Für ihn ging es um Einiges. Swen G. (37) wirkte angespannt und in sich gekehrt, blickte zu Boden, während die Plädoyers liefen. Doch am Ende sah das Landgericht den Vorwurf der Körperverletzung im Amt und der Freiheitsberaubung während eines Fußballeinsatzes nicht erfüllt. Wie berichtet, hatte das Amtsgericht Leipzig den Angeklagten noch zu 5.850 Euro Geldstrafe verurteilt, wogegen sowohl er als auch die Staatsanwaltschaft Berufung einlegten.
Laut erster Instanz habe der Ordnungshüter unverhältnismäßig agiert, als er den BSG Chemie-Fan Marco H. (28) während eines Einsatzes im Zwenkauer Fußballstadion am 28. September 2013 gemeinsam mit einem Kollegen von einer Sitzbank zerrte und am Boden fixierte. An jenem sonnigen Samstagnachmittag war es während einer Begegnung zwischen BSG Chemie Leipzig und dem VfB Zwenkau im Stadion der Gastgeber zu heftigen Tumulten gekommen. Im Vorfeld der Partie hatten mutmaßliche Chemie-Ultras den örtlichen Penny-Markt heimgesucht und dort reichlich Tabak und Alkohol gestohlen. Die Polizisten, welche gegen die am Spielort vermuteten Täter vorgehen sollten, sahen sich dort körperlich und verbal massiven Angriffen ausgesetzt, erinnerte sich Swen G. während des Prozesses.
Für seinen Anwalt Curt-Matthias Engel stellte dies einen entscheidenden Grund dar, seinem Mandanten rechtmäßiges Handeln zu attestieren: „Polizeibeamte wurden angegriffen, beleidigt, beschimpft“, betonte Engel. Eine vorherige Ansprache des Betreffenden durch die Polizei, wie sie das Gesetz im Regelfall vorsieht, konnte in der chaotischen Situation nicht greifen, so der Rechtsanwalt weiter, denn der mutmaßlich Geschädigte sei aus Sicht der Polizei Tatverdächtiger und Teil einer gewaltbereiten Gruppierung gewesen. „Sie haben richtig schön mitgemischt“, hielt Engel Marco H. vor.
Staatsanwaltschaft und Nebenklage hatten das etwas anders gesehen. Zwar sei die Polizei zu einer Identitätsfeststellung berechtigt gewesen, allerdings habe doch nichts dagegen gesprochen, Marco H. vor einem Zugriff zunächst anzusprechen. Er sei ruhig, nicht aggressiv und auf sein Smartphone konzentriert gewesen, mit dem er den Einsatz der Polizei filmte, als er ohne Vorwarnung von den Beamten gepackt wurde, erklärte der Staatsanwalt und forderte 7.800 Euro Geldstrafe für Swen G.
Dem schloss sich auch Nebenklage-Anwalt Robert Oeltz an. „Wir haben hier unter grober Verkennung der Verhältnismäßigkeit ein Festhalten“, sagte Oeltz. Marco H. sei völlig arglos gewesen, eine Rechtsgüterabwägung, die auch die Unversehrtheit des Betroffenen einbezieht, habe überhaupt nicht stattgefunden, kritisierte der Jurist.
Swen G., seit 2000 Polizist und seit 2002 in der Beweissicherungs -und Festnahmeeinheit (BFE) tätig, hob in seinem Schlusswort noch einmal hervor, in welch angespannter Lage er sich damals befand und beteuerte, keine andere Option gesehen zu haben. Dem verheirateten Vater eines 18 Monate alten Kindes blieb ein höheres Gehalt wegen der Ermittlungen verwehrt, auch die für 2015 vorgesehene Beförderung zum Hauptkommissar war blockiert.
Am Ende sprach das Landgericht Swen G. gemäß dem Antrag der Verteidigung frei. Zwar hätten die beiden Gesetzeshüter Marco H. statt eines Überraschungszugriffs auch zunächst an den Armen fassen und seine Reaktion abwarten können. Jedoch sei die nicht kalkulierbar gewesen und man habe sich deswegen für eine andere Option entschieden. „Diesen Spielraum haben wir Ihnen zugebilligt“, erklärte die Vorsitzende Richterin Gabriele Plewnia-Schmidt. „Das soll nicht bedeuten, dass wir nicht der Meinung sind, bei einem Fußballspiel gelten die allgemeinen Rechte nicht“, betonte sie in ihrer Urteilsbegründung weiter. Gleichwohl sah sie in Marco H. einen aus polizeilicher Perspektive Tatverdächtigen und im Handeln der Polizei keine Exzesse.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.