von linksunten.indymedia.org kann für Ergänzungen oder Feedback genutzt werden.

In diesem Sinne freuen wir uns auf Diskussionen über Nazis im Allgemeinen und über die Nazi-Anwältin Rittershaus im Besonderen. Denn damit wird garantiert, dass die Zusammenarbeit mit Nazis nicht stillschweigend hingenommen werden kann.

Für die Mannheimer Anwälte, die sich bislang an der Diskussion beteiligt haben möchten wir noch einige Worte hinzufügen. Unserer Meinung nach macht es einen sehr großen Unterschied, wen man verteidigt. Weder kann man einen „Drogendealer“ mit einem „Sexualstraftäter“ vergleichen, noch einen „Mörder“ mit einem „Mörder“, noch die Verteidigung eines Nazis mit der eines RAF Mitgliedes. Jede AnwältIn muss im Einzelfall selbst entscheiden, ob eine Mandantschaft übernommen wird oder nicht und welche privaten, gesellschaftlichen und politischen Konsequenzen dies nach sich zieht. Ein linker Anwalt wird sich aus genannten Gründen immer gegen die Verteidigung eines Nazis entscheiden. Der Verein Rote Hilfe unterstützt politische AktivistInnen nach klaren Kriterien. RassistInnen wird die Unterstützung verweigert. Wer sich in sofern als neutral darstellt, dass er alle Menschen nach dem Gesetz gleich behandelt, ist nicht neutral, sondern auf der Seite der Herrschenden. Denn das Gesetz ist nicht neutral, sondern von Menschen gemacht, von politischen Ideologien beeinflusst, von kapitalistischen Interessen geprägt und von realpolitischen Rahmenbedingungen bestimmt.

Um die Diskussion nachvollziehbar zu halten, bitten wir unter linksunten.indymedia.org/de/node/19094 weiter zu diskutieren.