Der Staatsschutz in Bielefeld prüft den Fall
Oerlinghausen. Ein Mob zieht durch die Südstadt. 25 bis 30 Jugendliche und junge Männer brüllen Parolen wie "Deutschland über alles" oder "Ausländer raus". Das sind noch die harmlosen Parolen, sagen Zeugen. Mindestens einer der Männer hat ein Messer dabei, andere haben Bengalos und Pyrotechnik wie man es aus dem Fußballstadionumfeld kennt. Wenig später verfolgt ein mit maskierten Männern voll besetztes Auto zwei Jugendliche - die Jugendlichen haben Todesangst.
Diesen Vorfall schildert eine Oerlinghauserin. Ihr 14-jähriger Sohn ist einer der beiden Verfolgten. Zu seinem Schutz nennen wir ihn Frank. Frank ist in Deutschland geboren, die Familie lebt in der Oerlinghauser Altstadt. Aber Frank sieht nicht aus, wie sich manche offenbar einen typischen Deutschen vorstellen. Sein Vater ist vor fast 20 Jahren aus Afrika nach Deutschland gekommen.
Eine Freundin warnt: "Das sind Nazis"
An einem Spielplatz am Bonhoeffer-Haus in der Südstadt trifft sich Frank mit Freunden. Zum Chillen, wie die Jugendlichen sagen. So auch am vergangenen Freitag. Später sollte es noch zu einer Freundin gehen. Nach 22 Uhr hörten die Jugendlichen das Gegröle und die im Chor gerufenen ausländerfeindlichen Parolen. Dann ging der Mob, direkt an der Fünfergruppe vorbei. Frank beschreibt die Männer als kahlgeschoren mit Springerstiefeln und Bomberjacken. Einer der vorderen habe sichtbar ein Messer in der Hand gehabt. Eine Freundin hatte Frank schnell gewarnt, er solle sich verstecken, "das sind Nazis". Offenbar kannten sich einige Jugendliche beider Gruppen. Frank hatte rechtzeitig Schutz im Dunkeln gesucht, der Mob zog vorbei und verschwand.
Frank rief seinen Vater an, der hatte vorgeschlagen, die Polizei zu informieren. Doch der Mob war ja weg. Außerdem habe ein Mädchen der Gruppe beschwichtigt, weil im Mob Bekannte gewesen seien. Also keine Polizei.
Zwischen 23 und 24 Uhr machte sich Frank mit einem Freund auf den Heimweg in die Altstadt und bemerkte ein Fahrzeug hinter sich. Es hielt Distanz, wurde schneller, wenn die Jungs schneller wurden, langsamer, wenn die Jungs langsamer wurden. Es habe sich um eine schwarze Limousine gehandelt, innen sollen sechs Männer mit Sturmhauben über den Gesichtern gesessen haben. Ausgestiegen sind sie nicht, auch die Fenster blieben oben. Das Kennzeichen konnten die Jugendlichen aufgrund des Nebels nicht erkennen. Der Nebel half den Jungs aber, auf Höhe des Sportplatzes Kalkofen offenbar unbemerkt im Gebüsch zu verschwinden und Franks Mutter anzurufen.
Als sie die Jungs abgeholt hat, will sie das verdächtige Auto noch gesehen haben und hat es eine kurze Strecke verfolgt. "Ich wollte das Kennzeichen erkennen", das hat sie später der Polizei gesagt. Denn die hat sie umgehend informiert. Nachts um 2 standen dann auch Kriminalbeamte vor ihrer Tür und nahmen Franks Zeugenaussage zu Protokoll.
Franks Mutter war nicht die einzige, die die Polizei alarmiert hatte. In der Leitstelle der Polizei sind vor 23.45 Uhr etliche Anrufe eingegangen, die Menschen berichteten von Randale, Sachbeschädigung, Gegröle - auch ausländerfeindlicher Parolen -, einer Schlägerei und dem Abbrennen von Bengalos und Pyrotechnik in der Südstadt.
Die Polizei rückte mit mehreren Einsatzwagen an, stellte die verbotene Pyrotechnik sicher und die Personalien der Krawallmacher fest. Einen Minderjährigen hat sie nach Hause gebracht. Weil offenbar auch ausländerfeindliche Parolen gegrölt wurden, liegt der Fall nun beim Staatsschutz in Bielefeld.
Der prüfe laut Pressestelle nun, ob politisch motivierte Taten vorliegen und deswegen ermittelt werde. Einen neuen Schwerpunkt der rechten Szene sehen die Beamten in der Südstadt nicht. Und die Verfolgung? Die Polizei rät allen, die sich verfolgt oder bedrängt fühlen, sofort den Polizeinotruf 110 zu wählen. Möglicherweise könne der Beamte am Telefon schon Verhaltenstipps geben. Wann eine Verfolgung oder Einschüchterung zu einer Straftat wird, will die Polizei pauschal nicht beantworten. "Das ist schwierig."
Frank will erst einmal nicht zum Treffpunkt in die Südstadt gehen, auch nicht im Dunkeln unterwegs sein. "Wie soll ich meinem Kind erklären, was in solchen Leuten vorgeht", sagt die besorgte Mutter.