Andrej Holms Stasi-Vergangenheit: Gelogen oder fehlinterpretiert?

Erstveröffentlicht: 
15.12.2016

Berlins Baustaatssekretär Andrej Holm gerät weiter unter Druck: Er räumte ein, dass er bei seinem früheren Uni-Job eine Stasi-Tätigkeit verneinte.

 

Die Debatte um Andrej Holm, Staatssekretär für Stadtentwicklung in der neuen rot-rot-grünen Landesregierung in Berlin, hat eine neue Wendung genommen. Im Mittelpunkt steht nicht länger, ob ein Regierungsmitglied mit Stasi-Vergangenheit tragbar ist, sondern ob Holm diese Tätigkeit gegenüber der Berliner Humboldt-Universität (HU), seinem bisherigen Arbeitgeber, geleugnet hat. Am Mittwochabend hatte Holm vor Journalisten gesagt, dass er 2005 in einem Fragebogen der HU auf die Frage nach einer Stasi-Tätigkeit mit „Nein“ antwortete.


Die Linkspartei hatte den parteilosen Stadtsoziologen vergangene Woche als Staatssekretär vorgeschlagen, der Senat, die Berliner Landesregierung, beschloss seine Ernennung am Dienstag. Holm gilt als einer der bekanntesten Gentrifizierungsgegner – mit ihm wollte die Linkspartei ein klares Zeichen setzen, wohin die Bau- und Mietpolitik der rot-rot-grünen Koalition in den nächsten fünf Jahren gehen soll.

 

2007 hatte Holm in der taz öffentlich gemacht, dass er sich für eine hauptamtliche Tätigkeit beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) verpflichtete. Damals, wie bis vor einigen Tagen, aber will er gedacht haben, dass seine tatsächliche Arbeit bei der Staatssicherheit erst nach einer Grundausbildung im Stasi-Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ 1989/90 beginnen sollte. Erst durch Einblick in Dokumente der Stasi-Unterlagenbehörde, veröffentlicht durch die B.Z. und Bild zu Wochenbeginn, soll ihm klar geworden sein, dass das anders war.


Die „Nein“-Antwort im Fragebogen bewertet Holm nicht als Lüge. „Ich habe keine falschen Angaben gemacht“, sagte er. Er habe aber, nicht wissentlich und vielleicht aus fehlender Detailkenntnis, falsche Angaben gemacht. Sein „Nein“ sah er dadurch relativiert, dass er in Klammern hinzugefügt habe: „siehe Wehrdienst“.


Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) als seine Chefin sieht bislang keinen Grund, nicht an Holm festzuhalten. Er habe „glaubhaft machen können, dass er niemandem geschadet und niemanden bespitzelt hat“. Zudem wolle sie „das Vorliegen weiterer Unterlagen abwarten“. Zum „Nein“ zur MfS-Tätigkeit sagte sie: „Das zu bewerten – ist das eine Falschaussage oder nicht? – würde ich gern Juristen überlassen.“ Mögliche arbeitsrechtliche Konsequenzen festzustellen, sei Angelegenheit der HU.


 

Deren Pressesprecher Hans-Christoph Keller sagte der taz, man habe eine Anfrage bei der Stasi-Unterlagenbehörde gestellt: „Solange die Auskunft nicht vorliegt, wird sich die HU zu möglichen Konsequenzen nicht äußern.“

 

Die Berliner CDU sieht die neue rot-rot-grüne Koalition dagegen bereits „moralisch am Ende“. Das Schweigen von Regierungschef Michael Müller (SPD) nannte ihr Generalsekretär Stefan Evers „eine Zumutung“. Und die Grünen hätten „ihre Verwurzelung in der DDR-Bürgerrechtsbewegung offenbar über Bord geworfen“.