Gewerkschafter, Politiker, Netzwerker und Privatpersonen wollen sich am kommenden Montag den Feierlichkeiten zum Legida-Jahrestag entgegenstellen. Sie hoffen dabei auf viele Unterstützung aus der Stadtgesellschaft.
Seit zwei Jahren rufen Legida-Anhänger in regelmäßigen Abständen ihre rassistischen und fremdenfeindlichen Parolen durch den Leipziger Nachthimmel. Inzwischen ist die Resonanz meist bescheiden, kommen nur noch ein paar hundert Anhänger, um den kruden Thesen zu lauschen. Am kommenden Montag soll der Zuspruch aber wieder einmal größer werden, hoffen die Organisatoren. Zum zweiten Jahrestag planen sie eine Kundgebung an der Red-Bull-Arena mit anschließendem „Spaziergang“ durch das Waldstraßenviertel – so wie bei der Premiere vor zwei Jahren. Die genaue Route samt Auflagen wird wohl erst am Montag bekannt. Sicher ist aber jetzt schon: Ein Großteil der Messestadt wird beim zweiten Legida-Jahrestag nicht mitfeiern. Eher im Gegenteil: Ein breites Bündnis ruft zum Gegenprotest auf.
Unter den Engagierten sind Gewerkschafter, Politiker, Netzwerker, aber auch Privatpersonen. Sie alle hoffen auf möglichste viel Unterstützung aus der Stadtgesellschaft – um am Jahresstag der Rechtspopulisten ein deutliches Zeichen gegen Legida zu setzen. „Wir alle haben natürlich noch die Bilder von vor zwei Jahren im Kopf, als sich mehrere Zehntausend der ersten Legida-Veranstaltung entgegenstellten. Wir alle haben aber auch die Bilder vom ersten Legida-Jahrestag im Kopf, als 200 Angreifer einen ganzen Straßenzug in Connewitz verwüsteten“, sagte Irena Rudolph-Kokot. Die Sozialdemokratin engagiert sich bei „Leipzig nimmt Platz“, hat eine von fünf Gegendemonstrationen am Montag angemeldet. Am Donnerstag brachte sie im Werk II Vertreter von allen anderen Initiativen zusammen, die Legida nicht einfach gewähren lassen wollen.
Wolff: Legida betreibt absurde Verkehrung der Wirklichkeit
„Wir Gewerkschafter haben schon immer mit Demokraten den Schulterschluss gesucht. Ich war froh, als sich beim ersten Mal 35.000 Menschen Legida entgegengestellt haben“, sagte DGB-Regionalchef Bernd Günther. Laut der Leipziger SPD-Bundestagsabgeordneten Daniela Kolbe sei 2017 ein Jahr, in dem Haltung besonders zählt. „Und der 9. Januar bietet eine erste Gelegenheit dazu, diese Haltung auch zu zeigen“, so Kolbe weiter. Der ehemalige Thomaskirchen-Pfarrer Christian Wolff erinnerte daran: „Demokratie, Pluralität und soziale Gerechtigkeit sind eben keine Selbstläufer – man muss sich auch dafür engagieren.“ Legida verbreite Thesen, die eine „völlig absurde Verkehrung der Wirklichkeit“ offenbaren. „Wir müssen die Wirklichkeit deshalb wieder ins Bewusstsein rufen und der Verkehrung entgegentreten“, so der 67-Jährige weiter.
Für Henry Lewkowitz vom Erich-Zeigner-Haus ist es zudem ein Skandal, dass 75 Jahre nach dem Holocaust wieder Menschen mit rechtspopulistischen Parolen am jüdischen Begegnungszentrum im Waldstraßenviertel vorbeiziehen können. Lewkowitz hat deshalb am Stolperstein von Hermann Kirschbaum in der Feuerbachstraße 17a eine Mahnwache angezeigt – mutmaßlich in Sichtweite der geplanten Legida-Demonstration.
Rudolph-Kokot: Müssen uns den Rechtspopulisten widersetzen
Ein Großteil der anderen Gegendemonstrationen am Montag wird letztlich wie vor zwei Jahren zum Waldplatz führen. Laut Rudolph-Kokot soll dort ein Protest in Sicht- und Hörweite zur Legida-Demonstration möglich sein. „Wir müssen uns den menschenverachtenden Rechtspopulisten widersetzen, wenn notwendig auch mit zivilem Ungehorsam“, sagte die Sozialdemokratin und griff damit am Donnerstag auch eine Frage auf, die seit Beginn der Gegenproteste vor zwei Jahren juristisch belangt wird. Weil Monika Lazar (Grüne) und Juliane Nagel (Linke) damals auf einer Pressekonferenz eben jenes Mittel als Form des Protests erwähnten, eröffnete die Leipziger Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren gegen beide Politikerinnen.
Während das Verfahren gegen die Grünen-Politikerin inzwischen eingestellt wurde, hat Nagel einen solchen Bescheid bisher nicht bekommen. „Für uns ist wichtig, dass ziviler Ungehorsam nicht kriminalisiert wird – denn auch die Proteste 1989 waren schließlich ziviler Ungehorsam“, sagte Rudolph-Kokot am Donnerstag. Unter Umständen, so Nagel, seien auch friedliche Sitzblockaden durch das deutsche Versammlungsrecht gedeckt. Lazar rief die Leipziger Staatsanwaltschaft letztlich dazu auf, sich auf wesentliche Dinge zu konzentrieren und nicht auf den friedlichen Prostest, der in Leipzig Tradition habe. So seien ein Jahr nach dem Angriff von mehr als 200 rechtsradikalen Hooligans auf die Connewitzer Wolfgang-Heinze-Straße, parallel zum ersten Legida-Geburtstag 2016, bisher noch keine Verfahren gegen die bekannten Täter eröffnet worden.
Von Matthias Puppe
Die geplanten Demonstrationen am Montag (Stand Donnerstag, 15 Uhr):
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Rechtspopulisten:
Legida, Auftaktkundgebung 19 Uhr an der Red Bull Arena, anschließend Demonstration durch das Waldtstraßenviertel (Route noch unklar)
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Gegenveranstaltungen:
Erich-Zeigner-Haus, ab 19 Uhr Mahnwache am Stolperstein in der Feuerbachstraße 17a
Leipzig nimmt Platz 1, 18 Uhr Auftaktkundgebung Augustusplatz, anschließend Demo zum Waldplatz
Leipzig nimmt Platz 2, 18 Uhr Kundgebung am Hauptbahnhof, Westseite
Willkommen in Leipzig. 17 Uhr Friedensgebet in der Nikolaikirche, anschließend Demo zum Waldplatz
A Monday without you, 17.30 Uhr Kundgebung am Herderplatz