Leipzig. Es waren die schlimmsten Ausschreitungen seit vielen Jahren: Am 12. Dezember 2015 lieferten sich Hunderte Linksextremisten am Rande einer Neonazi-Demo Straßenschlachten mit der Polizei. 69 Beamte wurden verletzt, der Sachschaden überstieg eine halbe Million Euro. Exakt zwölf Monate später zeigt sich: Die juristische Aufarbeitung der Krawalle bleibt für die Ermittlungsbehörden ein zähes Unterfangen.
Mit Stand 12. Dezember 2016 wurden 166 Ermittlungsverfahren eingeleitet, teilte Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz auf LVZ-Anfrage mit, überwiegend gegen Täter aus dem linken Spektrum (115). Aber auch gegen rechtsmotivierte Täter laufen Verfahren (14), hauptsächlich wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz. In 37 Fällen ist die Motivlage für Straftaten noch nicht eindeutig geklärt.
61 dieser Verfahren richten sich gegen inzwischen identifizierte Tatverdächtige, in 105 Fällen ermitteln die Behörden gegen Unbekannt. Von 104 namentlich bekannten Tätern rechnen die Ermittler 90 dem linken Lager zu, 13 gelten als rechtsextrem. Bei einem Verdächtigen sei bislang keine eindeutige Zuordnung möglich gewesen.
Die Polizei hat bisher 63 Verfahren abgeschlossen und an die Staatsanwaltschaft übergeben. Weitere zehn Vorgänge seien wegen Ordnungswidrigkeiten zur Bußgeldbehörde gekommen.
Verurteilt wurden drei Angeklagte aus dem linksextremen Spektrum – jeweils per Strafbefehl – zu Geldstrafen. Die Tatvorwürfe: Sachbeschädigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, versuchte Körperverletzung, versuchte Nötigung, Beleidigung eines Polizeibeamten. „Ein Strafverfahren wegen Beleidigung eines Polizeibeamten wurde durch das Amtsgericht gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt“, berichtete Oberstaatsanwalt Schulz. „Ein weiteres Strafverfahren gegen einen Angeklagten wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz wurde ebenfalls mit einem rechtskräftigen Strafbefehl und einer Verurteilung zu einer Geldstrafe abgeschlossen.“ Dies betraf einen Teilnehmer des Neonazi-Aufzugs.
Die Ermittlungen gegen mutmaßlich linksautonome Gewalttäter, insbesondere in den Verfahren zu den Tatvorwürfen des Landfriedensbruchs in einem besonders schweren Fall und gefährlicher Körperverletzung, seien weit fortgeschritten und würden sich in vielen Fällen vor dem Abschluss befinden. „Der Staatsanwaltschaft werden durch die Polizei fortlaufend Verfahren zur abschließenden Bearbeitung zugleitet“, so Schulz. Die Ermittlungen seien „aufgrund der Komplexität des Gesamtgeschehens umfangreich und aufwendig“, sagte der Oberstaatsanwalt. Gleichwohl müssten die Behörden Gründlichkeit vor Schnelligkeit walten lassen.
Auch im Stadtbild sind die Spuren der schlimmen Krawalle noch immer nicht ganz verschwunden. Brennende Barrikaden hatten an etwa 15 Stellen die Asphaltdecke der Straßen beschädigt. Um Wurfgeschosse zu bekommen, brachen die Gewalttäter auf einer Fläche von 65 Quadratmetern Pflastersteine heraus. Trotz der enormen Gewaltbereitschaft: Die Linksextremen waren nicht zufrieden. „Wir bekommen es nicht hin, richtig gute Barrikaden zu bauen, und wir bekommen es auch nicht hin, den Bullen so richtig zuzusetzen“, hieß es anschließend in einer Manöverkritik auf einer einschlägigen Internetplattform. „Auch ein richtiger Steinhagel scheint sie nicht zu schockieren.“
Offenbar eine Fehleinschätzung: Die Polizei zeigte sich vom Ausmaß der Gewalt sehr wohl betroffen. Den Linksextremisten sei es an diesem Tag offenbar darum gegangen, die Reizschwelle herauszufinden, wann der Schusswaffeneinsatz eines Polizeibeamten unausweichlich wird, so Behördensprecher Andreas Loepki. „Die Einsatzkräfte sind in einem Hagel faustgroßer Steine trotz Helm und Schutzweste in akuter Lebensgefahr.“