Im November 2015 nahm die Polizei den Anführer der mutmaßlichen rechten Terrorzelle "Gruppe Freital" fest. Während der Ermittlungen kamen Fragen auf: Hat ein Polizist die Gruppe vorgewarnt? Und ist diese Verbindung noch größer als gedacht? Denn nun hat das sächsische Justizministerium eingeräumt, dass gegen zwei Beamten ermittelt wird.
Von Bastian Brandau
Die detailreiche Aufklärung zu Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft gehört nicht unbedingt ins Plenum eines Parlaments. Von der Sache her sei sein Antrag ein Fall für den Innenausschuss, erklärt der innenpolitische Sprecher der Grünen Valentin Lippmann - Mitte zwanzig und bekannt für seine rasante Sprechweise. Er sagt, er habe aber keine andere Möglichkeit gesehen. Es brauche die Öffentlichkeit des Plenums in Anbetracht der kargen Aufklärung von Seiten der sächsischen Regierung über die Umstände bei den Ermittlungen zur Gruppe Freital.
Bundesanwaltschaft geht von versuchtem Mord aus
"Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, man fragt sich dieser Tage ob man bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mittlerweile nicht im Dreieck springt angesichts der Kommunikations- und Ermittlungsarbeit der sächsischen Behörden rund um die Terrorgruppe Freital, die uns mittlerweile im Wochentakt offenbart werden und die nun möglicherweise einen großen Prozess gegen Rechtsterroristen in Deutschland ins Wanken bringen könnten", sagt Lippmann.
Gemeint ist der Prozess gegen die mutmaßlichen Terroristen aus Freital, im Frühjahr soll er in Dresden beginnen. Die sieben Männer und eine Frau sind der Bildung einer terroristischen Vereinigung angeklagt. Sie sollen im Sommer 2015 in Freital und Dresden Anschläge auf Asylunterkünfte und Wohnungen von politischen Gegnern verübt haben. Im April hatte die Bundesanwaltschaft das Verfahren an sich gezogen, bei einigen Taten geht sie von versuchtem Mord aus.
Hinweis aus dem Umfeld der Gruppe
Im November des vergangenen Jahres hatte die Polizei die Anführer der Gruppe festgenommen. Die entscheidenden Hinweise bekamen die Behörden dabei von einem Mann aus dem Umkreis der mutmaßlichen Terroristen. Der nannte Details und stellte Chatprotokolle zur Verfügung.
Wer war dieser Informant? Und in welcher Beziehung stand er zu Polizei und dem sächsischen Verfassungsschutz? Diese Fragen stellt Der Spiegel bereits im April dieses Jahres. Die Ermittlungen zu Freital, sie werden daraufhin Thema einer ersten Sondersitzung im Rechtsausschuss des Landtages. Die Regierung aber wiegelt zu diesem Zeitpunkt ab.
Grünen-Politiker Lippmann erinnert sich: "Dort hatte man uns, dem Parlament und den Ausschussmitgliedern, aber offensichtlich nicht die volle Wahrheit gesagt. Denn anstatt alle Fakten auf den Tisch zu legen, verheimlichte man - obwohl die Frage möglicher Kontakte des Verbindungsmannes zum Verfassungsschutz umfassendes Thema in der Sondersitzung war - dem Ausschuss, dass der Verfassungsschutz sehr wohl Kontakte zu dem ominösen, gleichwohl entscheidenden Zeugen Kontakt hatte."
Hätte die Polizei durch den Zeugen Taten verhindern können?
Das berichtete Der Spiegel wiederum Anfang November, also gut ein halbes Jahr nach den ersten Enthüllungen. Dieses Mal mit mehr Details. Die Polizei habe den aussagewilligen Zeugen an den Verfassungsschutz vermittelt. Ein gewisser Herr Kaiser, mutmaßlich ein Mitarbeiter des sächsischen Verfassungsschutzes, habe daraufhin mit ihm telefonischen Kontakt gehabt. Einen Kontakt bestätigt die Regierung in einer weiteren Sondersitzung des Rechtsausschusses am 17. November.
Der Oppositionspolitiker Lippmann ist dennoch unzufrieden: "Der Informationsmehrwert ist nahezu null, außer dass wir jetzt wissen, was zuvor den Medien zu entnehmen war, dass es nun offenbar doch Kontakte des Verfassungsschutzes gab." Das ist nicht unproblematisch, denn es stellt sich die Frage: Hätte die Polizei mit ihren Kenntnissen die letzten mutmaßlichen Taten der Freitaler Gruppierung vor deren Verhaftung verhindern können? Ja, glaubt einer der Verteidiger und hat Anzeige gestellt: Rechtsbeugung, Strafvereitelung im Amt und Datenunterdrückung lautet der Vorwurf gegen ermittelnde Polizisten und Staatsanwälte. Doch damit nicht genug. Neues Medium, gleicher Fall, neuer Verdacht, dieses Mal berichtet Die Zeit.
Polizist unter Verdacht
Die Kontakte eines Bereitschaftspolizisten zur Gruppe Freital werden vor gut zwei Wochen bekannt. Auch dazu hatte man den Landtag, obwohl man die Information bereits hatte, nicht informiert. Wohl aus guten Gründen, denn das was jetzt im Raum steht, gefährdet nachhaltig den Strafprozess. Hatte die Terrorgruppe Freital Unterstützung durch einen Polizisten, gab es eine gezielte Informationsweitergabe an rechte Terrorgruppen?
Schon im Dezember, also vor über einem Jahr, hatte einer der Beschuldigten ausgesagt, die Gruppe habe regelmäßig Informationen über bevorstehende Polizei-Einsätze erhalten: Von einem Beamten der sächsischen Bereitschaftspolizei. Der Beschuldigte nannte dabei laut der Zeit auch Namen.
Dem widersprach Sachsens Justizminister Gemkow (CDU) am Dienstag im Landtagsplenum: "Dass sich daraus ein Anfangsverdacht für die Straftat der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung durch den Bereitschaftspolizisten noch nicht ergab, bestätigte der Generalbundesanwalt, der im Mai dieses Jahres für eine Übernahme des Verfahrens durch seine Behörde noch keinen Raum sah. Klarstellen möchte ich, dass ein Name in diesem Zusammenhang erst im Laufe der Ermittlungen des Generalbundesanwalts im August 2016 erwähnt wurde."
Verrat von Dienstgeheimnissen von sogar zwei Beamten?
Erklärungsversuche dafür, warum rund ein Jahr vergehen musste, bis konkret gegen diesen Beamten wegen Verdachts auf Verrat von Dienstgeheimnissen ermittelt wurde. Warum erst überhaupt nicht, und dann zunächst gegen Unbekannt ermittelt wurde. Gemkow lieferte aber auch ein erneutes Beispiel für die Informationspolitik seiner Regierung, die in den Augen der Opposition der Salamitaktik folgt: "Seit dem 7. Dezember 2016 prüft die Staatsanwaltschaft Sachsen Dresden Sachverhalte gegen zwei Polizeibeamte."
Zwei - diese Zahl des Justizministers war neu am Dienstagabend im Plenum des Sächsischen Landtags. Bisher war lediglich von einem Beamten die Rede gewesen. Der ist vom Dienst suspendiert, gegen ihn wurde ein Disziplinarverfahren eröffnet. Erklärungen dazu bot der für die Polizei zuständige Innenminister Markus Ulbig zum Unmut der Opposition im Parlament nicht. Der CDU-Politiker weihte zum selben Zeitpunkt eine Schwimmhalle ein.