AfD-Frau geht wegen Rechtspopulismus

Erstveröffentlicht: 
16.12.2016

Die AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag verliert ein weiteres Mitglied. Wie der SWR exklusiv vorab erfuhr, verlässt eine Abgeordnete aus Enttäuschung Partei und Fraktion.

 

Der Kurs der AfD sei zu rechtspopulistisch, das könne sie nicht mehr mittragen, sagte die AfD-Abgeordnete Claudia Martin dem SWR. Deshalb hat sie ihren bisherigen Kollegen am Freitagabend ihren Austritt bekannt gegeben. "Mit dem Einzug in immer mehr Landtage und auch jetzt im bevorstehenden Bundestagswahlkampf ist einfach die AfD immer öfter und immer lauter mit Positionen wie 'Merkel muss weg' und 'die Flüchtlinge sind an allem Schuld' auf Stimmenfang", sagte Martin dem SWR.

 

Künftig wird sie dem Landtag als fraktionslose Abgeordnete angehören - so wie der frühere AfD-Abgeordnete Wolfgang Gedeon, der wegen antisemitischer Thesen die Fraktion verlassen musste.

 

"Wir decken alles zu"

 

Gedeon hat offenbar noch immer Fürsprecher in der Fraktion - und zu denen gibt es nicht genug Abgrenzung, findet Claudia Martin. Außerdem kritisiert sie, dass es keine Konsequenzen für den Abgeordneten Stefan Räpple gegeben habe. Räpple war nach unzulässigen Zwischenrufen im Landtag zur Rede gestellt worden und ging anschließend in der Fraktion auf einen anderen Abgeordneten los.

 

"Wir machen immer dasselbe: Wir decken alles zu, wir tun so, als wäre alles in Ordnung, Kritik darf unterm Strich nicht geäußert werden. Dann wird man gleich in eine Ecke gestellt. Es wird kaschiert, und man will nach außen das gute und nette Gesicht der Alternative zeigen, was wir aber innen drin zur Zeit gar nicht haben", sagte Martin dem SWR.

 

"AfD, wir müssen reden"

 

Wenn man der Abgeordneten aus der Rhein-Neckar-Region zuhört, wird klar: Die AfD hat sich radikalisiert. Inhalte kämen zu kurz, es gehe nur noch gegen Flüchtlinge und gegen den Islam, findet Martin. Ihre Erfahrungen schreibt die Erzieherin derzeit in langen Nächten auf. Arbeitstitel: "AfD, wir müssen reden". Ganz anders die Situation, als sie 2013 in die AfD eingetreten ist: "Als Mensch, der vorher nie politisch aktiv geworden ist, war das für mich plötzlich eine Möglichkeit, mich einzubringen", so Martin. Sie will sich nach ihrem Austritt keiner anderen Partei anschließen. Im Landtag und in ihrem Wahlkreis Wiesloch will sie sich künftig vor allem um das Thema Digitalisierung kümmern.

 

Die AfD-Fraktion forderte sie nach dpa-Informationen unterdessen auf, ihr Mandat zurückzugeben. Sie sei nicht direkt und nur gewählt worden, weil sie die Ziele der AfD habe im Landtag vertreten wollen, sagte Fraktionsvize Emil Sänze.

 

"Die Radikalen haben offenbar die Oberhand"

 

AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen zeigte sich überrascht von der Personalie. In einer ersten Reaktion sagte er der dpa, er wolle die Fraktionskollegin zum Bleiben bewegen. Später aber war davon keine Rede mehr. Stattdessen warf er Martin ein "falsches Spiel" vor. Meuthen sprach in diesem Zusammenhang von einer "hinterrücks vorbereiteten Aktion für billige 15 Minuten Ruhm".

 

Den geplanten Schritt könne er nicht nachvollziehen. "Herr Meuthen kann den Laden offensichtlich nicht mehr zusammenhalten. Schlimm, dass der Landtag für solch ein Theater missbraucht wird", teilte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD im Landtag, Reinhold Gall, mit.

 

Auch der Grünen-Fraktionsvorsitzende Andreas Schwarz sagte zum angekündigten Austritt Martins, die Personale zeige "wer bei der AfD halbwegs gemäßigt ist, wird rausgeekelt. Die Radikalen haben offenbar die Oberhand, während der Fraktionsvorsitzende seine Fraktion nicht im Griff hat. Die Spaltung scheint nur formal überwunden." Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Wolfgang Reinhart, findet, dass die AfD-Fraktion sich weiterhin mehr mit sich selbst beschäftigt, "als mit den Menschen und den Herausforderungen in unserem Land".

 

Ohne Martin hätte die AfD im Landtag 21 Mitglieder - und wäre damit immer noch die größte Oppositionsfraktion vor der SPD, die auf 19 Sitze kommt.