Sachsen und Sachsen-Anhalt haben vom Bund zu viel Geld für Flüchtlinge bekommen. Nach Recherchen von MDR AKTUELL strich Sachsen rund 4,5 Millionen Euro zu viel ein, in Sachsen-Anhalt waren es 1,7 Millionen Euro. Es geht um Hilfen für Flüchtlinge, die in andere Bundesländer weiter gezogen sind. Das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales erklärte, das Geld für dieses Jahr werde nicht zurückgefordert. Im nächsten Jahr werde man die Verteilung aber ändern.
von Matthias Reiche, MDR AKTUELL
Die zusätzlichen Hilfsgelder des Bundes fließen nach dem sogenannten Königssteiner Schlüssel, nach dem auch die Flüchtlinge auf die Bundesländer verteilt werden. Das klingt logisch, führt aber in vielen Kommunen zu einer finanziellen Schieflage, weiß Bernhard Daldrup. Er ist der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und sagt: "Das ist ein Thema, das durchaus auch in der einen oder anderen betroffenen Stadt zu Ärger führt. Ob man Duisburg nimmt, Oberhausen oder Gelsenkirchen."
Kommunen wollen mehr Geld
Dort kennt sich Oliver Wittke gut aus. Der CDU-Bundestagsabgeordnete war früher Bürgermeister von Gelsenkirchen. Die Stadt ist vom Flüchtlingszuzug besonders betroffen, sagt er. "In meiner Heimatstadt gibt es fast 2.000 anerkannte Asylbewerber, die nicht in Nordrhein-Westfalen, nicht in Gelsenkirchen anerkannt worden sind. Sie kommen aus Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Sachsen aber auch aus Bayern hierher. Dafür bekommen wir keine Mittel für Integrationsbemühungen, für Sprachkurse, für intensive Betreuung und anderes mehr."
Von der Gesetzeslage her hätte das Problem gar nicht auftauchen können. Denn seit August gilt rückwirkend zum 1. Januar die bundesweite Wohnsitzauflage. Danach erhalten anerkannte Flüchtlinge nur Leistungen, wenn sie drei Jahre in dem Bundesland bleiben, in dem sie das Anerkennungsverfahren durchliefen, erklärt der SPD Politiker Bernhard Daldrup. Er weiß:
Es gibt viele Menschen aus anderen Bundesländern, die nach Nordrhein-Westfalen kommen und die nicht so ohne weiteres zurückgeschickt werden können.
Bernhard Daldrup, kommunalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
Daldrup findet es eine "sehr unsolidarische Haltung, die einzelne Bundesländer hier einnehmen."
anerkannte Flüchtlinge (Herbst 2016) | anerkannte Flüchtlinge noch im Land (Herbst 2016) | anerkannte Flüchtlinge - Land verlassen (Herbst 2016) | |
---|---|---|---|
Thüringen | 11.650 | mehr als 10.000 | rund 1.000 |
Sachsen | 17.741 | 13.920 | 3.821 |
Sachsen-Anhalt | 15.337 | 12.965 | 2.372 |
Quelle: Die Zahlen beruhen auf Angaben der zuständigen Behörden.
Dass es bisher nicht zu innerdeutschen Abschiebungen im großen Stil gekommen ist, liegt daran, dass die meisten abgewanderten Flüchtlinge als Härtefälle eingestuft werden, weil sie bereits einen Integrationskurs belegen oder die Kinder schon eingeschult sind. Der CDU-Politiker Wittke meint, dass nicht selten der Grund in der mangelnden Kooperation im ursprünglichen Bundesland liege.
Er sagt: "Da kann man sich nicht einfach aus der Affäre ziehen, so wie das der Freistaat Sachsen versucht, indem man sagt, wir haben keine Zahlen darüber. Andere Bundesländer liefern diese Zahlen. Das erwarten wir von den Freunden in Sachsen auch."
4.000 Flüchtlinge weniger
Nach Recherchen von MDR AKTUELL müssten in dem Freistaat zum Stand Ende November 17.741 anerkannte Flüchtlinge leben. Tatsächlich aber sind es 4.000 weniger. Damit hätte Sachsen aus dem 400 Millionen Euro Hilfspaket in 2016 etwa viereinhalb Millionen Euro zu viel bekommen. Sachsen-Anhalt müsste für seine rund 2.400 "Phantomflüchtlinge" 1,7 Millionen Euro zurückzahlen.
Das allerdings ist nicht geplant, wie eine Sprecherin des zuständigen Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mitteilt. Künftig würde die Verteilung der insgesamt 2,6 Milliarden Hilfsgelder ohnehin anders gehandhabt. Die Sprecherin sagt, es wird "für das Jahr 2016 keine nachträgliche Anpassung geben. Aber in den Jahren 2017 und 2018 werden Länder beziehungsweise Kommunen entsprechend der tatsächlichen Ausgaben entlastet."
Kommunen bleiben auf Kosten sitzen
Somit bleiben viele Kommunen in diesem Jahr auf ihren zusätzlichen Kosten sitzen. Allerdings könnte sich Oliver Wittke aus der CDU-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen auch gut vorstellen, dass die von der Abwanderung profitierenden Bundesländer bei der Zuteilung neuankommender Flüchtlingen nun größere Kontingente bekommen.